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Das klärende Gespräch
- Eine Orientierungshilfe -
1.0 Schwierigkeiten
Auf der Webseite Die Sprache der Nicht-Annahme - Zwölf Sperren auf dem Wege zu
erfolgreicher Verständigung" wird dargestellt, dass die gängigen
Mittel der Gesprächsführung oft nicht ausreichen, um im Gespräch mit einem Schüler
dessen Problem zu erfassen und ihm bei dessen Bewältigung behilflich zu sein. Sogar
zugewandte Aussagen können einen Schüler zu Abwehr oder gar Blocken veranlassen.
Die gute Absicht allein genügt also nicht - für eine konstruktive
Gesprächsführung ist es nützlich, sich an geeigneten Einsichten und
Regeln" zu orientieren. Nur dann können klärende Gespräche"
die Wirkung entfalten, die ihnen insbesondere in den Ausführungsvorschriften
über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen - (AV-EOM)
- zugeschrieben werden
2.0 Das klärende Gespräch
Auf der Webseite Störungen
des Unterrichts - Ein Orientierungsrahmen zum Thema"
sind die folgenden Hinweise für die Führung eines klärenden Gesprächs aufgeführt
worden.
Bei Konflikten mit einzelnen Schülern
kann es nützlich sein, ein Gespräch zu führen. Dabei ist zu beachten:
Gespräche in Konfliktfällen sind oft
durch einen Doppelcharakter geprägt: Versuch, den Sachverhalt zu klären und gleichzeitig
den Schüler zu beeinflussen.
Statt dessen empfiehlt es sich, ein klärendes
Gespräch zu führen, und zwar in drei Stufen:
- Den Hintergrund des Konflikts in
verständnisvollem, von Vorwürfen
und Drohungen freiem Gespräch ermitteln,
- Lösungswege zusammenstellen und bewerten,
- die brauchbarste Lösung erproben.
Ein klärendes Gespräch ist
- kein Verhör,
- keine Anklage,
- keine Beichte,
- keine Belehrung.
Diese Hinweise mögen plausibel sein,
doch bleiben sie allgemein und sind zu pauschal. Deshalb werden hier einige bewährte
Grundsätze der Gesprächsführung detailliert vorgestellt.
3.0 Regeln für konstruktive
Gesprächsführung
Allen hier vorzustellenden
Regeln" sind zwei Grundgedanken gemeinsam.
Direktes oder gar dirigistisches
Einwirken auf den Gesprächspartner gilt als kontraproduktiv, weil es ihn zum Objekt von
Fremdbestimmung mache. Die Lösung eines Problems ist nicht die unmittelbare Leistung des
Beraters, sondern die - vom Berater freigesetzte - eigene Leistung dessen, der ein Problem
hat.
Das subjektive Erleben des
Gesprächspartners wird ernst genommen und akzeptiert. Die Gesprächsführung soll
unbeschadet der Kompetenz des Gesprächsführers nicht komplementär verlaufen, sondern
symmetrisch gestaltet werden. m
3.1 Fünf Imperative nach Carl
ROGERS
Carl ROGERS, mit dessen Namen das
nicht-direktive Beratungsgespräch eng verbunden ist, hat die folgenden fünf
Imperative" für eine gelingende Gesprächsführung formuliert (nach
MUCCHIELLI, S. 38 f.):
- Der Berater soll den Klienten annehmen und
auf eigene Initiative bzw. Aktivität verzichten. Das bedeutet vor allem, den
Gesprächspartner nicht zu ganz bestimmten Reaktionen zu nötigen.
- Das Erleben des Gesprächspartners in den
Mittelpunkt stellen, nicht äußere Ereignisse.
- Die Person des Gesprächspartners in den
Mittelpunkt stellen, nicht sein Problem. Es geht also nicht um das Problem als solches,
sondern darum, wie der Gesprächspartner es empfindet.
- Die Person des Gesprächspartners
respektieren. Wertschätzung zeigen statt Scharfsinn und intellektuelle Überlegenheit zu
demonstrieren. Interessiert und verständnisvoll zuhören.
- Nach besserer Verständigung suchen, nicht
nach Deutungen. Die Aussagen des Gesprächspartners sollten nicht in ein
Interpretationsschema gepresst, sondern besser verstanden werden.
Diese Imperative sollen nicht nur die
Absichten und die Haltung des Beraters, sondern vor allem auch seine sprachlichen
Mittel in Wortwahl und Syntax bestimmen.
3.2 Arrangement und sprachliche
Mittel eines klärenden Gespräches
- Selbstverständlich und dennoch
erwähnenswert: Klärende Gespräche sollten nicht improvisiert - übers Knie
gebrochen" -, sondern müssen sorgfältig vorbereitet werden. Sie dürfen nicht unter
Zeitdruck stehen und sollten vor Störungen geschützt sein. Besonders wichtig ist es,
eine Gesprächssituation zu schaffen, die nicht bedrohlich wirken kann.
- Zusammenhang, Absicht und Ziel des
Gespräches sollten klar genannt werden. Im Gespräch selbst ist es wichtig , Verständnis
zu zeigen. Verständnis besteht weniger in verbalen Bekundungen. Es erweist sich vielmehr
als aktives Zuhören". Der das Gespräch Führende vergewissert sich durch
Rückfragen und wiederholende Neuformulierungen, dass er die Aussagen des
Gesprächspartners richtig erfasst hat.
- Für das Gelingen eines klärenden
Gespräches ist es besonders wichtig, die in der Alltagskommunikation so häufigen, oft
generalisierenden Feststellungen nach dem Muster
Du hast ..." oder Du bist ...". zu vermeiden.
Derartige sog. Du-Aussagen" werden oft apodiktisch
formuliert und greifen die ganze Person an. Deswegen reizen sie den Gesprächspartner
selbst dann zu Abwehr, Widerspruch, Blockade oder gar Gegenangriff, wenn er sich innerlich
die Berechtigung einer kritischen Äußerung eingestehen muss.
Ich-Aussagen" hingegen geben dem das Gespräch
Führenden die Möglichkeit, die konkrete Problematik zu benennen sowie die Gefühle und
Empfindungen zu artikulieren, die von dieser ausgelöst werden In ihrer Authentizität
konfrontieren sie den Gesprächspartner mit den Wirkungen seines Verhaltens, ohne ihn
gleich für schuldig zu erklären. Sie sind somit eine wesentlich günstigere
Voraussetzung für eine produktive Bearbeitung eines Problems.
Summa summarum:
- Ein klärendes Gespräch erfolgreich zu
führen ist eine Fertigkeit, die man nicht aus dem Ärmel schütteln kann. Sie sollten sie
also in kleinen Rollenspielen gemeinsam mit Kollegen üben. Ein Musterbeispiel für
suboptimalen Gesprächsverlauf mit Kommentar der jeweils ungünstigen Gesprächswendung
finden Sie bei WAHL-WEINERT-HUBER S. 316 ff., ferner eine Anleitung zum Üben klärender
Gespräche ebda. S.324 ff.
- Vielleicht erscheinen Ihnen die
vorstehenden Anregungen als gar zu edelmütig und vor allem als unrealistisch. Dann
horchen Sie bitte ein wenig in sich hinein und fragen Sie sich, wie Sie behandelt werden
oder vor allem was Sie nicht erleben wollen, wenn mit Ihnen ein Problem zu klären ist. Im
Übrigen gilt die Erfahrung, dass junge Menschen gerade dann "geliebt" werden
wollen, wenn sie es am wenigsten verdient haben.
Dem Verfasser ist bewusst, dass sich alle diese Ratschläge nur
dazu eignen, "normale" Konflikte zu bearbeiten. Massive Konflikte, die aus
fehlendem gutem Willen, aus Vorsatz oder aus pathologischen Sachverhalten entstehen, sind
jedoch keine Aufgabe des einzelnen Lehrers, sondern der schulischen Gremien; ggf. sind
Fachleute heranzuziehen.
- Vielfältige Vertiefungen für die hier
skizzierten Prinzipien finden Sie bei den auf der Webseite "Literaturgrundlage"
verzeichneten Autoren G. E. BECKER, GORDON, MUCCHIELLII, PALMOWSKI, REDLICH, SCHULZ VON
THUN, SCHWÄBISCH-SIEMS, WEISBACH.
Einzelnachweise für REDLICHs sehr praxisorientierte Empfehlungen finden Sie hier.
Besondere Beachtung verdienen die Darlegungen PALMOWSKIs.
Mit seinem Buch "Der Stein des Anstoßes" stellt er "Systemische
Beratungsstrategien im schulischen Kontext" vor. Kommunikationsverläufe und
vor allem Konfliktkonstellationen werden meistens als geradlinig kausale Abläufe
verstanden, die zu ebenso linearen Bearbeitungsversuchen führen. In ausdrücklicher
Gegenposition deutet sie PALMOWSKI als ein System von Zusammenhängen und
Wechselwirkungen.
Während die gleichsam mechanistische Bearbeitung
von Problemen
immer wieder scheitert, eröffnet die hier beschriebene Sichtweise viele Möglichkeiten,
belastendes Verhalten nicht nur anders und neu zu sehen, sondern auch erfolgreicher zu
bearbeiten. Während sonst Probleme im Mittelpunkt der Bemühungen stehen, ist hier die Suche
nach Lösungen weitaus produktiver.
Die hier gebotene knappe Darstellung mag abgehoben theoretisch
wirken. Wer sich auf dieses Buch einlässt, findet jedoch eine Fülle von
detaillierten Hinweisen und konkreten Anregungen, die strikt praxisbezogen und
handlungsorientiert sind.
- Erfolgreiche Suche nach Lösungen führt
zwangsläufig zu Veränderungen im Verhalten der beteiligten Personen. Sein Verhalten
ändern zu sollen wird freilich immer wieder als Zumutung oder gar Gefährdung
empfunden. Denn wem das abverlangt wird, der glaubt oft, das eigene Selbstbild ändern zu
müssen oder gar die eigene Persönlichkeit zu verlieren - und verweigert sich. Dem lässt
sich durch behutsames Vorgehen vorbeugen. PALMOWSKI zitiert (S. 134) EFRAN, 1992, S. 57:
Es ist einfacher
sich zu ändern,
wenn es einem erlaubt ist,
der zu sein, der man ist.
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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