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Anlage oder Umwelt? – Anlage und Umwelt!

Befunde der Neurowissenschaften

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Befunde
      2.1 Fazit der Forschungsergebnisse
      2.2 Sachverhalte
3.0 Folgerungen für Erziehung
      3.1 Zentrale Aspekte
      3.2 Zusammenfassung
      3.3 Aufgaben
4.0 Literaturnachweis

1.0 Das Problemfeld

»Begabung« ist ein Begriff, über den in Pädagogik und Bildungspolitik seit langem heftig gestritten wurde und noch wird. Das lange Zeit statische Verständnis von Begabung wurde von Heinrich ROTH gleichsam "dynamisiert" (vgl. dazu die Webseite "Anlage oder Umwelt? Thesen im Anschluss an Heinrich ROTH"). Nach wie vor jedoch lautet die Frage:

Wie stehen bei der Entwicklung der Persönlichkeit Anlage und Umwelt zueinander?

Auf diese Frage antworten zwei Extrempositionen:

  • Genetischer Determinismus und darauf fußender erzieherischer Fatalismus,

  • unbegründeter, an Selbstüberschätzung und Allmachtfantasien grenzender Optimismus.

Im Rückblick ist festzustellen, dass diese Auffassungen weitgehend vom jeweiligen erkenntnisleitenden Interesse bestimmt wurden. Sie waren spekulativ bzw. ideologisch geprägt oder beruhten, wie in der Milieutheorie, vor allem aber im Behaviorismus, auf unbegründeter Verallgemeinerung an sich richtiger Einzelerkenntnisse.
     In den bildungspolitischen Diskussionen der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts wurde der Einfluss der Umwelt sehr hoch eingeschätzt. Seit einiger Zeit werden jedoch genetische Faktoren zunehmend als bestimmend betrachtet. Inzwischen sind in den Neurowissenschaften, insbesondere in der Hirnforschung, Erkenntnisse gewonnen worden, die wesentlich sicherer begründete Aussagen erlauben.

Die folgende Darstellung beruht im Wesentlichen auf Arbeiten der führenden Hirnforscher Wolf SINGER (1990, 2001, 2003) und Randolf MENZEL (1998, 2001). Sie beschränkt sich darauf, die generellen Abläufe der Gehirnentwicklung zu skizzieren. Die Bandbreite individueller Unterschiede und deren genetische Voraussetzungen bleiben dabei außer Betracht.
     Hinzuweisen ist auch auf die Darstellung bei Gerhard ROTH (2001 b, S. 332 - 337). Wer sich zum Studium der Details in neurowissenschaftliche Lehrbücher vertiefen will, findet dort auf S. 332 einschlägige Literaturnachweise.

Die Sicht der Neurowissenschaften auf die Entwicklung des Ichs und der Persönlichkeit
wird auf einer eigenen Webseite gleichen Namens vorgestellt.

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2.0 Befunde

2.1 Fazit der Forschungsergebnisse

Die Hirnforschung gewinnt ihre Ergebnisse vor allem aus der Analyse von Erkrankungen und Schädigungen des Gehirns, zunehmend auch aus bildgebenden Verfahren. Sichtet man sie, so lassen sie sich in einer schlichten Feststellung zusammenfassen:

Die Alternative »Anlage oder Umwelt« ist gegenstandslos.

Im Gegenteil - Anlage und Umwelt sind in einem überaus komplexen Wechselspiel miteinander verwoben. Wofür es keine Anlage gibt, das kann durch Umwelteinflüsse nicht entwickelt werden. Potentiale können sich nur entfalten, wenn sie durch Umwelteinflüsse dazu angeregt werden.
     Diese Feststellungen werden durch die folgenden Sachverhalte begründet.

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2.2 Sachverhalte

  • Bei den höheren Säugern und insbesondere beim Menschen ist die strukturelle Reifung des Gehirns bei der Geburt noch nicht abgeschlossen, sondern setzt sich bis in die Pubertät fort.
  • Insgesamt vollzieht sich ein sich selbst organisierender Prozess. Er wird von einem kontinuierlichen Dialog zwischen Genom und umgebendem Milieu getragen und führt zu immer komplexeren Strukturen.
  • Die Grundverschaltung der Gehirnzellen ist genetisch vorgegeben. In ihr ist erhebliches „Wissen" über die Welt repräsentiert, in die das werdende Gehirn hineingeboren wird - die angeborenen Verhaltensmuster.
  • Nach der Geburt entwickelt sich das Gehirn auf der Grundlage eines Dialoges, bei dem das Gehirn meist die Initiative hat. Die Verschaltung der Gehirnzellen wird tiefgreifend überformt. Durch Signale aus der Umwelt angeregte Verbindungen bilden sich aus und festigen sich, nicht benötigte werden eingeschmolzen und gehen verloren. 
  • Die Interaktion des werdenden Gehirns mit der Umwelt findet bereits im embryonalen Stadium statt. Sie gewinnt jedoch noch wesentlich an Bedeutung, sobald Sinnesreize wahrgenommen werden können. Nunmehr gewinnen auch Faktoren von außerhalb Einfluss auf die Ausbildung von Aktivitätsmustern. Nervenverbindungen werden aufgebaut, umgebaut, abgebaut. Die funktionelle Architektur des Gehirns wird erheblich von Sinnessignalen beeinflusst - also von frühen Erfahrungen. Zu Einzelheiten rufen Sie bitte die Information im Anhang auf.
  • Das Gehirn benötigt in den verschiedenen Entwicklungsphasen unterschiedliche Informationen aus der Umwelt, um seine Ausbildung optimieren zu können. Sinnessignale können jedoch nur dann strukturierend auf die Entwicklung einwirken, wenn sie Folge aktiver Interaktion mit der Umwelt sind.
  • Insgesamt wirken genetische und außergenetische Faktoren in untrennbarem Wechselspiel zusammen. Eine strenge Unterscheidung von Angeborenem und Erworbenem ist nicht möglich.

Das bedeutet:
o Im Einzelfall lässt sich nicht angeben, ob ein Verbindungsmuster
   genetisch vorgegeben oder durch Erfahrung geprägt ist.
o Ob eine Verbindung genetisch nicht angelegt war oder durch Ausbleiben
   von Umweltsignalen gelöst worden ist, lässt sich nur selten angeben.

  • Die Entwicklung des Gehirns dauert bis zur Pubertät an. Erst jetzt wird das Stirn-(Präfrontal)-Hirn voll ausgebildet und kann nun seine komplexen kognitiven Leistungen erbringen, z.B.:

o Fähigkeit, die eigene Existenz in der Zeit zu begreifen,
o Handlungen aufzuschieben und von Überlegungen abhängig zu machen,
o sich in ein soziales Wertgefüge einzuordnen.

Mithin gibt es nicht nur frühe, sondern auch späte Prägephasen. Untersuchungsergebnisse des Hirnforschers Jay GIEDD sprechen dafür, dass das Gehirn gerade in der Pubertät in beachtlichem Grade umstrukturiert wird (vgl. dazu auch Gerald HÜTHER, 2003, S. 40):.

Eine komprimierte, dabei detaillierte Darstellung der Abläufe gibt Gerhard ROTH (2001, S. 332 - 337). Für Vertiefungen werden dort auch die fachwissenschaftlichen Grundlagenwerke nachgewiesen. Eine aktuelle Zusammenfassung der hier erörterten Entwicklungsabläufe finden Sie bei Gerald HÜTHER (2003).

Kürzlich hat der Neurowissenschaftler Gerd KEMPERMANN die hier erörterten Sachverhalte knapp und prägnant wie folgt zusammengefasst (FAZ Nr. 52 vom 2. März 2004):

"Der Mensch ist ganz durch seine Gene und ganz durch seine Umwelt bestimmt.

Diese Wechselwirkung ist wörtlich zu nehmen. Auch unser Gehirn verändert sich lebenslang durch Aktivität. Das Konzept der "Plastizität" hat die Neurowissenschaften revolutioniert. Denn es stellt einen Zusammenhang zwischen Struktur und Funktion her, der in beiden Richtungen funktioniert. Im Mikroskopischen und Biochemischen verändert sich das Gehirn ständig. Ein starr nach Plan verdrahtetes Gehirn wäre tot.

Der Informationsgehalt des Genoms reicht um Zehnerpotenzen nicht aus, um den Schaltplan des Gehirns mit seinen Myriaden von Verknüpfungen zu bestimmen. Der Organismus und sein Gehirn entwickeln sich buchstäblich selbst, und diese Selbstorganisation ist das eigentliche Rätsel des Lebens. Genetische Information ist kontextsensitiv. Nur so kann aus dreißigtausend Genen ein Mensch werden. Von der Befruchtung an ist Entwicklung eine Interaktion zwischen Genom und Umwelt. Umwelt ist hierbei alles außerhalb des Genoms, inklusive der Bestandteile der gleichen Zelle. Für neun Monate ist die Gebärmutter die prägende äußere Umwelt. Erst vergleichsweise spät tritt Erziehung in diese Interaktion. Dann hat das Gehirn die wichtigsten Prägungen längst erhalten. Aber die plastische Interaktion geht lebenslang weiter."

Der Primatenforscher Michael TOMASELLO hat Entwicklung und Besonderheit des menschlichen Denkens untersucht. Er erklärt die Anlage-Umwelt-Diskussion für überholt und geradezu gegenstandlos (2003, S. 245 ):

"Die Frage kann nicht sein, ob man die Natur den Umweltfaktoren gegenüberstellen soll; die Umweltfaktoren sind lediglich eine der vielen Formen, die die Natur annehmen kann."

Das Fazit seines Buches lautet (S. 251):

"Alles in allem sind die abgenutzten alten philosophischen Kategorien von Natur versus Umwelt, angeboren versuch gelernt oder Gene versus Umgebung einfach ungeeignet - weil sie zu statisch und kategorisch sind -, wenn unser Ziel eine dynamische Darwinsche Erklärung menschlicher Kognition in ihren evolutionären, geschichtlichen und ontogenetischen Dimensionen ist."

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3.0 Folgerungen für Erziehung

3.1 Zentrale Aspekte

Für erzieherisches Handeln von Eltern und Lehrern ergeben sich aus den dargestellten Sachverhalten wichtige Folgerungen.

  • Kinder kommen bereits mit sehr unterschiedlichen Anlagen und Prädispositionen zur Welt. Diese Unterschiede beruhen nur zum Teil auf Unterschieden der genetisch festgeschriebenen Optionen und Potenzen.
  • Die sensiblen Phasen der Gehirnentwicklung sind zeitlich gestaffelt. Deshalb muss das Rechte zur rechten Zeit verfügbar gemacht werden. Entwicklungen zu forcieren ist zwecklos. Vor allem aber dürfen die für die Entwicklung erforderlichen Angebote nicht vorenthalten werden. Sonst kommt es zum Verkümmern wichtiger Funktionen, zur Deprivation.
  • Training erhöht die Anzahl der Verbindungen. Unklar ist jedoch, ob die strukturelle Komplexität über das Maß hinaus gesteigert werden kann, das unter normalen Bedingungen erreicht wird. Da die für Entwicklung zur Verfügung stehende Zeit begrenzt ist, kann Übertraining einerseits zu Deprivation andererseits führen.
  • Die differenzierte Entwicklung hängt wesentlich von der Fähigkeit zu kommunizieren ab. 
    Dabei sollte nicht nur die Sprache ausgebildet werden, sondern sind auch die vielfältigen nichtsprachlichen Ausdrucksformen zu beachten und zu nutzen.
  • Wenn die aktive Interaktion von Kindern mit anderen Menschen durch passives Aufnehmen von Fernsehprogrammen ersetzt wird, kommt es zu verhängnisvollen Reifungsdefiziten. HÜTHER schreibt (a.a.O., S. 41):

„Zur Passivität verurteilt, werden sie mit bunten Bildern, Handlungsfetzen, Aktionsbruchstücken und ständig neuen, emotional erregenden Eindrücken und angstauslösenden Vorstellungen konfrontiert.
     Auf ihre Fragen bekommen sie keine Antworten,, ihre Vorschläge hört niemand, sie können nichts ändern, nichts verhindern und auch nicht helfend eingreifen.
     Was in ihnen zurückbleibt, ist die Erfahrung, dass es auf sie und ihr eigenes Denken nicht ankommt, dass ihre selbständige Suche nach Lösungen nutzlos ist, dass das Geschehen abläuft, ohne dass sie darauf Einfluss nehmen können.
     Solche Kinder können nur schwer das Gefühl eigener Handlungskompetenz [...] entwickeln."

  • Weil das Gehirn für seine Entwicklung in so hohem Grade äußere Einflüsse braucht, ist es eben dadurch auch gefährdet. Angst und Stress können gedeihlich nur bewältigt werden, wenn eine verlässliche Beziehung zur Mutter Sicherheit und Orientierung gewährleistet. Selbstvertrauen, Vertrauen in die eigene Kompetenz, Probleme zu bewältigen, entwickeln sich am ehesten in einem Klima zuverlässiger Geborgenheit. Das ist zugleich die Voraussetzung für nachhaltiges Lernen und erfolgsgewisse Konfliktfähigkeit.
         Vertiefungen zum Thema »Urvertrauen« finden Sie auf der Webseite »Identität« - Entwicklung der Persönlichkeit. Eine Abfolge »psycho-sozialer Krisen«".
  • Selbst die Fähigkeit, auf die Frage nach dem Sinn der eigenen Existenz eine brauchbare Antwort zu finden, hängt von der Entwicklung des Gehirns ab. Nur wenn die Lebensumstände dazu beigetragen haben, im Frontalhirn hinreichend komplexe Verschaltungen auszuformen und zu stabilisieren, gelingen Orientierung und sinnvolle Gestaltung des eigenen Lebens (RÜTHER a.a.O., S. 42).

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3.2 Zusammenfassung

Randolf MENZEL (1998) fasst die dargestellten Sachverhalte wie folgt zusammen:

Das wachsende Gehirn entwickelt sich auf der Grundlage eines genetischen Programms, das in der Evolution entstanden ist. Doch für seine Entwicklung setzt es das Flexibelste ein, das es gibt - das Lernen.

Wolf SINGER (2001) kommt zu dem klaren Schluss:

„Es gibt fast keine Eins-zu-Eins-Beziehung zwischen genetischen Instruktionen und bestimmten Eigenschaften, schon gar nicht im Bereich von Begabungsspektren und Persönlichkeitsmerkmalen."

So wendet er sich (2003, S. 23) entschieden gegen den „Glauben an die Allmacht der Gene" und bezeichnet ihn als irrenden Fatalismus, der unbegründet sei.

Elsbeth STERN (2004, S. 10 - 13) schlägt vor, zu unterscheiden zwischen

  • genetisch programmierten Kompetenzen (z.B. Laufen oder Sprechen)
  • kulturabhängigen Fähigkeiten (z.B. Abstrahieren aufgrund von Denkmodellen).

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3.3 Aufgaben

Vor diesem Hintergrund betont SINGER a.a.O., ferner auch S. 34) die Wichtigkeit der erzieherischen Berufe. Eltern und Lehrer haben nicht nur die Aufgabe, die Inhalte der Kultur an die nächste Generation weiterzugeben, sondern sie prägen deren Verhalten für das Leben.

„Ihre Bedeutung kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden."
Und:
„Nichts ist wichtiger als der erzieherische Prägungsprozess unserer Kinder."

Diese Fakten begründen für Erziehung große Chancen. Zugleich machen sie die außerordentliche Verantwortung deutlich, die alle an der Erziehung Beteiligten tragen. Das gilt nicht nur für Eltern, Erziehende in den Kindergärten und Lehrende in den Schulen, sondern auch für alle gesellschaftlichen Institutionen, die die Umgebung beeinflussen, in der Kinder aufwachsen.

„Was bleibt, ist
eine fast unerträgliche Verantwortung,
die uns alle diese Einsichten für die Gestaltung
unserer gesellschaftlichen und staatlichen Einrichtungen aufladen."

So schreibt Heinrich ROTH (1966/1973, S. 263). Dem ist nichts hinzuzufügen. Weniger pathetisch, dafür in der sachlichen Nüchternheit argumentiert Detlef W. PROMP.

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4.0 Literaturnachweis

Hier werden nur die Titel genannt, die diesem Baustein zugrunde liegen. Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis für die Themengruppe "Entwicklungspsychologische Grundlagen des Unterrichts" finden Sie auf der Webseite "Literaturgrundlage".

  • Avshalom CASPI
    „Mit drei Jahren ist der Mensch schon fertig"
    Langzeitstudie der Universität LONDON
    Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 224 vom 26. September 2000
    Early Warning On Charakter
    Bericht von Yvonne MARTIN in The Sunday Mail vom 16. Mai 1999
    http://www.ourcivilisation.com/decline/chldhd.htm

  • ders.
    The child is father of the man:
    Personality continuities from childhood to adulthood
    Journal of Personality and Social Psychology 78 (2000), 158-172.

  • Antonio R. DAMASIO
    Descartes‘ Irrtum
    Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn
    München 1997, 3. Auflage

  • ders.
    Ich fühle, also bin ich
    Die Entschlüsselung des Bewusstseins
    München 2001, 3. Auflage

  • Jay GIEDD
    Interview über das Gehirn Jugendlicher
    National Institute of Mental Health, Maryland, USA
    http://www.pbs.org/wgbh/pages/frontline/shows/teenbrain/interviews/giedd.html

  • Gerald HÜTHER
    Über die Beschaffenheit des neurobiologischen Substrats,
    auf dem Bildung gedeihen kann
    Neue Sammlung 43 (2003) H. 1, S. 31 - 43

  • Bas KAST
    Revolution im Kopf
    Die Zukunft des Gehirns
    Berlin 2003

  • Richard C. LEWONTIN
    Die Dreifachhelix
    Gen, Organismus und Umwelt
    Berlin und Heidelberg 2002

  • Gary MARCUS
    Der Ursprung des Geistes
    Wie Gene unser Denken prägen
    Düsseldorf und Zürich, Darmstadt 2005
    Heinrich MEIER - Detlev PLOOG (Hrsg.)
    Der Mensch und sein Gehirn
    Die Folgen der Evolution
    München 1997

  • Randolf MENZEL
    Eine Brücke zwischen Erbanlage und Umwelt
    Tagesspiegel vom 21. Oktober 1998

  • ders. - Josef DUDEL - Robert F. SCHMIDT (Hrsg.)
    Neurowissenschaft
    Vom Molekül zur Kognition
    Berlin 2001, 2., überarbeitete und aktualisierte Auflage

  • Steven PINKER
    Das unbeschriebene Blatt
    Die moderne Leugnung der menschlichen Natur
    Berlin 2003

  • Gero RICHTER-REHTWISCH u.a. (Hrsg.)
    Die Entschlüsselung des Gehirns
    SPIEGEL special 4/2003

  • Gerhard ROTH
    Das Gehirn und seine Wirklichkeit
    Kognitive Neurobiologie und ihre philosophischen Konsequenzen
    Frankfurt am Main 1994, 6. Auflage 2001 (a)

  • ders.
    Fühlen, Denken, Handeln
    Wie das Gehirn unser Verhalten steuert
    Frankfurt am Main 2001 (b)

  • Wolf SINGER
    Das Jahrzehnt des Gehirns
    Annäherung in den Neurowissenschaften
    Verbindung zwischen Geist und Materie
    Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 300 vom 27. Dezember 1990

  • ders.
    Was kann ein Mensch wann lernen?
    Vortrag Frankfurt am Main 2001
    http://www.mpih-frankfurt.mpg.de/global/Np/Pubs/mckinsey.htm

  • ders.
    Ein neues Menschenbild?
    Gespräche über Hirnforschung
    Frankfurt am Main 2003

  • ders.
    Hirnentwicklung - neuronale Plastizität - Lernen
    in:
    Rainer KLINKE - Stefan SILBERNAGL (Hrsg.)
    Lehrbuch der Physiologie
    Stuttgart 2003, 4., korrigierte Auflage

  • Elsbeth STERN
    Entwicklung im Kopf
    Subjektive Bedeutung und aktive Kinder
    in:
    Marianne Horstkemper - Annette Scheunpflug u.a. (Hrsg.)
    Aufwachsen
    Die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen
    Schüler 2004 - Friedrich Jahresheft, S. 10 - 13

  • Michael TOMASELLO
    Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens
    Zur Evolution der Kognition
    Frankfurt am Main 2003, 2. Auflage

  • Katharina ZIMMER
    Der Wert der frühen Reize
    Wer die frühe Entwicklung des Gehirns versteht,
    versteht die Kindheit besser
    Die ZEIT Nr. 10 vom 4. März 1983

Anhang

Die Wissenschaftsjournalistin Ingrid EISSELE beschreibt diesen Vorgang sehr anschaulich wie folgt ("Stern" Nr. 37/2003, S. 144 f.): 
     "Die Gehirne Neugeborener verfügen bereits über 100 Milliarden Nervenzellen, genug für ganze restliche Leben. Doch verbunden sind da erst wenige. Sofort nach der Geburt beginnt eine rasante Verdrahtung, die genetisch gesteuert ist. Zahlreiche Verbindungen werden geknüpft, damit der kleine Mensche alle Chancen dieser Welt hat. Schon nach einem Jahr hat sich die Dicke der Großhirnrinde verdreifacht, so viele 'Drähte' zwischen den einzelnen Zellen sind gezogen worden. Parallel dazu werden die Gehirnregionen verknüpft. Das dauert bis zur Pubertät, unterdessen wird immer wieder Überflüssiges abgebaut. Wie eine Marmorskulptur durch Wegnehmen überflüssigen Materials entsteht, so entwickelt sich auch das Gehirn."

Katja THIMM beschreibt (SPIEGEL special 4/2003, S. 64) folgende Phasen:

  • 0 bis 2 Jahre
    Beim Neugeborenen sind die Nervenzellen wie ein gleichmäßiges, dichtes Netz verbunden, das Impulse in alle Richtungen weiterleitet. Bis zum 2.Lebensjahr nimmt die Zahl dieser Verbindungen zu. 
  • 2 Jahre bis Pubertät
    Mit dem Prozess des Lernens, der Häufigkeit der Impulse in bestimmten Bahnen, bilden und verstärken sich Synapsen. Die weniger genutzten Verbindungen verkümmern. Je vielfältiger die Anregungen, desto komplexere Strukturen bilden sich.
  • Erwachsener
    Dem Erwachsenen steht zum Lernen weitgehend nur das bis dahin gebildete Netz zur Verfügung.

*

Dazu zwei Textpassagen von Paul B. Baltes und Ulman Lindenberger (Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 248 vom 23. Oktober 2004):

"Bei der Geburt ist man am wenigsten das, was man erden kann: Der individuelle Lebenslauf entsteht beim Menschen als Ko-Konstruktion der Einflüsse aus Biologie und Biologie."

     "Gehirnplastizität, das im Gehirn vorhandene Entwicklungspotential, ist zunächst das Resultat evolutionärer Prozesse, denn das Gehirn ist ein Organ, in dem die historisch gewachsene Anpassung an die physischen und sozialen Umweltstrukturen der Vergangenheit angelegt ist. Es ist auf Informationsverarbeitung und die Entwicklung grundlegender Funktionssysteme des Wahrnehmens und Handelns, der Nahrungsaufnahme und sozialer Transaktionen ausgerichtet. 

Wenn die jetzt vorhandenen allgemeinen Umweltbedingungen denjenigen in der evolutionär wirksamen fernen Vergangenheit hinreichend ähnlich sind, werden diese Funktionsformen effizient und mit einem Minimum an zusätzlicher Umweltstützung ausgeformt. 

Deswegen wird die kulturelle Komponente im Entwicklungsgang zumal des jungen Gehirns leicht übersehen. Die "Reifung" des Gehirns erscheint biologisch determiniert, weil sie eine in der menschlichen Evolution entstandene, hochentwickelte Konvergenz von Genetik und Umwelt in sich trägt, die sich zumindest teilweise in der heutigen Ontogenese wiederholt."


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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