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Der Erziehungsauftrag der Schule

und seine verfassungsrechtliche Legitimation

 Übersicht
1.0 Das Problemfeld
      1.1 Sozialgeschichtlicher Hintergrund
      1.2 Die Legitimation des öffentlichen Schulwesens
      1.3 Der Vorbehalt des Gesetzes
2.0 Grundlegung in den Verfassungen und Schulgesetzen der Bundesländer
3.0 Internationales Recht zur Bildung
4.0 Literaturnachweis
      4.1 Einführung
      4.2 Titel in Auswahl

1.0 Das Problemfeld

1.1 Sozialgeschichtliche Hintergrund

Träger des Schulwesens war in Deutschland während des Mittelalters vor allem die Kirche, später wurden es zunehmend auch die Städte. Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts und vor allem im Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus waren die deutschen Herrscher bestrebt, die wirtschaftliche und politische Leistungsfähigkeit ihrer Staaten bzw. Länder zu entwickeln. Dazu sollte insbesondere die Einführung der allgemeinen Schulpflicht und die Entwicklung eines vom Staate aufgebauten Schulwesens beitragen. Das waren überaus fortschrittliche Maßnahmen. Sie wurden freilich zuvörderst im Interesse des Staates, weniger um der Menschen willen verwirklicht. Dennoch leiteten sie eine Entwicklung ein, die allen Menschen zugute kam und schließlich Bildung in unserer Zeit zum Bürgerrecht werden ließen.

1.2 Die Legitimation des öffentlichen Schulwesens

Die skizzierte Entwicklung hat das Schulwesen in Deutschland zu einer öffentlichen - und das heißt hier staatlichen - Aufgabe werden lassen. Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland bestimmt vor dem Hintergrund dieser Tradition in Artikel 7 Absatz 3:

„Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates."

Rechtslehre sowie höchstrichterliche Rechtsprechung stimmen darin überein, dass mit dieser Setzung die umfassende Gestaltungsbefugnis des Staates gemeint ist. »Staat« i.S. dieser Regelung sind die Bundesländer. In Artikel 7 Absatz 4 greift das Grundgesetz jedoch eine andere wichtige Traditionslinie auf:

„Das Recht zur Errichtung privater Schulen wird gewährleistet."

Auch sie unterstehen den Landesgesetzen und der staatlichen Schulaufsicht.

Zwischen dem Aufgabenverständnis absolutistischer Herrscher und dem Staatsverständnis des Grundgesetzes liegen Welten. So steht der staatlichen Gestaltungsbefugnis für das Schulwesen in Artikel 6 Absatz 2 GG das Elternrecht gegenüber:

„Pflege und Erziehung der Kinder
sind das natürliche Recht der Eltern
und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht."

Vor allem aber wird alle staatliche Tätigkeit streng gebunden. Das hat aus dem Obrigkeitsstaat den Rechts- und Sozialstaat gemacht.

Das Bundesverfassungsgerichts hat dazu in seinem Maßstäbe setzenden Beschluss vom 21. Dezember 1977 (BVerfGE 47, 46 [80]) ausgeführt:

„Auch im Schulverhältnis spielt die Grundrechtsrelevanz eine erhebliche Rolle. Die Grenzen zwischen dem staatlichen Erziehungsauftrag (Art. 7 Abs. 1 GG) und dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) sowie den Persönlichkeitsrechten des Kindes (Art. 2 Abs. 2 GG) sind oft flüssig und nur schwer auszumachen. Ihre Markierung ist für die Ausübung dieser Grundrechte vielfach von maßgeblicher Bedeutung.
     Sie ist daher Aufgabe des Gesetzgebers.

Dieser letzte Satz leit über zum Vorbehalt des Gesetzes.

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1.3 Der Vorbehalt des Gesetzes

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland führt in Artikel 20 »Grundsätze der Verfassung« auf; sie sind so bedeutsam, dass Artikel 79 Absatz 3 deren Änderung untersagt. Einer dieser Grundsätze ist das Rechtsstaatsgebot; er wird auch als „Vorbehalt des Gesetzes" bezeichnet, ist in Artikel 20 Absatz 3 verankert und lautet:

„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung,
die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung
sind an Gesetz und Recht gebunden."

Diese Verfassungsvorschrift folgt aus dem Prinzip der Volkssouveränität, dem Demokratiegebot, das in Artikel 20 Absatz 2 verankert ist; der Text lautet:

„Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."

Rechtslehre sowie höchstrichterliche Rechtsprechung stimmen seit Mitte der siebziger Jahre in folgendem Standpunkt überein:

„Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, bei der Regelung des Schulverhältnisses die grundlegenden Entscheidungen selbst zu treffen und nicht dem Ermessen der Verwaltung zu überlassen." (BVerfG, 27. Januar 1976 - 1BvR 23257/73 - BVerfGE 41, 251 [263])

Diese sog. „Wesentlichkeitstheorie" hat seitdem die Gesetzgebung beeinflusst und dazu geführt, dass nunmehr in allen deutschen Bundesländern die Ziele von Unterricht und Erziehung in Schulgesetzen geregelt werden. Darüber hinaus haben die meisten Bundesländern die Aufgabe der Schule in der jeweiligen Landesverfassung verankert.
     Eine ausführliche Darstellung zum Vorbehalt des Gesetzes und zur Wesentlichkeitstheorie finden Sie auf der Webseite „Der Vorbehalt des Gesetzes".
     Die Bedeutung, die das Grundgesetz insgesamt für das Schulwesen hat, finden Sie auf der Webseite Die Bindung des Schulwesens durch das Grundgesetz" dargestellt.

Die sog. »Verrechtlichung« des Schulwesens ist von Lehrern vielfach als Beeinträchtigung ihrer pädagogischen Aufgaben empfunden worden. Trotz der Würde, die verantwortungsbewusster erzieherischer Tätigkeit eignet, ist die Einsicht unabweislich:

Unterricht und Erziehung
greifen tief in die Grundrechtspositionen der Schüler und ihrer Eltern ein.

Im Folgenden werden die gesetzlichen Grundlegungen der Schule vorgestellt. Vielfalt, Spannweite und Schwerpunkte des darin sich abbildenden Verständnisses ihrer Aufgaben sind bemerkenswert. Sie zugänglich zu machen ist die Absicht dieser Übersicht.

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2.0 Grundlegung in den Verfassungen
       und Schulgesetzen der Bundesländer

Die hier vorgestellten Texte beruhen auf dem im Luchterhand-Verlag von Holger KNUDSEN herausgegebenen Werk
                                   Schulrecht in Deutschland -
                 Sammlung der Schulgesetze der Bundesrepublik Deutschland.

Die einzelnen Zitate verzeichnen die dort im April 2002 veröffentlichten Daten der jeweils letzten Änderung.

3.0 Internationales Recht zur Bildung

Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung wird zusätzlich dokumentiert die

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Auszug)

Verkündet von der Allgemeinen Versammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948

Artikel 26

1. Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Der Unterricht muss wenigstens in den Elementar- und Grundschulen unentgeltlich sein. Der Elementarunterricht ist obligatorisch. Fachlicher und beruflicher Unterricht soll allgemein zugänglich sein; die höheren Studien sollen allen nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten und Leistungen in gleicher Weise offenstehen.
2. Die Ausbildung soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stärkung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziele haben. Sie soll Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen.
3. In erster Linie haben die Eltern das Recht, die Art der ihren Kindern zuteil werdenden Bildung zu bestimmen.

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4.0 Literaturnachweis

4.1 Einführung

Zum Thema gibt es ein umfangreiches Schrifttum. Eine übersichtliche Einführung in die Gesamtproblematik findet sich bei EISELT und HEINRICH, S. 109 - 129. Die weiteren Autoren, unter ihnen besonders OPPERMANN, hatten wesentlichen Einfluss auf die rechtspolitische und gesetzgeberische Entwicklung. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen und Probleme werden von JARASS und PIEROTH besonders übersichtlich dargestellt. Die aktuelle Situation wird insbesondere von NIEHUES detailliert und umfassend dargestellt.

Hier wird nur die Literatur verzeichnet, auf die sich der Text des Bausteins unmittelbar bezieht. Alle weiteren Literaturangaben dieser Themengruppe werden in der „Literaturgrundlage" zusammengefasst.

4.2 Titel in Auswahl

  • Axel Freiherr von CAMPENHAUSEN
    Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft
    Die rechtliche Verantwortung für die Schule
    Göttingen 1965
  • Rudolf DOLZER (Hrsg.)
    Bonner Kommentar zum Grundgesetz
  • Gerhard EISELT - Wolfgang HEINRICH
    Grundriß des Schulrechts in Berlin
    Weinheim 1990, 3. Auflage
  • Hans-Ulrich EVERS
    Die Befugnis des Staates zur Festlegung von
    Erziehungszielen in der pluralistischen Gesellschaft
    Berlin 1979
  • Frank HENNECKE
    Staat und Unterricht
    Die Festlegung didaktischer Inhalte
    durch den Staat im öffentlichen Schulwesen
    Berlin 1972
  • Hans D. JARASS - Bodo PIEROTH
    Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
    Kommentar
    München 2002, 6. Auflage
  • Bernd LÖHNING
    Der Vorbehalt des Gesetzes im Schulverhältnis
    Berlin 1974
  • Norbert NIEHUES
    Schul- und Prüfungsrecht
    Band 1: Schulrecht
    München 2000, 3. , neubearbeitete Auflage
    Band 2: Prüfungsrecht
    München 1994, 3. Auflage, 2003, 4. Auflage
  • Thomas OPPERMANN
    Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche
    Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen?
    Gutachten C zum 51. Deutschen Juristentag
    München 1976

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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