[ Home ]
[ Nach oben ]
[ Zurück ] [ Weiter ]
Theorien
des Lernens
Eine kurzer Überblick
zentraler Sichtweisen
Übersicht
1.0 Das
Problemfeld
2.0 Sechs lernpsychologische Prinzipien zur Konstruktion
von Unterricht
3.0 Zentrale Interpretationsansätze des Lernens
3.1 Lernen als
Verhaltensmodifikation
3.2 Lernen als Aufbau
kognitiver Strukturen
3.3 Lernen als soziale
Nachahmung
3.4 Lernen als subjektive
Bedeutungsverleihung
3.5 Lernen als aktiver
Wissenserwerb
1.0 Das
Problemfeld
Bevor auf den
anschließenden Webseiten die einzelnen Ansätze der Lerntheorie ausführlicher
dargestellt werden, sei hier zunächst ein kurzer Überblick der zentralen
lerntheoretischen Ansätze gegeben.
Betrachtet man
die Ergebnisse der lerntheoretischen Forschungen unter pädagogisch-psychologischem
Blickwinkel, so lassen sich folgende Ansätze zum Verständnis des Lernens
unterscheiden:
-
Lernen als
Verhaltensmodifikation
-
Lernen als
Auf- und Abbau kognitiver Strukturen
-
Lernen als
soziale Nachahmung
-
Lernen als
subjektive Bedeutungsverleihung
Für die
sachgerechte Konstruktion von Unterricht wird sowohl die Auswahl bewährter
Prinzipien aus unterschiedlichen Denkansätze als auch die Anwendung einer
in sich geschlossenen Theorie vertreten.
Schulisches
Lernen findet auf verschiedenen kognitiven und affektiven Ebenen statt und hängt
von unterschiedlichen personalen und organisatorischen Bedingungen ab. Sämtliche
Faktoren schulischen Lernens bedingen einander in vielfältiger Verknüpfung.
So kann ein einzelner Interpretationsansatz den Verlauf und die Optimierung
schulischen Lernens nicht vollständig beschreiben.
Deshalb werden
im Folgenden einige allgemeine Prinzipien zur Konstruktion von Unterricht
zusammengestellt und anschließend zentrale Sichtweisen zur Deutung des
Lernens referiert.
Zurück
zur Übersicht
2.0
Sechs lernpsychologische Prinzipien zur Konstruktion von Unterricht
1. Prinzip
Ein Verhalten, das teilweise oder vollständig die Erreichung eines
Erziehungsziels manifestiert, sollte bekräftigt bzw. verstärkt werden.
2. Prinzip
Wenn die Bedingungen gefördert werden, die die Motivation für die
Erreichung eines Unterrichtsziels anregen, so erhöht das den Grad der
Wirksamkeit, mit der dieses Ziel verfolgt wird.
3. Prinzip
Lernende unterscheiden sich in ihrer Fähigkeit, die gewünschte
Reaktion auszuführen. Darum ist Lernen dann am wirkungsvollsten, wenn es so
geplant wird, dass sich jeder Lernende auf ein Programm konzentrieren kann,
das seiner Fähigkeit zum Erwerb neuer Verhaltensweisen angemessen ist.
4. Prinzip
Die Prinzipien zur Lösung von Problemen müssen in der Praxis angewandt
werden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit der Lernübertragung auf
Probleme, die zu ihrer Lösung den Gebrauch der gleichen Prinzipien
erfordern.
5. Prinzip
Wenn ein Schüler in Nachahmung geschult worden ist, dann kann er durch
Beobachtung von Demonstrationen die anzueignenden Fähigkeiten erwerben.
6. Prinzip
Der Lernende lernt effektiver, wenn er die zu erwerbende Reaktion selbst
ausführt, als wenn er sie lernt, indem er einen anderen bei der Ausführung
dieser oder einer ähnlichen Reaktion beobachtet.
Zurück
zur Übersicht
3.0
Zentrale Interpretationsansätze des Lernens
3.1
Lernen als Verhaltensmodifikation
Das Verhalten
eines Lebewesens – ob spontan oder durch äußere Reize hervorgerufen
– verursacht in der Umwelt Folgen. Sie sind für das Lebewesen förderlich
oder abträglich und wirken auf es zurück; sie stabilisieren oder verändern
sein Verhalten. Mithin werden das Verhalten und seine Änderungen von den
Konsequenzen her bestimmt und beeinflusst. Hierbei handelt es sich um die
operante oder instrumentelle Konditionierung, den Grundgedanken des
Behaviorismus. Der bekannteste und bedeutendste Vertreter dieser
Denkschule ist Burrhus F. SKINNER.
Die
konsequente Anwendung dieses Prinzips - planmäßiger Aufbau und
absichtliche Bekräftigung erwünschten Verhaltens - führte zur
Entwicklung des Programmierten Unterrichts.
Vor allem aber
hat der behavioristische Ansatz zu einer wesentlichen Erweiterung der
Definition des Lernens beigetragen. Jedes Lernen kann unabhängig vom
Mechanismus der instrumentellen Konditionierung als eine Verhaltensänderung
verstanden werden, sofern Lernen generell die Verbesserung der Handlungsfähigkeit
im weitesten Sinne des Wortes meint. Die Beschreibung von Lernzielen als
angestrebten Verhaltensdispositionen ist ein Ergebnis dieses Ansatzes
(vgl. dazu die Webseite "Der Begriff
'Lernziel' - Begründung, Definition, Entfaltung").
Der Wert des
SKINNERschen Ansatzes zur Interpretation kognitiven Lernens ist begrenzt,
weil er kognitive und mentale Vorgänge nicht hinreichend erklären kann.
Wichtig ist er jedoch, weil er die Bedeutung des Erfolges
herausstellt. Vor allem durch ihn werden Lernprozesse aller Art,
beabsichtigte wie unerwünschte, begleitet und gefestigt. Deswegen kommt
ihm sowohl für den Unterrichtserfolg als auch für die Verhaltensformung
von Kindern in Familie und Schule erhebliche Bedeutung zu. Die
Herausbildung und Festigung unerwünschter und störender Verhaltensformen
ist oft das Ergebnis nicht erkannter Konditionierungen und kann umgekehrt
durch entsprechende Gegenkonditionierungen beeinflusst werden. Mithin bewährt
sich der Ansatz bei der Erklärung und Behebung von Verhaltensstörungen.
Vertiefungen
zu diesem Theorieansatz finden Sie auf den Webseiten
o "Was ist Lernen? - Die Sicht der
empirischen Lernpsychologie"
o "Lernen ist »Verhaltensänderung« -
Grundzüge des Behaviorismus"
Zurück
zur Übersicht
3.2
Lernen als Aufbau kognitiver Strukturen
Ein besonders
wichtiges Ziel schulischen Lernens ist es, dass Lernende die Fähigkeit
entwickeln,
-
die
Zusammenhänge zwischen Fakten zu erfassen,
-
Einsichten
in Problemstellungen und -lösungen zu gewinnen,
-
Verständnis
auch für komplexe Sachverhalte zu entfalten.
Schulisches
Lernen ist also einsichtiges Lernen. Immer geht es um Nachvollziehen,
Entdecken, Herstellen und Anwenden von Bedeutungen und Sinnzusammenhängen.
Lernen beschränkt sich demnach nicht auf die – beachtlichen –
Ergebnisse instrumentellen Konditionierens, sondern meint den zentralen
Aufbau und Ausbau kognitiver Strukturen.
Die drei
wichtigsten Positionen sind mit den Namen Jerôme S. BRUNER, David
P. AUSUBEL und Robert M. GAGNÉ verbunden.
Nach BRUNER
und AUSUBEL kann man nur dann von sinnvollem Lernen sprechen, wenn
Lernende
-
die
Beziehungen zwischen den Elementen einer Aufgabe erkennen,
-
Lösungsstrategien
entwickeln,
-
das
Lernmaterial organisiert und strukturiert.
Während
BRUNER die sinnvollen Beziehungen vom Lernenden selbst entdecken
lassen will, betont AUSUBEL die Notwendigkeit, beim Lernenden eine kognitive
Struktur durch sorgfältige Instruktion zu entwickeln.
GAGNÉ sieht
die wesentliche Bedingung einsichtigen Lernens in Erwerb und Besitz der
jeweils relevanten Vorkenntnisse, also im „kumulativen Lernen“.
Für ihn sind Übung und Lernübertragung (Transfer) die wichtigsten
Bedingungen aller Lernprozesse. Auch sieht er keinen prinzipiellen
Unterschied zwischen „einfachen“ und „höheren“ Lernprozessen,
sondern baut aus ihnen ein hierarchisch gegliedertes System von Lerntypen
auf.
Als »kognitive
Struktur« bezeichnet man den geordneten Aufbau von Fähigkeiten und
Kenntnissen, mit deren Hilfe ein Individuum neue Informationen aufnimmt,
verarbeitet und zu seinem geistigen Besitz macht. Dabei kommt es auf drei
Faktoren an:
-
die Anzahl
der zur Verfügung stehenden Beurteilungskategorien,
-
die
Unterscheidbarkeit dieser Kategorien,
-
die Anzahl
der Verknüpfungsmöglichkeiten.
Die
Fachsprache spricht von
-
Differenziertheit,
-
Diskriminiertheit
und
-
Integriertheit
der
kognitivern Struktur.
»Kumulatives
Lernen« meint folgendes Vorgehen: Ein Individuum lernt eine geordnete
und logisch aufgebaute Abfolge von Fähigkeiten. Die Aneignung einer
einfachen Fähigkeit ist jeweils die Voraussetzung für den Erwerb einer
komplexeren Fähigkeit.
Einsichtiges
Lernen kann das Ergebnis relevanter Vorkenntnisse, kognitiver
Strukturiertheit oder eigenen Entdeckens sein. Diese drei Aspekte müssen
i.S. idealtypisch-analytischer Betrachtung unterschieden werden. Sie
schließen einander nicht aus, sondern wirken vielmehr in der schulischen
Praxis zusammen, wobei der Schwerpunkt von Lernsituation zu Lernsituation
wechseln kann.
Vertiefungen
zu diesem Theorieansatz finden Sie auf den Webseiten
o Lernen ist Informationsverarbeitung - Die
»kognitive Wende«
o Lernen ist »Konstruktion« - Die Welt entsteht im Kopf
o Lernen ist eine Abfolge von Schritten und Stufen - GAGNÉs Versuch einer
Integration
Zurück
zur Übersicht
3.3
Lernen als soziale Nachahmung
Direkte,
augenblickliche Nachahmung von Vorgemachtem kann ein Lehrender immer dann
absichtlich und erfolgreich einsetzen, wenn der Lernende eine
psychomotorische Fähigkeit oder Fertigkeit erwerben soll, z.B. bei
sportlichen Disziplinen, für die Beherrschung von Werkzeugen oder
Musikinstrumenten.
Besondere
Beachtung verdienen jedoch die unbeabsichtigt und meist auch unbemerkt
ablaufenden Lernvorgänge, die durch Beobachtung einer für den
Lernenden wichtigen Person sowie durch Identifikation mit ihr
angebahnt werden. Der Lernende orientiert sich für sein eigenes Verhalten
an den Konsequenzen, die aus dem Verhalten anderer folgen. Besonders wirksam
ist dieser Mechanismus, der vor allem von Albert BANDURA erforscht
worden ist, wenn der Beobachtete für den Lernenden persönliche Bedeutung
hat und der Lernende sich mit dessen Antrieben identifiziert.
In der Familie,
in Jugendgruppen und im schulischen Leben laufen zahlreiche Lernvorgänge
nach diesem Schema ab. Sicherlich vollzieht sich Lernen dieser Art auch an
fiktiven Modellen (Literatur, vor allem Fernsehen). Kritiker des staatlich
organisierten Schulwesens halten sogar einen „heimlichen Lehrplan“ für
existent, der das soziale Lernen in der Schule ebenso weitreichend wie
negativ bestimme. Besonders effektiv verläuft der Lernprozess, wenn der
Lernende „Belohnungen“ erlebt, also Bekräftigungen bzw. Verstärker im
Sinne der behavioristischen Lerntheorie.
Eltern und
Lehrer sind sich der Wirkungen ihres tatsächlichen Verhaltens auf ihre
Kinder bzw. Schüler meist nicht hinreichend bewusst. Die prägende Wirkung,
die von ihrem Verhalten und ihrer Haltung ausgeht, ist nicht selten stärker
als der von ihnen in bewusster erzieherischer Absicht ausgeübte Einfluss.
Vertiefungen zu
diesem Theorieansatz finden Sie auf der Webseite
o Lernen ist Nachahmung - Soziales Lernen
Zurück
zur Übersicht
3.4
Lernen als subjektive Bedeutungsverleihung
SKINNER hat
einmal darauf hingewiesen, der Lernende müsse sich, um Verhalten zu
erwerben, darauf einlassen, sich zu verhalten. Offenkundig können Menschen
lernen, ohne dass es geplante und professionelle Anleitung gibt - eine
Herausforderung für Pädagogen und Psychologen. Der freie Gewinn von
Erfahrungen kann der gelenkten Wissensvermittlung überlegen sein, wenn das
Lernen für den Lernenden Bedeutung, d.h. Sinn hat.
Schulisches
Lernen sollte deshalb, soweit das möglich ist, die Lernenden die Sinnhaftigkeit
von Lernen erleben lassen oder den Weg zu dieser Erfahrung anbahnen.
3.5
Lernen als aktiver Wissenserwerb
Insbesondere Hans
AEBLI hat uns Lehrern die Erkenntnisse Jean PIAGETs für die
Didaktik erschlossen. Er macht deutlich, dass Lernen ein Vorgang aktiver
Aneignung ist. Wir können den Lernenden nichts "beibringen",
sondern müssen Lernsituationen schaffen und entwickeln, in denen sich die
Lernenden mit dem Lerngegenstand auseinandersetzen und ihn sich zum
geistigen Besitz machen.
Vertiefungen zu
diesem Theorieansatz finden Sie auf der Webseite
o Lernen ist die Entwicklung der Intelligenz
- PIAGETs Konzept aktiven Lernens
[ Zurück
zur Übersicht ]
[ Home ]
[ Nach oben ]
[ Zurück ] [ Weiter ]
Ausgearbeitet
von: Dr.
Manfred Rosenbach - letzte Änderung
am: 15.01.08
-
|