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Ein Rahmenmodell der Motivation

Forschungsstand und Anwendungsmöglichkeiten

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Fragestellungen und Themenfelder
      2.1 Lernmotivation – ein facettenreicher Gegenstand der Forschung
      2.2 Das Rahmenmodell der Lernmotivation
3.0 Die fünf Betrachtungsebenen der Forschung
      3.1 Eigenschaftstheoretischer Ansatz
      3.2 Lerntheoretischer Ansatz
      3.4 Differenzierung des kognitiven Ansatzes
      3.5 Selbstbestimmung
4.0 Folgerungen
5.0 Literaturgrundlage

1.0 Das Problemfeld

In den vergangenen Jahrzehnten beschäftigten sich immer wieder neue Forschungsansätze mit dem Thema Motivation; sie führten jeweils zu wichtigen Erkenntnissen. Weil sich der theoretische Blickwinkel mehrfach änderte, wurden jedoch immer wieder neue Probleme aufgegriffen. 

Wegen unterschiedlicher Interpretationen des Motivationsgeschehens führte die Summe der Erkenntnisse keineswegs zu einer in sich stimmigen Gesamttheorie der Lernmotivation. Das hat bei vielen Schulpraktikern Enttäuschung und Resignation bis hin zu Abwehr ausgelöst.

Vor diesem Hintergrund hat Andreas KRAPP (1993) den Stand der Forschung mit beachtlichen Ergebnissen gesichtet. Wie er herausarbeitet, lassen sich die unterschiedlichen Konzepte und Befunde der Forschung zu einer sinnvollen Struktur integrieren, wenn man sie innerhalb eines Rahmenmodells der Motivation betrachtet. Dessen Struktur und wesentliche Inhalte werden auf dieser Webseite zusammengestellt.

Neuerdings haben Wolfgang EDELMANN (2000, S. 240 – 275) und Ruth RUSTEMEYER (2004, S. 11 – 52) die motivationalen und emotionalen Einflussfaktoren für Lernleistung übersichtlich und kompakt aufgearbeitet.

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2.0 Fragestellungen und Themenfelder

2.1 Lernmotivation – ein facettenreicher Gegenstand der Forschung

Der Begriff »Lernmotivation« bezeichnet die Strukturen und Prozesse, die Zustandekommen und Ergebnisse von Lernen bzw. Lernhandlungen erklären. Die folgenden Darlegungen konzentrieren sich auf das bewusst gesteuerte, bestimmten Zielen geltende Lernen in der Schule.

Folgende Fragen bedürfen der Antwort:

  • Warum wird ein Lernender aktiv?
    Wie kann sein Antrieb, die „motivationale Kraft“ erklärt werden?

  • Woher kommt die Zielgerichtetheit?
     Wie sind die Ziele des Lernens innerseelisch repräsentiert,
     und auf welche Weise beeinflussen und steuern sie unser Verhalten?

  • Warum wird die Anstrengung des Lernens im Hinblick auf ein bestimmtes
     Ziel durchgehalten?
     Wie erklären sich Konzentration, Arbeitseifer und Durchhaltevermögen?

Allgemein formuliert, geht es um die drei Ebenen

  • Aktivierung und Energetisierung,

  • Orientierung und Richtung

  • Aufrechterhaltung und Persistenz.

Übereinstimmend wird in allen Ansätzen zwischen Motiv und Motivation unterschieden.

  • Der Begriff »Motiv« bezeichnet eine Disposition, eine relativ konstante und situationsunabhängige Verhaltenstendenz des Lernenden.

  • »Motivation« ist dagegen ein Komplex von Variablen in der Person und im Umfeld des Lernenden, die in einer bestimmten Situation zu allgemeiner Aktivierung und spezifischer Orientierung von dessen Lernen führen.

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2.2 Das Rahmenmodell der Lernmotivation

Probleme und Komponenten der Lernmotivation lassen sich systematisch strukturieren, wenn sie innerhalb eines Rahmenmodells sinnvoll aufeinander bezogen werden. KRAPP, 1993, S. 189, unterscheidet dazu sechs für die Lernmotivation bedeutsame Sachverhalte bzw. Bereiche, und zwar

1. aktualisierte Lernmotivation,
2. aktuelle Bedingungsfaktoren der Lernmotivation,
3. frühere Entwicklungsbedingungen der Lernmotivation,
4. kognitive und emotionale Prozesse während der Lernhandlung,
5. unmittelbare Wirkungen und Ergebnisse der Lernhandlung,
6. mittelbare Folgen und übergeordnete Ziele.

3.0 Die fünf Betrachtungsebenen der Forschung

Im Wechselspiel der Forschungsansätze lassen sich nach KRAPP fünf Betrachtungsebenen benennen. Jeder Ansatz hat jeweils wichtige Erkenntnisse zum Verständnis der Motivation geleistet, zeichnet sich jedoch auch durch „blinde Flecken“ aus. Die Hauptaspekte der einzelnen Ansätze  werden im folgenden im Anschluss an KRAPP referiert. Vertiefungen dazu finden Sie auf den Webseiten, die einzelne Themen detailliert behandeln.

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3.1 Eigenschaftstheoretischer Ansatz

Dieser Ansatz sieht in den psychischen Dispositionen des Lerners die Quelle der Lernmotivation. Im Anschluss an HECKHAUSEN wurde vor allem die Ausprägung des Leistungsmotivs, insbesondere in ihren Ausformungen als Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg, untersucht.

Insgesamt sieben Motivklassen lassen sich beschreiben:

  • Pflichtgefühl gegenüber den Forderungen der Gesellschaft,

  • Identifikation mit
    o den Eltern,
    o den Lehrern,
    o der Lerngruppe,

  • Leistungsehrgeiz,

  • egoistische Motive,

  • Erkenntnismotiv: Wissbegier, Erkenntnisstreben.

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3.2 Lerntheoretischer Ansatz

Dieser Ansatz interpretiert Lernmotivation als Ergebnis externer Verhaltenssteuerung. Lernbereitschaft ist keine stabile Eigenschaft, sondern unterliegt Schwankungen. Die Anstrengungsbereitschaft ist variabel, weil sie von äußeren Bedingungen der Lernsituation abhängt, insbesondere den erlebten Konsequenzen voraufgegangener Lernhandlungen.

Im behavioristischen Verständnis von Lernen kommen alle wichtigen Einflussfaktoren des Lernens von außen. Das gilt nicht nur für das klassische Konditionieren, sondern auch für das operante (instrumentelle) Konditionieren, auch als Erfolgslernen bezeichnet.

Die Grenzen dieses Ansatzes liegen in zwei Tatsachen:

  • Neben extrinsisch verlassten Lernhandlungen gibt es offenkundig auch intrinsisch ausgelöste;

  • die Dynamik von Lernprozessen lässt nur dann angemessen beschreiben, wenn kognitive Vorgänge einbezogen werden.

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3.3 Kognitiver Ansatz

Dieser Ansatz sieht Handeln im wesentlichen als durch ein Zweck-Mittel-Kalkül begründet. Die motivationale Dynamik folgt aus Überlegungen, Einschätzungen und Bewertungen des möglichen Nutzens, den eine Handlung haben kann. Das Kalkül lautet:

Werden die erwünschten Folgen eintreten, 
die unerwünschten nicht eintreten?

HECKHAUSEN erweitert 1980 seinen Ansatz in diesem Sinne, beschränkt sich aber weiterhin auf die leistungsthematische Komponente. Die Einschätzungen des Lerners beziehen sich also auf den möglichen Erfolg oder Misserfolg einer Lernhandlung. Über die Verwirklichung einer Intention werden keine Aussagen gemacht.

Vertiefungen dazu finden Sie auf den Webseiten "Grundfragen der Motivation" und "Leistungsmotivation".

3.4 Differenzierung des kognitiven Ansatzes

Das kognitive Verständnis von Lernen muss jedoch vielfältige empirisch gesicherte Fakten einbeziehen. Das führte zu einer differenzierten Betrachtungsweise, die im wesentlichen durch drei Aspekte geprägt ist.

  • Vollzug einer Handlung
    Eine Lernhandlung kann aus der Freude daran veranlasst sein, 
    sich mit einer Sache zu beschäftigen.

  • Selbstwirksamkeit
    Aus den Ergebnissen seiner Lernbemühungen schliesst der Lernende auf seine Fähigkeiten. Er festigt oder ändert seine Selbsteinschätzung und die darauf beruhende Erwartung seiner Selbstwirksamkeit.

  • motivationale Orientierung
    Lernen kann durch Fremdbewertung, durch Selbstbewertung, durch die Annäherung an ein Oberziel und damit verbundene Nebenwirkungen beeinflusst werden. Wichtig ist dabei die Art der bevorzugten Gütemaßstäbe – 
         Lernen wegen der Note oder um der Sache willen.

Daraus ergeben sich zwei Pole:

o Aufgabenorientierung
   Ziel ist die Beherrschung der Sache.

o Ich-Orientierung
   Dem Lernenden kommt es darauf an, im Vergleich mit anderen Lernern 
   einen möglichst hohen Rang einzunehmen.

Bei beiden Lerntypen können die Lernenden gleich hoch motiviert sein, doch ist die Qualität der Lernergebnisse bei der Aufgabenorientierung meist wesentlich größer. Hier werden interessenbezogene Lernangebote bevorzugt; besonders gute Leistungen werden in der Kenntnis von grundlegenden Prinzipien und dem Verständnis von Zusammenhängen erzielt.

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3.5 Selbstbestimmung

Jeder der dargestellten Ansätze hat weiterhin seinen Erkenntnis vermittelnden Stellenwert und kann deshalb didaktisches und erzieherisches Handeln unterstützen. 

Dennoch reichen sie nicht bis in das Zentrum pädagogischer Praxis: Die Bedeutung persönlicher Präferenzen und Interessen bleibt ungeklärt, die Entstehung und Wirkungsweise einer selbstbestimmten Motivation wird nur in Ansätzen berührt, obwohl die wichtigste Aufgabe von Erziehung darin besteht, Hilfe bei der Entwicklung zur selbstbestimmten Person zu leisten. Sie vernachlässigen auch die Tatsache, dass es Menschen sehr wichtig ist, sich als Urheber ihrer Handlungen erleben zu können.

Grundlage für ein produktives Verständnis ist das Konzept der intrinsischen Motivation. Edward L. DECI und Richard M. RYAN, 1993, verstehen die eigene Entscheidung als den ausschlaggebenden Motivationsfaktor. Autonomie ist die subjektiv wahrgenommene Handlungsursache. Im individuellen Selbst wirken drei Faktoren dynamisch zusammen und streben nach einem immer höheren Grad der Integration; es sind dies die drei grundlegenden Bedürfnisse nach

  • sozialer Eingebundenheit,

  • Kompetenz,

  • Autonomie.

Dieses Geschehen veranlasst das Individuum auf allen Ebenen des Wissens- und Kompetenzerwerbs zu vielfältigen Lernprozessen.

So betonen DECI und RYAN (1993, S. 226 f.), dass extrinsisch motivierte Handlungen in selbstbestimmte übergehen können. Wenn sich das Individuum sozial vermittelte Ziele und Verhaltensnormen zu eigen gemacht und in das Selbstkonzept integriert hat,

 kann es sich anderen Menschen verbunden fühlen
 und zugleich sein Handeln als selbstbestimmt erleben
.

Andreas KRAPP hat kürzlich (2005) das Konzept der »grundlegenden psychologischen Bedürfnisse« vertiefend erörtert. Auch er stellt drei Basiskategorien in den Mittelpunkt seiner Überlegungen (a.a.O., S. 637:

  • Kompetenzerfahrung,

  • Erleben von Autonomie,

  • soziale Eingebundenheit.

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4.0 Folgerungen

Obwohl sich DECI und RYAN überzeugender als andere mit der auf Selbstbestimmung beruhenden Motivation auseinandergesetzt haben, blieb die inhaltliche Seite der Lernmotivation außer Betracht. Kein Lernender kann alles gleichzeitig lernen, also muss er auswählen. Damit ergibt sich die Frage nach den Kriterien seiner Auswahl.

In diesem Zusammenhang verdient das Interessenkonzept Aufmerksamkeit. Vertiefungen dazu finden Sie aus der Webseite „»Interesse« – Eine Chance, ein Dilemma zu überwinden?“.

Interesse kann als die besondere Beziehung verstanden werden, 
die ein Individuum einem Erfahrungs- und Wissensbereich entgegenbringt.

Zumindest die höher entwickelten Interessen sind Bestandteil des individuellen Selbstkonzepts und bestimmen langfristig die Identität einer Person. Darum sind daraus folgende Intentionen und Lernziele mit dem Selbst verbunden. Das Individuum erlebt das Lernen als vom Selbst bestimmt.

  • Somit liegen Handlungsverursachung und -kontrolle im Kernbereich der eigenen Person; der Widerspruch zwischen Sollen und Wollen ist gegenstandlos
         SSchon MONTESQUIEU hat sich zu diesem Problem geäußert:

„Freiheit ist die Möglichkeit, zu tun, was man wollen soll.“

Das mag paradox oder gar zynisch klingen, doch kann die Selbstbestimmung eines Individuums auch darin bestehen, aus eigener Einsicht und in eigenem Interesse das zu tun, was ihm sonst – Sachnotwendigkeit und Legitimation vorausgesetzt – aufgetragen werden müsste.

Im Rahmenmodell nicht behandelt wird eine Problematik, die in letzter Zeit als die »Theorie der motivationalen Handlungskonflikte« vor allem von Hans HOFER und Heinz REINDERS erörtert wird. Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite "Motive schulischen Lernens".

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5.0 Literaturgrundlage

Hier werden nur die Titel genannt, auf die im vorstehenden Text direkt verwiesen wird. 
Die Literaturnachweise für die weiteren Webseiten dieses thematischen Bereiches 
finden Sie hier.
Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.

  • Edward L. DECI – Richard M. RYAN
    Intrinsic motivation
    New York 1975, Plenum Press

  • dies.
    Intrinsic motivation and self-determination
    in human behavior
    New York 1985

  • dies.
    Die Selbstbestimmungstheorien der Motivation
    und ihre Bedeutung für die Pädagogik
    Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993), H. 2, 223 - 238

  • Wolfgang EDELMANN
    Emotionale und motivationale Aspekte des Lernens
    in:
    Lernpsychologie
    Weinheim 2000, 6. Auflage, S. 240 - 275

  • Andreas KRAPP
    Die Psychologie der Lernmotivation
    Perspektiven der Forschung und Probleme ihrer pädagogischen Rezeption
    Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) Nr. 2, 187 - 206

  • ders.
    Das Konzept der grundlegenden psychologischen Bedürfnisse
    Ein Erklärungsansatz für die positiven Effekte von Wohlbefinden
    und intrinsischer Motivation im Lehr-Lerngeschehen
    Zeitschrift für Pädagogik 51 (2005) Nr.5, S. 626 – 641

  • Ruth RUSTEMEYER
    Motivationale und emotionale Einflussfaktoren für Lernleistung
    auf Seiten der Schülerinnen und Schüler
    in:
    Einführung in die Unterrichtspsychologie
    Darmstadt 2004


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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