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Die Projektmethode

Übersicht
1.0 Der Begründungszusammenhang
       1.1 Entstehung und Funktion der Schule
       1.2 Das Dilemma der Schule und die Schulkritik
       1.3 Die Projektmethode - ein Korrektiv
2.0 Die Projektmethode
       2.1 Begriff, Definition, Verwendung
       2.2 Grundmuster der Projektmethode
       2.3 Komponenten der Projektmethode
3.0 Literaturgrundlage

Diese Webseite ist recht lang. Bei Interesse sollten Sie sie ausdrucken.

1.0 Der Begründungszusammenhang

1.1 Entstehung und Funktion der Schule

Charakteristikum der Institution Schule als einer Einrichtung der Moderne ist der Lehrgang. Das ist weder ein Zufall noch - trotz aller Schulkritik - ein Irrtum, sondern das Ergebnis einer Notwendigkeit, die nach wie vor besteht. Weder die Familie noch die natürlichen Lebensverhältnisse noch die gesellschaftlichen Strukturen waren und sind nun noch in der Lage, jungen Menschen alle die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, die sie benötigen, um ihren Lebensunterhalt zu erarbeiten und die von ihnen erwarteten Leistungen zu erfüllen.

Zur Schule gibt es keine Alternative. Allein sie kann die heranwachsenden Mitglieder der Gesellschaft in die Wissens-, Erfahrungs- und Erkenntnisbestände einer hochdifferenzierten und zugleich dynamischen Spätkultur einführen. Wie die Schule auch im einzelnen verfasst sein mag - in jedem Fall wird sie durch gesellschaftliche und politische Vorgaben bestimmt, ist ihre Organisation durch die Systematik der Wissenschaften, wie sie sich in den Schulfächern abbilden, geprägt.

Die notwendige Folge: Schulunterricht besteht weitgehend in Lehrgängen.

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1.2 Das Dilemma der Schule und die Schulkritik

Das Gesetz der "ungewollten Nebenwirkungen in der Erziehung" (Eduard SPRANGER 1962) hat die Schule in ein fundamentales Dilemma geführt, dessen Details schon immer kritisiert wurden und das vielfältige Reformansätze auslöste.

Einige zentrale Kritikpunkte seien hier aufgeführt:

  • Fremdbestimmung lässt Eigenverantwortung verkümmern,
    das Subjekt gerät zum Objekt fremden Willens
    und wird auf Rezipieren und Reagieren beschränkt,
  • kognitive und intellektuelle Aspekte überwiegen:
    'Verkopfung" - der Lebenszusammenhang geht verloren,
  • Verwissenschaftlichung wird zum Selbstzweck und
    führt zur Isolation der Fachwissenschaften samt ihrer Ansprüche,
  • das Fehlen des Sinnerlebnisses lässt die Motivation sinken,
  • Neigungen und Interessen werden weder berücksichtigt noch entwickelt,
  • erzieherisch notwendige Aufgaben werden vernachlässigt,
    vor allem soziales und emotionales Lernen,
  • die Entfaltung der Persönlichkeit wird gesellschaftlichen
    Verwendungszwecken aufgeopfert.

Das alles ist keineswegs die Folge von mangelnder Einsicht und fehlender Kompetenz. Geradezu charakteristisch für dieses Dilemma: die Ansätze der Reformpädagogik stammen aus dem Ende
des 19. Jahrhunderts, als die Leistungen des öffentlichen Schulwesens sich in wirtschaftlichen
und wissenschaftlich-technischen Erfolgen besonders eindrucksvoll niederschlugen und das Schulwesens in hohem Ansehen stand.

In der Gegenwart kommen als Wirkung der modernen Kommunikationsmittel das "Verschwinden der Wirklichkeit" (Hartmut von HENTIG 1984) sowie als Folge gesellschaftlicher Entwicklungen die Vereinzelung der jungen Menschen hinzu und verschärfen das Dilemma.

Auch wenn diese Kritik oft über das Ziel hinausschießt und bis zu der - von den Theoretikern der Antipädagogik erhobenen - Forderung reicht, die Schule abzuschaffen, muss sie ernst genommen werden. Unterricht wird weiterhin in erheblichem Umfang als Lehrgang gestaltet werden müssen, er kann und sollte jedoch durch didaktische Konzepte ergänzt und erweitert werden, die wesentliche Elemente der Kritik aufgreifen.

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1.3 Die Projektmethode - ein Korrektiv

Eine Möglichkeit, erzieherische Mängel der Schule zu mindern, ist die Projektmethode. In diesem pragmatischen Sinn stellen die folgenden Ausführungen Grundmuster und Komponenten der Projektmethode dar.

2.0 Die Projektmethode

2.1 Begriff, Definition, Verwendung

Der Ausdruck 'Projekt' und von ihm abgeleitete Formulierungen werden in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet; sie sollen hier nicht erörtert werden. Für ein sinnvolles Begriffsverständnis hält FREY (1990 S.13) folgende Elemente für wichtig:

Die Lernenden

  • nehmen sich ein Betätigungsfeld vor,
  • verständigen sich über die darin geplanten Betätigungen,
  • entwickeln das Betätigungsgebiet,
  • führen die daran anschließenden Aktivitäten im Betätigungsgebiet zu einem sinnvollen Ende.

Oft entsteht dabei ein Produkt, das vorgezeigt werden kann.

Der Begriff 'Projektmethode' bezeichnet also den Weg, den Lehrende und Lernende gehen, wenn sie sich bilden wollen.

  • Ein Projekt ist ein konkretes Lernunternehmen, das eine Gruppe aushandelt, plant, anpackt, durchhält oder auch abbricht.
  • Ihr Tun entspricht oft nicht voll der Projektmethode, sondern stützt sich nur auf zwei oder drei ihrer Komponenten.

Dann handelt es sich um projektartiges Lernen.

Nach den Größenordnungen lassen sich unterscheiden:

  • Kleinprojekte
    Sie dauern zwei bis sechs Stunden und eignen sich für begrenzte Vorhaben, mit denen ein Lehrgang kurzzeitig unterbrochen wird. Meist beschränken sie sich auf projektartiges Lernen.
  • Mittelprojekte
    Sie dauern insgesamt ein bis zwei Tage, maximal bis zu einer Woche, und sind gleichsam der Normalfall eines Projektes, das von einer Gruppe bis zu Klassenstärke verwirklicht wird.
  • Großprojekte
    Sie dauern mindestens eine Woche und beschäftigen eine größere Personenzahl, ggf. auch über den schulischen Rahmen hinaus. In der Schule handelt es sich dann i.d.R. um Projekttage oder eine Projektwoche.

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2.2 Grundmuster der Projektmethode

Spontaneität und Offenheit sind grundlegende Merkmale der Projektmethode. Planlosigkeit hingegen kann Projekte gefährden. Deshalb ist es sinnvoll, mag es auch widersprüchlich wirken, Strukturmerkmale zu benennen, die bei Planung und Verwirklichung eines Projektes als Orientierungshilfe dienen können.

FREY unterscheidet

  • Projektinitiative,
  • Projektskizze,
  • Projektplan,
  • Projektdurchführung,
  • Projektabschluss.

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2.3 Komponenten der Projektmethode

Die Projektmethode ist eine komplexe Lehr- und Lernform. Sie entsteht aus dem Zusammenwirken einer Reihe von Komponenten. FREY entwickelt aus dem Grundmuster
der Projektmethode insgesamt sieben Komponenten, und zwar

1. Projektinitiative

Ein Projekt beginnt, indem jemand - Lehrer oder Schüler - eine Anregung, eine Aufgabe, eine besondere Stimmung, ein Problem, ein bemerkenswertes Erlebnis, einen Betätigungswunsch einen Gegenstand in eine Gruppe einbringt.

Jeder Ausgangspunkt ist möglich, auch das klassische Kulturgut oder gängige Unterrichtsgegenstände. Entscheidend ist die

Offenheit der Ausgangssituation.

Im Schulunterricht besteht aufgrund von Vorgaben oft enge Ausgangssituationen. Auch sie lassen sich durch geeignete Techniken in offene Projektarbeit überführen, z.B. durch

o Nennen von Oberbegriffen,
o Ausweitungsfragen,
o stimulierende Hinweise,
o Vorschläge aus Kleingruppenarbeit,
o Ideenwettbewerb,
o Brainstorming,
o Sammeln von interessanten Objekten
0 Vorlegen einer Auswahlliste.

2. Auseinandersetzung mit der Projektinitiative in einem vorher vereinbarten Rahmen - Ergebnis Projektskizze

Wird eine Projektinitiative weiterverfolgt, so mündet sie in ein Ergebnis - die Projektskizze. Auf ihr baut der weitere Verlauf des Projektes auf.

Entscheidend ist die Form, in der die Projektskizze zustande kommt. Sie darf nicht das Ergebnis der Durchsetzungsfähigkeit einzelner Teilnehmer sein, sondern muss die Betätigungswünsche aller Teilnehmer in sich vereinen. Um ein faires und verständnisvolles Verfahren zu sichern und eine sinnvolle Auseinandersetzung mit Interessen, Präferenzen, Vorlieben und Abneigungen der Teilnehmer zu ermöglichen, sollten Regeln festgelegt und Vereinbarungen getroffen werden.

Empfehlenswert sind Vereinbarungen über
o Verfahrensregeln,
o Zeitlimits,
o vernünftiges, sachgerechtes Argumentieren,
o Umgang miteinander,
o Umgang mit hergestellter oder natürlicher Umwelt.

3. Entwicklung der Projektinitiative zum Betätigungsgebiet -
Ergebnis Projektplan

Durch diese Komponente bekommt das Projekt seine Konturen. Die Teilnehmer entwickeln Vorstellungen von einem möglichen Ergebnis, äußern ihre Wünsche für eigene Tätigkeiten im Projekt, entwerfen Verlaufspläne, klären Rahmenbedingungen, verteilen Aufgaben. Am Ende dieses Prozesses steht der Projekt- oder besser Betätigungsplan; er wird schriftlich festgehalten.

Entscheidend ist,
o wie dieser Plan zustande kommt,
o dass der Betätigungsplan die Art und Weise,
   also die Qualität der einzelnen Tätigkeit heraushebt.

Dieser Klärungs- und Entscheidungsprozess stellt an die Teilnehmer erhebliche Anforderungen, deren Bewältigung einen wesentlichen Teil des sozialen Lernens bedeutet, das die Projektmethode anbahnt.

FREY gibt dazu (S. 105 ff.) anschauliche Beispiele und formuliert konkrete Empfehlungen.

4. Aktivität im Betätigungsgebiet - Projektdurchführung

Die Grenzen zwischen Projektplanung und Projektdurchführung sind fließend. Darum wird diese Komponente auch als verstärkte Aktivität im Betätigungsgebiet bezeichnet.
     Die Teilnehmer eines Projektes haben sich auf ein Vorhaben geeinigt und versuchen nun, ihren Willen in die Tat umzusetzen. Die konkrete Handlung, die erlebte Zusammenarbeit und die Konzentration auf die gemeinsame Sache bilden den Bezugspunkt für jede Reflexion und Distanznahme. Gerade darin wird der Unterschied zum üblichen Unterricht deutlich.

Gruppenarbeit spielt in der Durchführung eines Projektes eine besondere Rolle. Die Fähigkeit, in einer Gruppe weitgehend selbständig und ohne kontrollierende Aufsicht zu arbeiten, ist eine Schlüsselqualifikation für Projekte. Scheitern Projekte, so liegt es oft an mangelnder Erfahrung in Gruppenarbeit. Die wirksamste Vorbereitung für Projekte ist es, Gruppenarbeit im Fachunterricht einzuüben.

Weiterführende Anregungen und Beispiele sind im AOL-Projektbuch (1980) sowie in den Sammlungen von MIE - FREY (1989) und MÜNZINGER - FREY (1989) zu finden.

5. Beendigung des Projektes

Nicht immer ist ein sichtbares Ergebnis - also ein Produkt - Ziel eines Projektes; eine Aktivität kann es auch sein. In jedem Fall jedoch sollte ein Projekt bewusst abgeschlossen werden. Darüber müssen sich die Teilnehmer ebenso verständigen wie bei der Projektinitiative.

Daneben gibt zwei weitere Varianten, ein Projekt zu beenden:

  • Rückkopplung zur Projektinitiative,
  • Auslaufenlassen.

Als Grundlage für die erste Variante bietet es sich an, einen entsprechenden Fragebogen bearbeiten zu lassen. Die zweite Variante eignet sich dazu, den nicht selten auftretenden Bruch zwischen Projektende und 'Normalität' zu vermeiden. Sie darf jedoch nicht dazu verwendet werden, ein Scheitern an zu hohen Ansprüchen zu kaschieren.
     Ein Projekt, das im Rahmen von Schulunterricht stattfindet, sollte stets mit einem Ergebnis enden. Das braucht kein Objekt zu sein, sondern kann auch in einem bereichernden Erlebnis oder einer weiterführenden Erfahrung bestehen.

6. Fixpunkt

Fixpunkte sind organisatorische Schaltstellen des Projektes, haben also vor allem organisatorische Bedeutung. Die Teilnehmer halten in ihrer Tätigkeit inne - für einige Minuten oder auch längere Zeit.

Fixpunkte dienen den Teilnehmern u.a. dazu,
o einander über die letzten Tätigkeiten zu informieren,
o Notizen über die letzte Phase anzufertigen und Anregungen für die nächste 
  zu formulieren,
o die nächsten Schritte zu organisieren,
o sich den Stand der Arbeiten im Vergleich mit den geplanten Zielen zu vergegenwärtigen,
o einzelnen Teilnehmer, wenn nötig, sich zeitweilig zurückziehen zu lassen.

Fixpunkte sind angezeigt, wenn ein oder mehrere Teilnehmer den Eindruck haben,
o sie wüssten nicht ausreichend, was die anderen tun oder was um sie herum geschieht,
o sie verlören sich in ihren eigenen Aktivitäten,
o sie gerieten in Hektik oder in einen Produktionszwang.

7. Metainteraktion / Zwischengespräch

Metainteraktion bzw. Zwischengespräch unterscheidet sich von Fixpunkten grundsätzlich.

Metainteraktion ist die Auseinandersetzung über
o das Normalgeschehen im Projekt,
o den Umgang miteinander.

In der Phase von Metainteraktion hält man inne, um über das Abgelaufene oder das gerade Passierende miteinander zu reden. Der Begriff deutet an, dass die Teilnehmer
sich auf eine andere Ebene begeben und zum Projekt auf Distanz gehen.
     Metainteraktion spielt im Projekt somit eine zentrale Rolle. Sie trägt dazu bei, dass ein Tun zu einem pädagogischen Tun wird, sie hilft, die Hauptaktivitäten zu qualifizieren.
     Wenn Teilnehmer eines Projektes eine Metainteraktion einlegen, verfolgen sie damit im allgemeinen einen der folgenden Zwecke:

o Sie besinnen sich auf den Verständigungsrahmen, den sie während
   der Auseinandersetzung  mit der Projektinitiative entwickelt haben;
o sie vertiefen einen Strang der ablaufenden Aktivitäten oder einen Ausschnitt
   aus dem Betätigungsgebiet;
o schaffen Distanz zu den Normal- bzw. Hauptaktivitäten;
o arbeiten Beziehungsprobleme auf, die latent vorhanden sind und
   während des Projektes offenkundig werden.

Ausführliche Empfehlungen zur Praxis der Metainteraktion gibt Karl FREY (1990, S. 144 ff.).

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3.0 Literaturgrundlage

Die vorstehenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf folgenden Arbeiten:

  • Karl FREY
    Die Projektmethode
    Weinheim 1990. 3. Auflage
  • Herbert GUDJOHNS
    Handlungsorientiert Lehren und Lernen
    Projektunterricht und Schüleraktivität
    Bad Heilbrunn 1986
  • Johannes BASTIAN - Herbert GUDJOHNS (Hrsg.)
    Das Projektbuch
    Theorie - Praxisbeispiele - Erfahrungen
    o. O. 1986

    Die drei Titel enthalten umfangreiche Literaturangaben und ergänzen einander:
  • Herbert GUDJOHNS orientiert insbesondere über die bildungstheoretischen und lernpsychologischen Voraussetzungen der Projektmethode.
  • Karl FREY stellt Grundmuster, Komponenten und Probleme der Projektmethode vor.
  • Johannes BASTIAN und Herbert GUDJOHNS präsentieren in anschaulicher Form Beispiele.

Weiterführende Anregungen und Beispiele sind zu finden in

  • Lothar BEINKE - H. GATTERMANN - U. GOEBEL
    Hrsg. H. PLATTE
    Das Projekt:
    Theorie, Methode, Beispiele
    Köln 1990
  • Manfred HUTH - Andreas LINDEMEIER - Frohmut MENZE
    Das AOL-Projektbuch
    250 Projektideen der anderen Schulwirklichkeit
    Der Ideensteinbruch zum Nach- und Bessermachen -
    Ausprobierte Projekte mit Praxisberichten
    Lichtenau 1988, AOL-Verlag (AOL 83)
  • Monika JOSTES - Reinhold WEBER
    Projektlernen
    Handbuch zum Lernen von Veränderungen
    in Schule, Jugendgruppen und Basisgruppen
    Lichtenau 1992, AOL-Verlag (AOL 124)
  • Michael KNOLL
    Europa - nicht Amerika
    Zum Ursprung der Projektmethode in der Pädagogik
    Pädagogische Rundschau 45 (1991) H. 1, S. 41 - 58
  • Klaus MIE - Karl FREY (Hrsg.)
    Physik in Projekten
    Beispiele für fachübergreifende projektorientierte Vorhaben
    mit Schwerpunkten aus der Physik
    Köln 1990, 2. Auflage
  • Wolfgang MÜNZINGER - Karl FREY (Hrsg.)
    Chemie in Projekten
    Beispiele für fachübergreifende projektorientierte Vorhaben
    mit Schwerpunkten aus der Chemie
    1994, 4. Auflage
  • Rudolf SCHWEINGRUBER
    Das Projekt in der Schule
    Ein unterrichtsbegleitendes Arbeitsbuch
    Bern 1979

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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