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Tugenden oder Werte ?

I. Die Kardinaltugenden

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Die Begriffe und ihre Bedeutung
      2.1 Tugenden
      2.2 Werte
      2.3 Philosophiegeschichtlicher Exkurs
      2.4 Gibt es eine Rangordnung der Werte?
3.0 Die Kardinaltugenden
      3.1 PLATON
      3.2 Tugenden im alten Rom
      3.3 THOMAS VON AQUIN
      3.4 Frühe Neuzeit
      3.5 Hallescher Pietismus und „preußische" Tugenden
      3.6 Die Rangordnung der Tugenden
      3.7 Der Bezugspunkt der Kardinaltugenden
      3.8 Der Kategorische Imperativ
      3.9 Die pädagogische Dimension
4.0 Literaturnachweis

1.0 Das Problemfeld

In der aktuellen Diskussion verweisen Begriffe wie „Wertepluralismus" und „Wertewandel" auf die zentrale Bedeutung, die den „Werten" zuerkannt wird. Die Werte werden jedoch für unterschiedliche und kontroverse Positionen in Anspruch genommen.

2.0 Die Begriffe und ihre Bedeutung

Der Begriff „Werte" ist ein modernes Wort; früher sprach man von Tugenden. Dieser Begriff mutet heute altfränkisch an, zumal der Singular „Tugend" unter dem Einfluss des idealistischen Persönlichkeitsbegriffs auf die Disziplinierung der Sexualität verkürzt wurde. In der Unterscheidung von Primär- und Sekundärtugenden wird dieses altehrwürdige Wort jedoch weiterhin in allgemeiner Form gebraucht.

Bevor mit den Begriffen „Tugenden" und „Werten" gearbeitet werden kann, muss deren Bedeutungskern freigelegt werden.

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2.1 Tugenden

Der Begriff „Tugend" bezeichnet im ethischen Sinne die Sittlichkeit, im konventionellen die Sittenreinheit der Lebensführung. Er dient im Übrigen zur Übersetzung eines griechischen Wortes, das in der europäischen Geistesgeschichte zentralen Rang einnimmt: „areté".
     Für dieses Wort gibt es im Deutschen keinen bedeutungsgleichen Ausdruck. Es bezeichnet die „wesensgemäße Bestheit" einer Sache oder einer Person. So ist „areté" die Eigenschaft, die den Menschen überhaupt erst zum Menschen macht, nämlich das eigene Handeln an einem - ganz allgemein gesprochen - sittlichen Maßstab zu orientieren.
     Da diese Eigenschaft sich in einzelnen Haltungen konkretisiert, gibt es auch den Plural „aretaí", eben „Tugenden"; Einzelheiten dazu s. Nr. 3.0.

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2.2 Werte

Was „Werte" sind, scheint selbstverständlich. Die hochabstrakte Allgemeinheit dieses Begriffes macht es jedoch erforderlich, seinen Bedeutungsgehalt und seine Verständigungsfunktion zu ermitteln und zu untersuchen.

Zunächst fällt die Bedeutungsvielfalt auf. Sie ist deswegen wichtig, weil sie in einer Zeit des - oft kontrovers und konflikthaft gefärbten - Wertepluralismus zu einem Grundkonsens beiträgt und dennoch unterschiedliche Bedeutungen zulässt.
     Sodann kommt eine spezifische Doppeldeutigkeit in den Blick. Der Begriff „Werte" hat eine objektive und eine subjektive Bedeutungskomponente. 
Werte sind

  • einerseits von den Menschen unabhängig vorhandene Gebote und Pflichten, eine sittliche Orientierung und die daraus folgende Haltung und Lebensführung - mithin Normen,

  • andererseits die Vorstellung des einzelnen Menschen von dem, was ihm für die eigene Lebensführung wichtig ist, so dass es geradezu Ziel seines Handelns werden kann, weil er einen Anspruch darauf hat oder doch geltend macht.

Diese Doppeldeutigkeit ist Nachteil und Vorzug zugleich - Nachteil, weil sie die Verständigung erschwert, Vorteil, weil sie zwei anscheinend gegenläufige Aspekte miteinander verklammert und deswegen auch ausbalancieren kann.

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2.3 Philosophiegeschichtlicher Exkurs

Den Begriff „Werte" hat der Philosoph Hans REINER im Anschluss an Max SCHELER und
Nicolai HARTMANN in die Terminologie der zeitgenössischen Ethik eingeführt. Er unterscheidet (1964 S. 216 ff., 1974 S. VIII)

  • objektiv bedeutsame und subjektiv bedeutsame Werte
  • und bezeichnet sie auch als absolute und als relative Werte.

Absolute Werte werden als in sich bedeutsam erlebt, relative Werte hingegen sind durch die Erfüllung eines eigenen oder fremden Bedürfnisses wichtig.

Die traditionelle Ethik hingegen unterscheidet (Otto F. BOLLNOW 1966, S. 19) hingegen drei Ebenen:

  • Güterlehre
    Sie beschäftigt sich mit dem, was erstrebenswert ist.

  • Pflichtenlehre
    Sie erörtert die sittlichen Forderungen, die der Mensch erfüllen muss.

  • Tugendlehre
    Sie untersucht die Grundhaltungen, in denen sich die sittliche Vollkommenheit des Menschen manifestiert.

Eine vermittelnde Position nimmt Hasso VON RECUM (1992, S. 390) ein. Er unterscheidet zwischen Selbstentfaltungswerten sowie Pflicht- und Akzeptanzwerten. Zuletzt wurde diese Terminologie von Clemens ALBRECHT (2001 S. 885) aufgegriffen.

Neuerdings grenzt Hans JOAS (2005, S. 14 f.) Werte gegenüber Normen einerseits und Wünschen andererseits ab. Er gewinnt damit eine eindeutig positive Definition. Werte bezeichnet er als attraktiv, Normen als restriktiv. Werte sind "emotional stark besetzte Vorstellungen über das Wünschenswerte" (a.a.O., S. 15). 

Udo di FABIO (2005, S. 63) definiert Werte wie folgt:

"Werte sind unbedingte Vorrangregeln mit moralischer Qualität:
das Gute ist stets dem Schlechten vorzuziehen."

Darum haben sie eine hohe normative Orientierungsfunktion (a.a.O., S. 65): 

"An Werte glaubt man wie an religiöse Offenbarungen, 
für Werte kämpft man, 
sie bilden als Grundwerte den letzten Sinn 
eines Menschen, einer Gemeinschaft."

Er folgt mit diesen Gedanken Niklas LUHMANN (1993, S. 18). Werte bedeuten für diesen, nüchtern, aber kategorisch formuliert,

"Höchstrelevanz mit normativem Gehalt."

Wenn Sie den Definitionsversuchen zum Begriff »Werte« vertiefend nachgehen wollen, finden Sie dazu bei Helmut THOME  eine instruktive Übersicht sowie einen ausführlichen Literaturnachweis (2005, S. 389 ff., 438 - 443).

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2.4 Sind „Tugenden" und „Werte" Synonyme?

In den vorstehenden Ausführungen werden die beiden Begriffe verwendet, als seien sie bedeutungsgleich. Wie die Übersichtsskizze der Ethik in Nr. 2.3 zeigt, unterscheiden sie sich. Eberhard STRAUB (2000) hat sehr entschieden geltend gemacht, Tugenden seien keine Werte - und umgekehrt. Tugenden würden gelebt, geübt, ausgeübt. Den Argumentationszusammenhang für diese Auffassung finden Sie auf der Webseite „Werte, Gegen-Werte, Un-Werte".

2.5 Gibt es eine Rangordnung der Werte?

In These 3 auf der Webseite „Schule in einer Zeit des Wertewandels und Wertekonflikts" hat der Verfasser die Auffassung vertreten,

die grundsätzlich wertende Unterscheidung von Primärtugenden (z. B. Autonomie, Selbstverwirklichung, Emanzipation, Spontaneität) und Sekundärtugenden (z. B. Disziplin, Gehorsam, Pünktlichkeit, Ordnung, Pflichterfüllung, Fleiß, Zuverlässigkeit) sowie die Verabsolutierung der einen und die Geringschätzung der anderen seien unbegründet, im pädagogischen Feld vielleicht sogar schädlich, weil verwirrend.

Diese Auffassung wird für den Argumentationszusammenhang und die Vermittlungsabsicht der o.g. Webseite aufrechterhalten, obwohl sie in dieser absoluten Form nicht gültig ist und so auch nicht gemeint war.
Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite „Werte, Gegen-Werte, Un-Werte".
     Die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundärtugenden geht auf Carl AMERY (1963 S. 12, vgl. Martin Greiffenhagen, 1986, S. 384 f.) zurück. Sie greift den aus der Antike stammenden Begriff der Kardinaltugenden (Haupttugenden) auf. Aus ihnen werden alle übrigen Tugenden abgeleitet, und nur durch den Bezug auf die Kardinaltugenden können sie Tugenden sein.

Es gibt also eine Rangordnung der Werte.

Um das zu verdeutlichen, werden im Folgenden die Kardinaltugenden vorgestellt. Schon die alten Moralphilosophen haben jedoch ihre Tugendgebote keineswegs immer verabsolutiert, sondern oft in größeren Wertzusammenhängen reflektiert. Gerade in der Gegenwart ist die Rangfolge der Werte strittig und unterliegt der Dynamik des gesellschaftlichen Wandels. Die folgende Übersicht wird aufzeigen, dass das auch in der Vergangenheit nicht anders war.

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3.0 Die Kardinaltugenden

In der europäischen Geistesgeschichte sind die Kardinaltugenden ein zentrales Thema philosophischen und theologischen Denkens; exemplarisch seien hier die Namen PLATON und THOMAS VON AQUIN genannt. Wie die Rede des Agathon in PLATONs Dialog „Das Gastmahl" (196 a - e) zeigt, müssen sie bereits damals im allgemeinen Bewusstsein vorhanden gewesen sein.

3.1 PLATON

PLATONs gesamtes Philosophieren ist eine intensive und umfassende Auseinandersetzung mit den sittlichen Leitlinien menschlichen Handelns. Als Kardinaltugenden nennt er

  • Gerechtigkeit,
  • Klugheit,
  • Tapferkeit,
  • Maß.

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3.2 Tugenden im alten Rom

Die Wertvorstellungen des alten Rom sind aus mehreren Gründen ideengeschichtlich interessant. Schon früh haben die Römer eigene und sehr spezifische Wertvorstellungen entwickelt. Diese waren religiös fundiert und zugleich ausgeprägt gesellschaftlich orientiert. Typisch für die Grundhaltung der Römer ist es, dass sie als Pflichten und Gebote verstanden wurden, die unbedingt zu befolgen waren.
     Auch als die Römer die griechische Philosophie und ihre Lehre von den Kardinaltugenden kennengelernt hatten, blieben die „altrömischen" Wertvorstellungen wirkungsmächtig und beeinflussten ihrerseits das nachrömisch-europäische Denken.
     Als zentrale Beispiele seien im an Anschluss an Gabriele THOME (2000 I, S. 135, II S. 152) aufgeführt und zugleich deren Bedeutungsentwicklung genannt:

  • religio -      vom Skrupel zur Religion
  • pietas -       von der Pflichterfüllung zur Frömmigkeit
  • fides -         von der blinden Verpflichtung zum Glauben
  • pax -           vom Vertrag zum Friedenszustand
  • dignitas -    vom Rang zur Menschenwürde

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3.3 THOMAS VON AQUIN

THOMAS VON AQUIN wird hier als der repräsentative Denker der christlichen Ethik vorgestellt. Er übernahm die Kardinaltugenden der Antike, doch ergänzte er sie in dem System seiner Ethik durch ein christliches Gegenstück, wie es von dem Apostel PAULUS (1. Brief an die Korinther 13, 13) formuliert worden ist - die Dreiheit von

  • Glaube,
  • Hoffnung,
  • Liebe.

Diese christlichen Tugenden gründen in der hellenistischen Philosophie, wie Reinhard BRANDT (2007) ausführt. Sie hat einen systematischen Zusammenhang mit den drei großen Bereichen der Metaphysik entwickelt:

  • Wir glauben an Gott,
  • wir hoffen auf die Unsterblichkeit der Seele, 
  • die Liebe bestimmt unser Handeln in der Welt.

PAULUS bezeichnet die Liebe als "die größte", und dennoch setzt er sie auf den dritten Rang. Im Ordo-Denken des Mittelalters war das maßgeblich wichtig. In der Zeit der Aufklärung hat der Pfarrer Johann Joachim SPALDING der Liebe den ersten Rang gegeben (Betrachtung über die Bestimmung des Menschen, 1748). Wie BRANDT darlegt, folgt Immanuel KANTs gesamte kritische Moralphilosophie diesem Grundriss. KANTs aufklärerische Leistung ist unlängst von Jürgen HABERMAS gewürdigt worden. Sie finden den Text auf der Webseite "Aufgabe und Problem - Einführung in des Thema »Werte-Erziehung«"

Den Rang einer Kardinaltugend nimmt die Nächstenliebe ein, weil sie in der christlichen Ethik einen besonderen Stellenwert hat. Im Evangelium nach Matthäus (22, 27-28) wird Jesus von Nazareth zitiert. Sich auf das Alte Testament beziehend (5. Mose 6,5), spricht er:

„Du sollst lieben Gott, deinen Herrn,
von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte.
Dies ist das vornehmste und größte Gebot.
Das andre aber ist dem gleich:
»Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.«

3.4 Frühe Neuzeit

Bei Arnold GEULINCX, einem niederländischen Philosophen des 17. Jahrhunderts, findet sich eine Aufzählung von Kardinaltugenden, die - aus der Sicht unserer Tage - zur Problematik "sekundärer" Tugenden überleitet:

  • Fleiß,
  • Gehorsam,
  • Gerechtigkeit,
  • Demut.

Hier sei angemerkt, dass die - heute eher skeptisch oder ablehnend betrachteten - bürgerlichen Tugenden in ihrer Zeit einen besonderen Stellenwert gewonnen hatten. Sie waren die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg. Damit trugen sie zur Unabhängigkeit des Bürgertums gegenüber den Wertvorstellungen und Herrschaftsansprüchen des Adels bei und hatten - modern gesprochen - eine geradezu emanzipatorische Funktion.

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3.5 Hallescher Pietismus und „preußische" Tugenden

Geradezu exemplarisch wird die Bedeutung der Tugenden in der Pädagogik des Theologen und - modern gesprochen - Sozialpädagogen August Hermann FRANCKE sichtbar. Nicht nur seine Leistung, sondern auch die von ihm formulierten Maximen können nur dann angemessen gewürdigt werden, wenn man sie vor dem Hintergrund eines Elends sieht, wie es heutzutage die Straßenkinder in der Dritten Welt durchleiden.

Fünf Werte und Tugendfelder waren in FRANCKEs Handeln besonders wichtig:

  • Standhaftigkeit
  • Ordnung
  • Arbeitsamkeit
  • Sparsamkeit und Bescheidenheit
  • Pflichtgefühl und Gehorsam

Das sind keine Kardinaltugenden im Verständnis unserer Zeit. Im Halleschen Pietismus bei bildete jedoch für jede dieser Tugenden der christliche Glaube den unmittelbaren Bezugspunkt. Tugendhaftigkeit war - im weiteren Sinne des Wortes - Gottesdienst.

Der Einfluss FRANCKEs und seiner zahlreichen Schüler auf die Entwicklung Preußens war beachtlich. Er wurde kürzlich in einer Ausstellung der Franckeschen Stiftungen zu Halle eindrucksvoll dokumentiert und in differenzierter Form rehabilitiert. Wenn Sie sich kurz über H. A. FRANCKE informieren wollen, finden Sie hier eine Übersicht seiner Lebensdaten, Tätigkeiten und Leistungen. FRANCKEs sozialpädagogische und bildungspolitische Leistung wird dargestellt und vorurteilsfrei gewürdigt von Peter MENCK (2001).
     Uns ist die Ambivalenz dieser Tugenden offenkundig. Unvergessen ist das Verdikt Oskar LAFONTAINEs, das seien Tugenden, „mit denen man ein KZ leiten könne" - so in einer Replik gegenüber dem damaligen Bundeskanzler Helmut SCHMIDT.
     Doch auch in unserer Zeit mit ihren postmateriellen Wertvorstellungen lässt sich die Einsicht nicht abweisen, dass „sekundäre" Tugenden wie Zuverlässigkeit, Pflichtgefühl, Verzicht- und Leistungsbereitschaft u.a. grundlegende Voraussetzungen für Funktionieren und Bestand einer demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung sind.

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3.6 Die Rangordnung der Tugenden

Die Reihenfolge in der Aufzählung der Kardinaltugenden ist zugleich auch eine Rangordnung. In seiner tiefschürfenden Analyse und Interpretation der Kardinaltugenden kommt Josef PIEPER zu folgenden Feststellungen.

Die Klugheit - als das Insgesamt menschlichen Erkenntnisvermögens - ist Ursache, Wurzel, „Gebärerin", Maß, Richtschnur aller Tugenden. Denn das Richtige kann nur tun, wer die Wirklichkeit kennt. Sie ist somit die Ursache dessen, dass die übrigen Tugenden Tugenden sind.

  • Die Klugheit ist der Inbegriff sittlicher Mündigkeit und Freiheit.

  • Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit ist Grausamkeit.

  • Tapferkeit ohne Gerechtigkeit ist ein Hebel des Bösen. Ohne Klugheit und Gerechtigkeit gibt es keine Tapferkeit, denn nur wer klug und gerecht ist, kann auch tapfer sein.

  • Maß hält im Menschen wahrend und wehrend Ordnung; es schafft dadurch die Voraussetzung dafür, dass der Mensch das eigentlich Gute zu verwirklichen vermag und sich auf sein eigentliches Ziel hinbewegen kann.

Der Bedeutungshorizont des Wortes „Klugheit" enthält Aspekte, die dessen umgangssprachliche Verwendung nicht ohne Weiteres assoziieren lässt. Hier ist vor allem an die Fähigkeit zu selbständigem Urteil und begründeten „Entscheidungen unter pluralistischen Bedingungen" zu denken. Darauf hat jüngst Clemens ALBRECHT (2001 S. 891) sehr dezidiert aufmerksam gemacht.
     Das wirklichkeitsgerechte Verständnis von Klugheit wird wesentlich durch die Ergebnisse der neurobiologischen Grundlagenforschung bestimmt. Sie werden in den Arbeiten von Gerhard ROTH (1996/2000 und vor allem 2001) exemplarisch vorgestellt.

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3.7 Der Bezugspunkt der Kardinaltugenden

Die vorstehenden Gedanken sind nur unter der Voraussetzung schlüssig, dass sie über den Menschen hinausweisen, also - in philosophischer Begrifflichkeit - transzendent sind. Der Bezugspunkt aller Aussagen, die PLATON zu Fragen der Ethik macht, ist die Idee des Guten. Sie ist der Urgrund alles sittlichen Handelns.
     Damit ist ein fundamentales Thema der Ethik berührt, nämlich die Frage, ob die Maßstäbe menschlichen Handelns metaphysisch begründet, naturrechtlich vorgegeben oder aber gesellschaftliche gesetzt sind. Das Ringen der Philosophie um eine Lösung dieser zentralen Fragestellung kann hier nicht im Einzelnen dargestellt werden, ist jedoch gerade in der Gegenwart aktuell. Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite „Werte-Erziehung - Einführung in das Thema".
     Dass die Ideenlehre PLATONs nicht lediglich historisch bedeutsam ist, sondern ihr Grundgedanke auch als weiterhin aktuell angesehen werden kann, hat Wolfgang STEGMÜLLER aufgezeigt. Wenigstens erwähnt seien auch Immanuel KANTs drei epochale Werke Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785, 2. Auflage 1786), Kritik der praktischen Vernunft (1788) und Die Metaphysik der Sitten (1797, 2. Auflage 1798).

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3.8 Der Kategorische Imperativ

Immanuel KANT hat auf die Frage nach dem Maßstab sittlichen Handelns eine Antwort formuliert, die die in Nr. 3.5 erörterte Problematik offen lässt. Sein „Kategorischer Imperativ" bindet die Prinzipien, nach denen der Einzelne handeln soll, an die Bedingung, sie müssten sich zugleich dazu eignen, Prinzipien einer allgemeinen Gesetzgebung zu sein. Den Begründungszusammenhang und die Formulierungsvarianten finden Sie auf der Webseite „Der Kategorische Imperativ".

3.9 Die pädagogische Dimension

Hier braucht nicht betont zu werden, dass die vorgestellten Sachverhalte und Überlegungen nicht gleichsam „pur" unterrichtet werden können, sondern in ein jeweils altersgemäßes didaktisches Konzept eingebettet werden müssen.
    Wie gerade die Kardinaltugenden im Unterricht behandelt werden können, dafür gibt Hans AEBLI (1997, S. 102 ff.) einfühlsame Hinweise. Die Schlusspassage (S. 110 f.) sei zitiert:

„Die Betrachtung der antiken und der modernen Tugenden ist für den Erzieher kein Luxus, auch wenn sich daraus keine handfesten Schlußfolgerungen ergeben. Wenn wir ein Leben lang in der Schulstube stehen und die schwierige Aufgabe des Erziehens jeden Tag aufnehmen und  uns darin bewähren müssen, so brauchen wir dazu Richtpunkte, die im Unendlichen liegen. [ ...] 
     Wenn es uns auch immer wieder mißlingt, den großen Ideen der Ethik gerecht zu werden, und wir immer wieder feststellen, daß wir weit von ihrer Realisierung entfernt sind, so bleiben sie doch notwendig und hilfreich. 

Der Seefahrer erreicht den Polarstern auch nicht. 
Aber er braucht ihn, um die Richtung zu halten. 
Einem solchen Seefahrer gleicht auch der Erzieher.
"

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4.0 Literaturnachweis

Aus praktischen Gründen werden alle Literaturnachweise dieses thematischen Bereiches auf der Webseite „Werte-Erziehung - Literaturgrundlage" zusammengefasst. Das entlastet die einzelne Webseite und vermeidet Wiederholungen. Um nachzulesen, klicken Sie hier: Literaturnachweise.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 08.01.09
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