Handlungsorientierter und Offener Unterricht 1.0 Das Problemfeld Die Institution Schule und alle in ihr tätigen oder von ihr betroffenen Menschen sind zahlreichen Spannungs- und Konfliktfeldern ausgesetzt, die weder das Ergebnis von Übermut noch von Inkompetenz sind, sondern in der Natur der Sache liegen. Junge Menschen müssen in einen - quantitativ und qualitativ- geradezu überwältigenden Reichtum einer reifen Spätkultur eingeführt werden, um in ihr leben zu können. Diese Aufgabe ist schwierig genug. Sie wird noch größer, wenn sie in einer Zeit immer schnelleren Wandels intellektuell und seelisch fähig werden sollen, an der Entwicklung der Kultur aktiv teilzunehmen. Stoffmasse und -tiefe mitsamt den didaktischen Konsequenzen stehen im Gegensatz zu den Bedürfnissen und Interessen junger Menschen, insbesondere dem Wunsch, sich selbst als Urheber ihrer Handlungen wahrzunehmen und sich in ihnen als erfolgreich zu erleben. Schule ist eine Einrichtung der Gesellschaft, keine Selbsterfahrungsgruppe. Das schließt einseitige Lösungen des hier beschriebenen Dilemmas aus Spätestens seit der Reformpädagogik gibt es deshalb die vielfältigsten Ansätze und Versuche, es in eine Form zu bringen, die sowohl die gesellschaftliche Aufgabe der Schule als auch die individual- und sozialpsychologischen Gegebenheiten berücksichtigt, vielleicht sogar miteinander ausgleicht. In jüngerer Zeit werden insbesondere zwei didaktische Konzepte diskutiert und praktiziert - Handlungsorientierter und Offener Unterricht. Sie sollen hier auch deswegen vorgestellt werden, weil sonst ein großer Teil der "Bausteine" den Eindruck erwecken könnte, als vertrete deren Verfasser eine rein inhalts-, stoff- und lehrgangsbezogene Position. 2.0 Begriffsklärungen Die Begriffe "Handlungsorientierter" und "Offener" Unterricht lassen sich viel unterschiedlicher interpretieren und definieren, als es der scheinbar eindeutige Wortsinn vermuten lässt. Deshalb sind hier die folgenden Klärungen sinnvoll. 2.1 Handlungsorientierter Unterricht Wie an zahlreichen Stellen dieser
Bausteine - vgl. vor allem die Webseite "Inhalte
und Themen, Ziele und Lenkung des Lernens" - deutlich wird, besteht
der Wesenskern des Lernens in Aktivität. Unterricht muss also immer und
von vornherein handlungsorientiert entworfen Für eine tragfähige Verständigung am geeignetsten scheint die von Hilbert MEYER (1994, S. 214) vorgeschlagene Definition. Danach ist handlungsorientierter Unterricht
Der Begriff "Handlungsprodukte" kann hier nicht weiter aufgegliedert werden. Den Bedingungen des einzelnen Faches entsprechende Handlungsprodukte zu entwerfen ist eine Aufgabe der jeweiligen Fachdidaktik, vor allem aber eine Herausforderung für die Fantasie des einzelnen Unterrichtenden. Das Attribut "vereinbart" macht deutlich, dass eine allein vom Unterrichtenden gestellte Aufgabe den Grundgedanken verfehlte, die Schüler in die Planung des Unterrichts einzubeziehen. Dieser Aspekt leitet über zum "Offenen Unterricht". 2.2 Offener Unterricht Auch hier gibt es unterschiedliche Auslegungen des Wortes "offen". Unterricht wird als offen bezeichnet, wenn
"Offener" Unterricht verzichtet nicht überhaupt auf Planung, sondern lediglich auf ein strenges Baumuster der Planung. Aus der didaktischen Literatur lassen sich die folgenden Prinzipien ableiten:
Daraus folgen vier Merkmale offenen Unterrichts (nach Klaus SCHITTKO, 1980, S. 655):
3.0 Folgerungen für didaktisches Handeln Wilhelm H. PETERSZEN (2000, S. 161) merkt an, eine bündige Theorie offenen Unterrichts fehle noch. Dennoch kann hier festgehalten werden:
Unterricht durfte den Schülern noch nie gleichsam vor die Füße geschüttet werden. Deshalb gilt in Berlin § 27 Abs. 1 des Schulverfassungsgesetzes; dort wird vorgeschrieben, die Schüler in altersgemäßer Form an der Unterrichtsplanung zu beteiligen. Einzelheiten dazu finden Sie auf der Webseite "Beteiligung der Schüler an der Unterrichtsplanung". Freilich geht es im Unterricht - zumal des Gymnasiums - nach wie vor um Inhalte, also um die Sache. Dennoch muss gesehen und berücksichtigt werden, dass im Unterricht Menschen einander begegnen, zueinander Beziehung aufnehmen und miteinander umgehen. Ruth COHN hat das exemplarisch in dem Begriff "Themenzentrierte Interaktion" zusammengefasst. Deren Grundzüge finden Sie auf einer gleichnamigen Webseite dargestellt. Konsequenzen für die didaktische Theoriebildung werden auf Webseiten der Themengruppe "Grundzüge der Allgemeinen Didaktik vorgestellt. Summa summarum: Abschließend ein Wort zu den häufig und meist schlagwortartig gebrauchten Begriffen "lehrerzentrierter" und "schülerorientierter" Unterricht. Unbeschadet der allgemein üblichen Konnotationen lohnt es sich, sie wörtlich zu verstehen. Dann wird deutlich, dass sie zwei Selbstverständlichkeiten zu einem polemisch dargebotenen Kontrastprogramm machen. Unterricht ist nämlich immer
Die daraus folgenden Aufgaben lassen sich wirkungsvoll und überzeugend erfüllen, wenn die hier vorgestellten Prinzipien beachtet werden. Hinweis: 4.0 Literatur
Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 22.07.09 |