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Die Bindung des Schulwesens
durch das Grundgesetz

Übersicht
1.0 Vorbemerkung
2.0 Gestaltung des Schulwesens
3.0 Der Vorbehalt des Gesetzes
4.0 Rechtsschutz
5.0 Freie Wahl der Ausbildungsstätte
6.0 Verfassungstreue der Lehrer
7.0 Gültigkeit der Grundrechte
  8.0 Grundsätze für Unterricht
        und Erziehung
  9.0 Identifikationsgebot
10.0 Neutralitätsgebot
11.0 Toleranzgebot
12.0 Weitere Grundrechte und -pflichten
13.0 Literaturnachweis

1.0 Vorbemerkung

Das Grundgesetz enthält eine große Anzahl von Vorschriften, aus denen teils unmittelbar, teils mittelbar rechtliche Bindungen für das Schulwesen folgen. Sie werden in den folgenden Informationen dargestellt. Da die Materie sowohl verfassungsrechtlich auch als sozialphilosophisch hochkomplex ist und darüber hinaus kontrovers diskutiert wird, kann es sich hier nur darum handeln, gleichsam Stichworte zu nennen und zu markieren.

2.0 Gestaltung des Schulwesens

Das Schulwesen steht nach Art. 7 unter der Aufsicht des Staates. Der Begriff „Aufsicht" bezeichnet die umfassende Gestaltungs- und Organisationsbefugnis des Staates.
     „Staat" i.S. von Art. 7 sind die Länder. Ihnen obliegt die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben, soweit sie nicht nach Art. 73 oder Art. 74 Aufgabe des Bundes sind.
     Weil also die „Kulturhoheit" bei den Ländern liegt, gibt es keinen Bundesminister für das Schulwesen.
     Art. 72 Abs. 2 Nr. 3 gebietet die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse. Die dafür im Schulwesen nötigen Koordinationsaufgaben leistet die Kultusministerkonferenz (KMK). Ferner gibt es auf Grund von Art. 91 b eine Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung.
     Die Befugnisse des Bundesministers für Bildung sind auf die Aufgaben gemäß Art. 74 Nr. 11 und 12 beschränkt.

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3.0 Der Vorbehalt des Gesetzes

Das Schulwesen ist als Teilbereich der vollziehenden Gewalt durch Art. 20 Abs. 3 an den „Vorbehalt des Gesetzes" gebunden. Mithin bedürfen alle „wesentlichen" Gegenstände des Schulwesens einer gesetzlichen Grundlage. Das sind alle die Regelungen, die unmittelbar in die Rechtspositionen von Eltern und Schülern eingreifen. Als Beispiele seien hier die Versetzung und die Ordnungsmaßnahmen genannt.
     Vertiefungen dazu finden Sie auf den WebseitenDer Erziehungsauftrag der Schule und seine verfassungsrechtliche Legitimation" sowie „Der Vorbehalt des Gesetzes".

4.0 Rechtsschutz

Eltern und Schüler haben nach Art. 19 Abs. 4 Rechtsschutz. Sie können also gegen schulische Entscheidungen, durch die sie sich in ihren Rechten verletzt fühlen, Rechtsmittel (Beschwerde, Widerspruchsverfahren, ggf. Klage vor dem Verwaltungsgericht) in Anspruch nehmen.

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5.0 Freie Wahl der Ausbildungsstätte

Eltern und Schüler haben nach Art. 12 Abs. 1 das Recht auf freie Wahl der Ausbildungsstätte. Einschränkungen dieses Rechtes müssen rechtlich begründet sein oder aus anderen rechtlichen Bindungen folgen.

6.0 Verfassungstreue der Lehrer

Die Lehrer - nicht nur die im Beamtenverhältnis, sondern auch die im Angestelltenverhältnis - sind durch Art. 33 Abs. 4 zur Verfassungstreue und durch Art. 20 Abs. 3 zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet.
     Aus Art. 33 Abs. 4 und 5 folgt auch ihre Pflicht zu politischer Zurückhaltung. Damit werden keineswegs die ihnen nach der Verfassung zustehenden Rechte beschnitten, sondern lediglich deren exzessive Inanspruchnahme. Nur unter dieser Voraussetzung können die Freiheitsrechte gewährleistet werden, die die Bürger gegenüber dem Staat, also auch dessen Vertretern haben.

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7.0 Gültigkeit der Grundrechte

Die Grundrechte gelten auch für Kinder und Jugendliche. Das Schulverhältnis führt nicht zur Einschränkung der Grundrechte.
     Mithin haben Schüler insbesondere Anspruch auf Achtung ihrer Würde (Art. 1 Abs. 2), auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1), auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1) und auf Meinungs- und Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1). Einzelheiten und Vertiefungen werden auf der Webseite „Die Gültigkeit der Grundrechte" erörtert.

8.0 Grundsätze für Unterricht und Erziehung

Über diese generell geltenden Bindungen hinaus folgen aus dem Grundgesetz eine Reihe von Geboten, die die eigentliche Aufgabe der Schule, Unterricht und Erziehung, betreffen.

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9.0 Identifikationsgebot

Aus der Gültigkeit der Grundrechte folgt auch, dass sich die Schule mit den Grundwerten des Grundgesetzes identifizieren muss, also Unterricht und Erziehung sich an ihnen zu orientieren haben. Erziehung ist ohne Orientierung an Werten nicht möglich.
     Damit werden jedoch weder Überwältigungspädagogik noch Wertedressur begründet, denn beides stünde im Gegensatz zum Menschenbild des Grundgesetzes, wie es in den Grundrechten konkretisiert wird.
     Vertiefungen zu dieser Problematik finden Sie auf den Webseiten der Themengruppe „Werte-Erziehung".

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10.0 Neutralitätsgebot

Das Gegenstück zum Identifikationsgebot ist die Pflicht zur Neutralität. Aus denselben Gründen, die Überwältigung und Wertedressur ausschließen, sind auch weltanschauliche und politische Indoktrination unzulässig.
     Das Recht der Lehrer auf Meinungsfreiheit wird davon nicht berührt, doch kommt es an seine Grenze dann, wenn ein Lehrer sein Amt dazu missbrauchen sollte, Schüler auf seine Meinung zu verpflichten oder die Bewertung ihrer Leistungen von deren Übernahme abhängig zu machen.
     Erweiterung und Vertiefungen zum Stichwort finden Sie auf der Webseite „Die Neutralitätspflicht des Staates".

11.0 Toleranzgebot

Das Prinzip der Toleranz folgt aus Art. 3 Abs. 3 sowie aus Art. 4 und 5. Toleranz ist nicht lediglich Indifferenz. Sie setzt vielmehr die Existenz einer an die Grundwerte der Verfassung gebundenen Überzeugung voraus und besteht in der Bereitschaft, die Überzeugungen anderer Menschen auch dann zu respektieren, wenn man sie für sich selbst ablehnt.
     In Unterricht und Erziehung steht es dem Neutralitätsgebot sehr nahe. Insbesondere schließt es aus, dass Lehrer ihnen nicht genehme Überzeugungen in ihre Entscheidungen negativ einbeziehen.

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12.0 Weitere Grundrechte und -pflichten

Die meisten Grundrechte und auf ihnen beruhenden Grundwerte sind in den vorstehenden Ausführungen bereits dargestellt worden.
     Folgende Grundwerte sind jedoch nachzutragen, und zwar die Verpflichtung auf

  • Frieden, Menschenrechte, und Völkerversöhnung (Präambel, Art. 1 Abs. 2, Art. 26 Abs. 1)
  • freiheitliche, soziale und rechtstaatliche Demokratie (insbesondere Art. 20 Abs. 1, 2 und 3, Art. 28 Abs. 1, Art. 79 Abs. 3),
  • Verfassungstreue (insbesondere Art. 9 Abs. 2, Art. 18),
  • Rechtsgehorsam (insbesondere Art. 2 Abs. 1, Art. 11 Abs. 2).

Die aus der Präambel folgende Aufforderung, die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, ist durch den Vereinigungsvertrag erfüllt. Art. 23 wurde gestrichen; in der Präambel heißt es nunmehr:

„Die Einheit Deutschlands ist vollendet."

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13.0 Literaturnachweis

Die vorstehenden Ausführungen folgen insbesondere den Darlegungen von

  • Gerhard EISELT - Wolfgang HEINRICH
    Grundriß des Schulrechts in Berlin
    Neuwied 1991,, 3. Auflage, S. 1 - 12
  • Hans JARASS - Bodo PIEROTH
    GG - Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar
    München 2002, 6. Auflage

Alle weiteren Literaturangaben dieser Themengruppe werden in der „Literaturgrundlage" zusammengefasst.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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