[ Home ] Nach oben ] Zurück ] Weiter ]

Leistungsmotivation

Erfolg, Misserfolg und deren Ursachenzuschreibung

Übersicht
1.0 Begriffe und Klärungen
2.0 Ein Prozessmodell der Motivation
3.0 Die Entwicklung der Leistungsmotivation
4.0 Erfolg und Misserfolg als Faktoren der Motivation
      4.1 Das Problem
      4.2 Hoffnung auf Erfolg vs. Furcht vor Misserfolg
      4.3 Zielorientierung: Aufgaben vs. Leistung
5.0 Entwicklung der Ursachenzuschreibung
      5.1 Generelle Aspekte
      5.2 Differenzierungen
      5.3 Hinweis zu den verwendeten Begriffen
6.0 Literaturgrundlage

1.0 Begriffe und Klärungen

Vorab im Anschluss an Walter EDELMANN (2002, S. 256) vier Begriffsklärungen.

  • Ziel des Leistungsmotivs ist ein Erfolg bei der Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab.

  • Ein aktuelles Leistungshandeln findet dann statt, wenn die Hoffnung auf Erfolg die Furcht vor Misserfolg überwiegt. Zusätzlich können Belohnung bzw. Zwang dazu beitragen.

  • Leistungsmotiv ist das Vermögen, Erfolg als Ergebnis interner Faktoren – Fähigkeit, Anstrengung – zu erleben.

  • Leistungsmotivation besteht also aus den beiden Faktoren Erfolgsorientierung und Anstrengungsbereitschaft.

2.0 Ein Prozessmodell der Motivation

Heinz HECKHAUSEN (1980 a, S. 619 ff., 1980 b, S. 7 ff.) hat ein Prozessmodell der Motivation vorgestellt, dem als Prinzip die Selbstregulierung der handelnden Person zugrunde liegt. Er unterscheidet fünf Abschnitte:

1. Eine Situation wird von einem Individuum als Aufforderung zum Handeln verstanden.
2. Dadurch werden kognitive Prozesse ausgelöst, insbesondere die Überlegung, ob mit einem Erfolg gerechnet werden kann, sowie die Setzung eines Zieles oder – allgemeiner formuliert – Gütemaßstabes. Diese Phase wird als Motivation bezeichnet.
3. Die Motivation löst ein Handeln, eine Ausführung aus.
4. Die Ergebnisse des ausführenden Handelns veranlassen die handelnde Person dazu, sich selbst zu bewerten.
5. Die Selbstbewertung führt zu Konsequenzen für das weitere Handeln.

Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite "Grundfragen der Motivation" unter Nr. 4.

Im Verlauf der menschlichen Entwicklung wird der dargestellte Verlauf immer differenzierter und komplexer. Insbesondere entsteht ein Anspruchsniveau, d.h., ein Gütestandard wird gesetzt. Außerdem entwickelt sich eine individuelle Vorstellung von den Ursachen der persönlichen Erfolge und Misserfolge. Auch soziale Bedingungen, z.B. Verhaltenserwartungen wichtiger Bezugspersonen oder Furcht vor Prestigeverlust haben auf diesen Prozess Einfluß.

Zurück zur Übersicht 

3.0 Die Entwicklung der Leistungsmotivation

Die Erkenntnis, dass zwischen Handlungsergebnis und eigenem Ich ein Zusammenhang besteht, ist ein wesentlicher Faktor der Leistungsmotivation. Erst wenn das Kind die Ursachen für Erfolg und Misserfolg in der eigenen Person sucht, kann von Leistungsmotivation gesprochen werden.

Folgende Etappen auf dem Weg zur Leistungsmotivation lassen sich beschreiben:

1.

Freude am Effekt
Das kleine Kind führt, zunächst zufällig, dann mehr und mehr absichtlich, Effekte herbei und erlebt das als lustvoll. Dieses Handeln bedarf keiner sozialen Verstärkung, sondern wirkt selbstbelohnend.

2.

Selbermachen
Der Wunsch, etwas selbst zu machen, folgt recht bald aus der Freude am Effekt. Das Kind erkennt sich selbst als Urheber des Handlungseffekts.

3. Unterscheidung von Tüchtigkeits- und Schwierigkeitsklassen
Freude am Effekt und am Selbermachen sind nicht von vornherein leistungsorientiert. Dazu muss eine wichtige kognitive Leistung hinzukommen, und zwar zwischen schwierigen und leichteren Aufgaben, zwischen 'besser' und 'schlechter' zu unterscheiden.

Leicht kann ein Kind Tüchtigkeitsklassen im Zusammenhang mit eigenen Handlungseffekten unterscheiden, wenn ein anschaulicher Vergleich möglich ist. Handelt es sich um Leistungen, die komplexer sind oder deren Effekte nicht offenkundig zugeordnet werden können, so vermag das Kind solche Tüchtigkeitsunterschiede nur schwer zu erkennen. Es kann dann nur fehlerhaft einschätzen, zu welcher Leistung es fähig ist.

4. Aufbau von Tüchtigkeitsmaßstäben

Für die Leistungsmotivation ist wesentlich, dass der Effekt eigenen Handelns an einem Tüchtigkeits- oder Gütemaßstab gemessen wird. Eine Leistung, die dem angezielten Wert entspricht, wird als Erfolg empfunden, liegt sie niedriger als der angezielte Wert, wird sie als Misserfolg wahrgenommen.

Gütemaßstäbe können aus der Auseinandersetzung mit der 'Sache selbst' hervorgehen oder sozial vermittelt werden.

Allgemein werden die Normen zwischen zu leichten und zu schweren Aufgaben gesetzt. Die Setzung eines Gütemaßstabes wird seit Kurt LEWIN (1926) als »Anspruchsniveau« bezeichnet, weil er als Anspruch an die eigene Leistung erlebt wird.

5. Drei Stadien des Leistungsmotivs

Das Leistungsmotiv ist zunächst autonom; das kleine Kind vergleicht seine Leistungen nicht mit denen anderer Kinder, sondern nur mit eigenen früheren Leistungen. Im Schulalter entwickelt sich aus der Orientierung an den Standards der Bezugsgruppe ein sozial-normatives Leistungsmotiv. In der weiteren Entwicklung kann sich ein integriertes Leistungsmotiv entfalten, in dem beide Motivarten zusammengeführt werden.

Gütemaßstäbe können dann in verschiedenen Lebensbereichen sowohl sozial-normativ als auch individuell-autonom vermittelt bestehen und nebeneinander existieren.

Zurück zur Übersicht 

4.0 Erfolg und Misserfolg als Faktoren der Motivation

4.1 Das Problem

Sind Aufgaben zu leicht, so ist der Erfolg gewiss, sind sie zu schwer, so ist von vornherein mit einem Misserfolg zu rechnen. Im ersten Fall ist eine Anstrengung nicht nötig, im zweiten ist sie sinnlos. Mithin besteht eine Leistungsmotivation vor allem dann, wenn sowohl Erfolg als auch Misserfolg möglich sind oder für möglich gehalten werden.

Für die innere Einstellung, mit der Schüler an die Bearbeitung von Aufgaben herangehen, ist es entscheidend wichtig, ob sie eher Erfolge erzielen oder aber Misserfolge vermeiden wollen.

4.2 Hoffnung auf Erfolg vs. Furcht vor Misserfolg

Menschen werden nicht nur durch die Hoffnung auf Erfolg motiviert. Leistungen können auch das Ergebnis von Furcht vor Misserfolg sein. Grundsätzlich werden in jedem Menschen beide Motivstrukturen wirksam. Wichtig ist jedoch, ob eine der beiden Motivstrukturen überwiegt, weil dann wesentliche Unterschiede im Verhalten zu Leistungen auftreten. Die Entstehungsursachen dieser Orientierungen werden auf der Webseite „Streben nach Erfolg, Vermeiden von Mißerfolg – Anmerkungen zu deren Entstehungsursachen behandelt.

Für die Anforderungen im Unterricht bedeutet das:

  • Eine Aufgabe muss einen gewissen Schwierigkeitsgrad haben, wenn sie einen erfolgsorientierten Schüler zu einer Bearbeitung anregen soll.

  • Sie darf aber nicht so schwer sein, dass ein misserfolgsorientierter Schüler die Lösung für unmöglich hält. Wird er nämlich durch die Umstände zu einer Bearbeitung gezwungen, so wird er mit geringer Anstrengung arbeiten und dabei oft die Möglichkeiten seiner tatsächlich vorhandenen Befähigung ungenutzt lassen.

Generell sollte der Unterricht den Schülern Erfolgserlebnisse ermöglichen.

  • Bei niedrig motivierten Schülern steigert Erfolg die Leistung, Misserfolg entmutigt sie.

  • Hoch leistungsmotivierte Schüler werden durch Misserfolge i.d.R. zu eher noch intensiveren Anstrengungen angeregt.

Die Neigung, Erfolg anzustreben bzw. Misserfolg zu vermeiden, folgt jeweils aus drei analogen Faktoren (EDELMANN 2002, S. 253):

  • Erfolgsmotiv

  • subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit

  • Erfolgsanreiz

  • Misserfolgsmotiv

  • subjektive Mißerfolgswahrscheinlichkeit

  • Misserfolgsanreiz

Die Neigung, eine Leistungsaufgabe auszuführen, folgt aus dem Zusammenwirken der beiden Tendenzen und wird in der folgenden Tabelle (a.a.O.) dargestellt.

Hoffnung auf Erfolg Furcht vor Misserfolg Leistungsmotivation
hoch  niedrig  hoch
hoch  hoch  mittel
niedrig  niedrig  mittel
niedrig  hoch  niedrig

Zurück zur Übersicht 

4.3 Zielorientierung: Aufgaben vs. Leistung

Die vorstehenden Ausführungen erfassen nicht alle Aspekte der motivationalen Zusammenhänge. Deshalb haben verschiedene Autoren, unter ihnen vor allem Carol S. DWECK (vgl. dazu Ruth RUSTEMEYER, 2004, S. 37) die hier erörterten Fakten unter einem anderen Blickwinkel – dem der Zielorientierung – interpretiert.

Zu unterscheiden ist zwischen Lernenden,

  • die vor allem die Beherrschung von Aufgaben und die Erweiterung der eigenen Kompetenz anstreben;

  • die vorrangig versuchen, Kompetenz zu demonstrieren bzw. nicht vorhandene Kompetenz zu verbergen.

Diese Zielunterschiede führen sowohl im Leistungsverhalten als auch in der Interpretation von Erfolg und Misserfolg zu pädagogisch relevanten Unterschieden.

Im Mittelpunkt der Überlegungen steht die »implizite Theorie der Intelligenz« von Lernenden.

  • Wer sich zutraut, seine Intelligenz durch Übung und Anstrengung entwickeln 
    und erweitern zu können, orientiert sich an Lernzielen.

  • Wer jedoch seine Intelligenz für unveränderlich hält, strebt danach, 
    die vorhandenen Fähigkeiten gut zur Geltung zu bringen und die nicht vorhandenen zu verbergen.

Zurück zur Übersicht 

5.0 Entwicklung der Ursachenzuschreibung

5.1 Generelle Aspekte

Die Entstehung des Leistungsmotivs ist eng mit der Entstehungsgeschichte der Selbstverantwortlichkeit verbunden. Jeder Mensch versucht, Effekte seines Handelns Ursachen zuzuschreiben (»Kausal-Attribuierung«), unabhängig davon, ob diese Erklärungen zutreffen oder nicht.

Die Gründe für Erfolg und/oder Misserfolg können außerhalb der eigenen Person gesehen, also dem Zufall oder dem Schwierigkeitsgrad der Aufgabe zugerechnet werden. Sie können andererseits der eigenen Anstrengung und/oder Fähigkeit zugeschrieben und als innerhalb der eigenen Person liegend betrachtet werden. Dabei gelten Fähigkeit und Aufgabenschwierigkeit als stabile Faktoren, Anstrengung und Zufall als variable Faktoren. Die folgende Tabelle stellt das zusammen.

  internal  external
stabil  Fähigkeit  Schwierigkeit
variabel  Anstrengung  Zufall

Für die Entwicklung des Leistungsmotivs ist wesentlich, dass Handlungseffekte Anstrengung und Fähigkeit zugeschrieben werden. Den Zusammenhang von Anstrengung und Effekt erkennt das Kind schon erstaunlich früh, den von Fähigkeit und Effekt wegen fehlender Anschaulichkeit erst spät. Auch der Zusammenhang zwischen Anstrengung und Fähigkeit wird erst recht spät wahrgenommen.

Leistungen mit der eigenen Fähigkeit in Beziehung zu setzen, dürfte im Jugend- und Erwachsenenalter eine besonders wichtige Komponente der Leistungsmotivation sein. Nur wer sich selbst eine hohe oder wenigstens angemessene Fähigkeit zuschreibt, kann ein optimales Motivationsniveau entwickeln. Andernfalls sieht das Individuum seine Leistung durch Zufälle und durch den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe gefährdet.

Generell dürfte folgender Zusammenhang gelten:

  • Erfolgsorientierte Menschen
    schreiben positive Handlungsresultate der eigenen Befähigung zu – unabhängig von deren tatsächlicher Höhe. Misserfolge deuten sie als Ergebnis mangelnder Anstrengung oder auch von Zufällen.

  • Misserfolgsorientierte Menschen 
    hingegen sehen die Ursache für Erfolge eher im Zufall als in der eigenen Fähigkeit. Misserfolge empfinden sie als Ergebnis mangelnder Fähigkeit.

Zurück zur Übersicht 

5.2 Differenzierungen

Die vorstehenden Zusammenhänge werden im Lichte der Zielorientierung noch präziser ausdifferenziert (Falko RHEINBERG, 2004, S. 91).

  • Wer seine Intelligenz für entwicklungsfähig hält und einen Lernzuwachs anstrebt, führt Misserfolge auf mangelnde Anstrengung zurück und versteht sie als Ansporn dazu, sich mehr Mühe zu geben.

    Solche Schüler sind dazu motiviert, zu lernen, sich anzustrengen und sich dabei durch Misserfolge nicht entmutigen zu lassen. Sie bemühen sich dabei, den Lernstoff bis in die Tiefe zu verstehen.

  • Wer seine Intelligenz für unveränderlich hält, führt Misserfolge auf mangelnde Fähigkeit zurück und erlebt sie als Bedrohung seines Selbstwertes. Das führt zu geradezu paradoxen Konsequenzen.

    Solche Schüler unterlassen es sich anzustrengen, weil sie Misserfolge dann auf mangelnden Einsatz zurückführen können und nicht als demütigendes Ergebnis unzureichender Befähigung zu empfinden brauchen. Beim Lernen begnügen sie sich damit, den Lernstoff reproduzieren zu können.

5.3 Hinweis zu den verwendeten Begriffen

Die hier vorgestellten Typologien sind Idealtypen, die dem analytischen Verständnis dienen. In der Wirklichkeit einer Schulklasse finden sich die unterschiedlichsten Ausprägungen und Gewichtungen der beiden Komponenten. Bei dieser Sachlage ist es für die Motivation der Schüler besonders förderlich, 

Erfolge immer wieder ausreichender Anstrengungsbereitschaft zuzuschreiben, 
Misserfolge jedoch mangelnder Anstrengungsbereitschaft.

Zurück zur Übersicht 

6.0 Literaturgrundlage

Hier werden nur die Titel genannt, auf die im vorstehenden Text direkt verwiesen wird. 
Die Literaturnachweise für die weiteren Webseiten dieses thematischen Bereiches 
finden Sie hier.
Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.

  • Carol S. DWECK
    Self-theories
    Their role in motivation, personality, and development
    Philadelphia 1999

  • Heinz HECKHAUSEN
    Motivation und Handeln
    Berlin 1980 a

  • ders.
    Lernmotivation im Unterricht – erneut betrachtet
    Unterrichtswissenschaft 8 (1980 b), S. 7 - 47

  • Wulf-Uwe MEYER
    Leistungsmotiv und Ursachenerklärung von Erfolg und Misserfolg
    Stuttgart 1973

  • Falko RHEINBERG
    Motivation
    Stuttgart 2004, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage

  • Ruth RUSTEMEYER
    Motivationale und emotionale Einflußfaktoren für Lernleistungen
    auf Seiten der Schülerinnen und Schüler
    in:
    Einführung in die Unterrichtspsychologie
    Darmstadt 2004


[ Zurück zur Übersicht ]
[ Home ] Nach oben ] Zurück ] Weiter ]


Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
-