Home ] Nach oben ] Zurück ] Weiter ]

Anschauungsgehalt und Abstraktionsgrad
von Operationsobjekten

Übersicht
1.0 Auf das Ziel kommt es an
2.0 Anschauungsgehalt und Abstraktionsgrad
3.0 Didaktische Folgerungen
4.0 Verarbeitung und Umformung von Wirklichkeit
5.0 Was leisten Medien?
6.0 Leitfragen für die Auswahl von Medien/Operationsobjekten
7.0 Literaturgrundlage

1.0 Auf das Ziel kommt es an

Auf der Webseite „Das Operationsobjekt" wird die zentrale Funktion dargestellt, die dem Operationsobjekt im Unterricht zukommt. Mithin hängt der Erfolg des Unterrichts wesentlich davon ab, ob der Lehrer Operationsobjekte ausgewählt hat, die den Lernvoraussetzungen seiner Schüler entsprechen und außerdem für die jeweilige Zielsetzung geeignet sind.

Die Entscheidung für bestimmte Operationsobjekte und in Verbindung damit ihre Darbietung durch bestimmte Medien ist also nicht beliebig, sondern setzt eine Untersuchung ihrer spezifischen Leistungen voraus. Dafür bedarf es geeigneter Kriterien. Sie sollten in ein didaktisches Konzept der Anschaulichkeit eingebettet sein. 

Dessen Formulierung kann hier nicht geleistet werden, doch sei wenigstens darauf hingewiesen, dass im Unterricht Anschaulichkeit unbedingt notwendig ist, weil sie der stammesgeschichtlichen Prägung des Menschen entspricht. Sie erleichtert den Zugang zu den Lerngegenständen.

Anschaulichkeit allein genügt der uns Lehrern gestellten Aufgabe nicht. Die hochgradige Komplexität der modernen Lebenswelt macht es vielmehr erforderlich, jungen Menschen die Bereitschaft und Fähigkeit zu abstrakter Erkenntnis nahezubringen (Vgl. dazu Annette Scheunpflug (2001, S. 101 f.) .

Zurück zur Übersicht

2.0 Anschauungsgehalt und Abstraktionsgrad

Versucht man die nahezu unendliche Fülle von möglichen und denkbaren Operationsobjekten unter didaktischen und lerntheoretischen Gesichtspunkten zu ordnen, so bietet sich das Begriffspaar

Anschauungsgehalt und Abstraktionsgrad

als Kriterium an. Es bildet die äußersten Pole einer Skala.

Auf der einen Seite steht das Realobjekt; es ist in höchstem Maße anschaulich und zugleich überhaupt nicht abstrakt. Auf der anderen Seite stehen Zeichen bzw. Symbolsysteme wie die Sprache und sprachlich formulierte Gedanken oder Formelsysteme der einzelnen Fachwissenschaften; sie sind überhaupt nicht anschaulich und zugleich in höchstem Maße abstrakt.

Jedes einzelne Operationsobjekt lässt sich zwischen den beiden Eckpunkten einordnen. Für seine Beschaffenheit gilt der folgende Zusammenhang:

  • Je größer der Anschauungsgehalt, desto geringer der Abstraktionsgrad;
  • je geringer der Anschauungsgehalt, desto höher der Abstraktionsgrad.

Zurück zur Übersicht

3.0 Didaktische Folgerungen

Weder der Anschauungsgehalt noch der Abstraktionsgrad von Operationsobjekten sind - didaktisch betrachtet - Werte an sich. Im Unterricht sind Anschauung und Abstraktion weder Selbstzweck noch absolute Werte, sondern sie dienen spezifischen Zielsetzungen. Dabei geht es immer um die gedankliche Durchdringung, Verarbeitung und Aneignung unterschiedlichster Sachverhalte. Vertiefungen dieser Thematik anhand eines repräsentativen  Beispiels finden Sie auf der Webseite
„Der Schmetterling im Unterricht".

Folgende lernpsychologischen Zusammenhänge gelten generell und sollten bei der Auswahl von Operationsobjekten beachtet werden.

  • Ist der Anschauungsgehalt eines Operationsobjektes groß, so vermittelt es in der Regel viel und sehr komplexe Information. Im Allgemeinen motiviert es die Schüler wirkungsvoll, Verallgemeinerung und Abstraktion fallen ihnen jedoch schwer.
  • Hoher Abstraktionsgrad und niedriger Anschauungsgehalt erleichtern es, den Lerninhalt zu überblicken und zu systematisieren. Die Anschauungsferne führt jedoch leicht zum Verlust des Wahrnehmbaren und Vorstellbaren.

Wie weit diese Sachverhalte sich auf den Lernprozess auswirken, ist weitgehend von entwicklungspsychologischen Faktoren abhängig, insbesondere von denen, die PIAGET
formuliert hat. Generell gilt jedoch eine didaktische Paradoxie:

  • Abstrakte Sachverhalte müssen anschaulich bearbeitet werden. Dennoch darf dabei der spezifische Charakter abstrakten Denkens nicht verloren gehen.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die modernen elektronischen Medien - Fernsehen bzw. Video, PC und Internet. Sie eröffnen völlig neue didaktische Möglichkeiten und Horizonte. Gerade dadurch machen sie jedoch auch ausgeprägtes Problembewusstsein und entsprechendes didaktisches Urteilsvermögen erforderlich.
Materialen zu diesem Komplex finden Sie auf der Webseite "Die Nutzung elektronischer Medien (TV, Video, PC, Internet)".

Zusammengefasst lässt sich sagen:

Anschauung und Abstraktion müssen sinnvoll und ausgewogen zusammenwirken. Anschauung stellt die Beziehung des Unterrichts zur Lebenswirklichkeit her,
Abstraktion hilft diese zu durchdringen und zu verstehen.

Unterricht muss abstrakte Sachverhalte anschaulich vermitteln
und anschaulich in abstraktes Denken einführen.

Zurück zur Übersicht

4.0 Verarbeitung und Umformung von Wirklichkeit

Unterricht, verstanden als Durchdringung und Verarbeitung von Wirklichkeit, führt immer wieder auch zu Umformungen von Wirklichkeit. Dieser Sachverhalt ist so häufig und selbstverständlich, dass er oft nicht reflektiert wird. Deshalb ist es nützlich, einen Überblick über die generell möglichen Umformungen zu gewinnen.

Diesen Überblick leistet eine von  Ernst RIEDEL und Harald KÖNIG, 1973, S. 112) entwickelte Matrix aus Anschauungsbereich und Zielbereich. Die drei Kategorien Realität, Abbildungen und Symbole werden darin zu neun Umformungsmöglichkeiten kombiniert. Es handelt sich dabei um Idealtypen, die den Sachverhalt durchsichtig machen sollen. Übergangs- und Zwischenformen bleiben absichtlich außer Betracht.

 

Anschauungs
bereich

Zielbereich
Realität Abbildungen Symbole

Realität

Realität umformen
z.B. Vorgang verändern
Realität abbilden
z.B. Vorgang zeichnerisch abbilden
Realität in Zeichen umsetzen
z.B. Vorgang beschreiben
Abbildungen Abbildungen realisieren
z.B. gezeichneten Vorgang ausführen
Abbildungen umformen
z.B. Zeichnungen verändern
Abbildungen in Zeichen umsetzen
z.B. gezeichneten Vorgang beschreiben

Symbole

Zeichen realisieren
z.B. beschrieben Vorgang ausführen
Zeichen in Abbildungen umsetzen
z.B. beschriebenen Vorgang zeichnen
Zeichen umformen
z.B. Zahlen des Zehnersystems in duale Zahlen verwandeln

Zurück zur Übersicht

5.0 Was leisten Medien?

Auch die Entscheidung für ein Medium (vgl. oben Nr. 1.0) ist nicht beliebig, sondern muss Folgen und Rückwirkungen berücksichtigen.

Für Organisation und Verlauf des Unterrichts ist es durchaus erheblich, mit welchem Medium ein Operationsobjekt präsentiert wird. Zeigt man z. B. eine Karikatur mit Folie und Tageslichtprojektor, so wird das die Aufmerksamkeit der Lerngruppe eher bündeln. Legt man sie jedem Schüler als Kopie vor, so bahnt man damit eher individuelle Arbeit an.

Für die präzise Planung und erfolgreiche Durchführung von Unterricht ist es besonders wichtig, die spezifischen Leistungen und Schwächen von Medien einschätzen zu können, zumal die in Nr. 4.0 beschriebenen Umformungen von Wirklichkeit auch deren Veränderung bewirken.

Im Folgenden werden Medien lediglich in der Funktion betrachtet, Stellvertreter einer Realsituation zu sein; die Aufzählung nennt Beispiele.

Medien und die von ihnen vermittelten Informationen (Operationsobjekte) können

  • seltene Erfahrungen bereitstellen;
  • räumlich oder sachlich nicht zugängliche Realobjekte vergegenwärtigen,
    z.B. durch Simulationen;
  • sinnlich nicht zu erfassende Realobjekte anschaulich machen, z.B. Strukturen des Mikrokosmos vergrößern (Atommodelle, Molekülmodelle) oder Strukturen des Makrokosmos komprimieren (Globus, Sonnensystem);
  • normalerweise nicht wahrnehmbare Vorgänge nachvollziehbar oder sichtbar machen, z.B. durch Raffen, Dehnen, Betonen, Weglassen (Trickfilm, Zeitraffer, Zeitlupe, Standbild);
  • komplexe Sachverhalte übersichtlich und einsichtig machen, z.B. durch Vereinfachen, Hervorheben, Weglassen, Auswählen, Isolieren, Veranschaulichen;
  • Informationen unterschiedlichster Art festhalten, d.h. aufnehmen, aufbewahren, wiedergeben.

Zurück zur Übersicht

6.0 Leitfragen für die Auswahl von Medien/Operationsobjekten

Wie aus den vorstehenden Ausführungen folgt, unterliegen Medien und Operationsobjekte dem Prinzip der Wechselwirkung, das alle Bedingungsfelder und Entscheidungsfelder des Unterrichts miteinander verknüpft.

Deshalb werden hier einige Leitfragen vorgelegt, die im Sinne einer Checkliste dazu beitragen können, wichtige Aspekte zu ermitteln.

  • Erfordert die Entscheidung für einen bestimmten Unterrichtsgegenstand die Verwendung bestimmter Medien/Operationsobjekte?
  • Legt die Zielvorstellung die Wahl eines bestimmten Mediums/Operationsobjektes nahe?
  • Folgt aus der Entscheidung für bestimmte Unterrichtsverfahren ein Hinweis auf notwendig einzusetzende Medien/Operationsobjekte?
  • Verlangen bestimmte individuelle oder organisatorische Voraussetzungen die Verwendung bestimmter Medien/Operationsobjekte?
  • Welche Auswirkungen oder Rückwirkungen folgen für andere Entscheidungsfelder (Unterrichtsvariablen) aus der Absicht, ein bestimmtes Medium/Operationsobjekt zu verwenden?

7.0 Literaturgrundlage 

Die Literaturgrundlage für diesen und die weiteren Bausteine zum Thema "Medien" finden Sie hier.


Zurück zur Übersicht
Home ] Nach oben ] Zurück ] Weiter ]


Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
-