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»Interesse«
Eine Chance, ein
Dilemma zu überwinden?
Übersicht
1.0 Der Problemhorizont
1.1 Das Dilemma
1.2 »Interesse« – eine
Lösung des Dilemmas?
2.0 Der Begriff »Interesse« und seine Wortgeschichte
3.0 »Interesse« in der Pädagogik
3.1 Grundlagen
3.2 Probleme
3.3 Folgerungen
4.0 Interesse und Motivation – ein hermeneutischer
Zirkel
5.0 Tätigkeit als Grundlage interessierten Lernens
5.1 Motivation – ein
„irreführendes Konstrukt“?
5.2 STEINERs Grundgedanken
6.0 Fazit
7.0 Exkurse
7.1 Subjektive und
objektive Schülerinteressen
7.2 Interesse bei HERBART
8.0 Literaturgrundlage
1.0 Der
Problemhorizont
1.1 Das
Dilemma
In der
wissenschaftlichen Literatur und erst recht von den Schulpraktikern wird
immer wieder darauf hingewiesen, dass die gängigen Konzepte von Motivation
in der schulischen Wirklichkeit an harte Grenzen stoßen. Damit entsteht
ein Dilemma – es relativiert trotz aller eindrucksvollen Leistungen
der einschlägigen Forschung deren Ergebnisse und kann Lehrerausbilder
hinsichtlich ihrer Empfehlungen sowie deren unterrichtspraktischer Bewährung
befangen machen.
1.2
»Interesse« – eine Lösung des Dilemmas?
In der gängigen,
oft ideologisch oder auch polemisch eingefärbten Schulkritik wird immer
wieder die Forderung erhoben, man müsse bei den Interessen der Schüler
ansetzen, um die Lähmung des herkömmlichen Unterrichts zu überwinden.
Jedoch auch in der seriösen Forschung der Pädagogischen Psychologie (Hans
SCHIEFELE und Mitglieder seiner Schule: Isolde STEINER, Andreas KRAPP,
ferner Bernd LÖWE) gibt es seit längerem fundierte Überlegungen, ein
leistungsfähiges Konzept zu entwickeln, das auf dem »Interesse« beruht.
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2.0
Der Begriff »Interesse« und seine Wortgeschichte
Bevor der
Begriff »Interesse« auf seine Eignung und Leistung untersucht wird, lohnt
sich ein Blick auf seine Wortgeschichte. Das ist allein schon deswegen
notwendig, weil der alltagssprachliche Gebrauch des Wortes in sich widersprüchlich
und ambivalent, dabei jedoch meist emotional aufgeladen ist.
Das lateinische
Verbum »interesse« heißt 'sich dazwischen befinden',
'dabeisein', 'Anteil nehmen'.
Das Fremdwort »Interesse«
wurde zunächst als Fachausdruck der Rechts- und Handelssprache verwendet.
Es bezeichnete im Schuldrecht
-
Zinsen –
als Zahlungspflicht des Schuldners,
-
Nutzen,
Gewinn und Vorteil – als Anspruch des Gläubigers.
Unter dem
Einfluß des französischen Sprachgebrauches kam ein zweiter
Bedeutungsbereich hinzu; Interesse als
-
Aufmerksamkeit,
Beachtung, Bedeutung, Neigung,
Vorliebe, Teilnahme, Betroffenheit, Engagement.
Eine veraltete
Wortbedeutung von 'interessant' gibt das DUDEN-Fremdwörterbuch an: 'gewinnsüchtig,
eigennützig'. Sie weist in eine dritte Richtung, die sich mit
Egoismus und Kleinlichkeit, Voreingenommenheit und Parteilichkeit
verbindet. Hier finden sich Assoziationen wie
Diese
Bedeutungsaspekte können einen pädagogisch brauchbaren Begriff von
'Interesse' nicht begründen. Die Bedeutungsentwicklung in der
wissenschaftlichen Sprache ist differenziert; sie kann hier im einzelnen
nicht nachgezeichnet werden (s. SCHIEFELE 1979, S. 9 ff.) und mündet in pädagogischen
Denkzusammenhängen ein in
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3.0
»Interesse« in der Pädagogik
3.1
Grundlagen
Für Pädagogik
bedeutsam, beschreibt der Begriff »Interesse« also eine besondere Qualität
der Beziehung von Menschen (Subjekten) zu Gegenständen (Objekten).
Das bedeutet
Verständnis, Erschließung des Gegenstandes, Bereicherung und umfaßt drei
Bereiche:
-
Erkennen
und Verstehen des Gegenstandes,
-
Attraktivität
des Gegenstandes,
-
Beschäftigung
mit dem Gegenstand erschließt Lebenssinn
und vermittelt eine positive Gefühlslage.
Interessen sind
also Orientierungen an Gegenstandsfeldern, die der Mensch aus eigener
Initiative aufnimmt.
Andreas KRAPP
(1992) unterscheidet dabei zwei aufeinander bezogene Ebenen, weil sich
Interesse vom Subjekt auf ein Objekt beziehen oder umgekehrt ein Objekt bei
einem Subjekt Interesse auslösen kann.
Individuelle
Interessen spiegeln persönlichkeitsspezifische Wertvorstellungen und
Handlungsbereitschaften wider. Sie sind im individuellen Wertesystem
verankert, bilden einen Teil des Selbstkonzepts und bestimmen die
Entscheidung über die Verwendung von Zeit und Energie.
Im
Lerngegenstand enthaltene Reizbedingungen lösen beim Lernenden
„interessierte“ Zuwendung aus.
In vereinfachter
Formulierung ergeben sich daraus die Begriffe
-
Interessiertheit
vs.
-
Interessantheit.
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3.2
Probleme
Im Zusammenhang
mit Unterricht und Erziehung ergeben sich zwei Schwierigkeiten.
Subjektive
und objektive Interessen
Spricht man von
den Interessen der Schüler, an denen angeknüpft werden müsse, so wird oft
nicht deutlich genug unterschieden zwischen den
-
augenblicklichen,
subjektiven Interessen, die oft nicht ausgeprägt sind oder nicht
bedeutsam genug sind,
-
und
den objektiven Interessen, die sie im Hinblick auf die für sie wünschenswerte
Entwicklung haben müßten, aber nicht oder nicht deutlich genug
erkennen.
Sieht man die
Hauptaufgabe der Schule darin, die heranwachsende Generation lebenspraktisch
und berufsvorbereitend auszubilden, so können subjektive Interessen
zwar zum Ausgangspunkt des Unterrichts gemacht werden, dürfen jedoch nicht
dessen alleiniger Bezugspunkt werden. Wissen, Kulturtechniken, Fähigkeiten,
Kompetenz, Grundhaltungen sind lebensnotwendig.
Lehrer
sind somit zu der schwierigen Aufgabe berufen, die objektiven Interessen
der Schüler auch gegenüber deren subjektiven Interessen zu vertreten und
notfalls durchzusetzen. Subjektive und objektive Interessen der Schüler
sind jedoch keineswegs so eindeutig zu bestimmen, wie die beiden Begriffe
vortäuschen. Wenn Sie diese Problematik vertiefen wollen, rufen Sie bitte
diesen Exkurs auf.
Die Grenzen
von Interesse
In jeder
Lebenssituation, so auch in der Schule ist das Angebot an Gegenständen
möglichen Interesses größer, als ein Mensch an Hinwendung leisten kann.
Daraus ergeben sich abermals zwei Schwierigkeiten. Die allgemeine
Grundbildung, bewährt und in den Rahmenplänen konkretisiert, ist unerläßlich
und deshalb verbindlicher Lerngegenstand. Deswegen
-
darf
ihre Aneignung durch Lernen nicht zur Disposition des Schülers gestellt
werden, es sei denn im Rahmen von Schwerpunktbildungen;
-
darf
persönliches Interesse nicht zur Bedingung dafür gemacht werden, dass sich ein Schüler mit den Gegenständen des Lehrplans beschäftigt.
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3.3
Folgerungen
Diese nüchternen
Einsichten rechtfertigen nicht etwa eine Überwältigungspädagogik. Im
Gegenteil:
Wenn sich
Schule nicht um die Entwicklung und Entfaltung von Interessen bemüht,
nimmt sie ihren Bildungsauftrag nur unzureichend wahr.
4.0
Interesse und Motivation – ein hermeneutischer Zirkel
Aus den
dargestellten Gründen folgt, dass der Begriff des Interesses die
Grundschwierigkeiten schulischen Lernens nicht auflöst. Dennoch wäre es
falsch, wollte man darauf verzichten, ihn für Unterricht und Erziehung zu
erschließen. Denn Interessen haben sehr wahrscheinlich erheblichen Einfluß
auf den Prozeß und das Ergebnis von Lernen.
Andreas KRAPP (1992) sieht in
seinem Forschungsüberblick die tradierte Überzeugung bestätigt, dass Lehrpläne und Lehrangebot soweit wie möglich auf vorhandene Interessen
abgestimmt werden sollten. So hat schon Heinrich ROTH (1975, S. 230 und 235) geltend
gemacht:
"Wir sind
bemüht, alles Lernen in das natürliche Bedürfnissystem des jungen
Menschen einzubauen ('Interessenverzweigung"). Wir dürfen aber auch
auf die Triebkraft des 'Gegenstandsinteresses um des Gegenstandes
willen' pochen."
"Was wir
erreichen wollen: Der Schüler selbst macht den Lerngegenstand
zum Lernziel."
Offenkundig
besteht hier ein hermeneutischer Zirkel. Eine eindeutige Wirkungsbeziehung
zwischen interessanter Unterrichtsgestaltung und Lernerfolg läßt sich nämlich
nicht hinreichend sicher nachweisen (Bernd LÖWE 1992, S. 9). So kann
der Lernerfolg eines Schülers auf dessen Einschätzung der Interessantheit
des Unterrichts rückwirken. Ebenso können vorhandene Interessen die Einschätzung
der Interessantheit beeinflussen – und zwar unabhängig von der
didaktischen Aufbereitung.
Umgekehrt bleibt
interessante Aufbereitung wirkungslos, wenn Interessen nicht vorhanden oder
nicht geweckt worden sind. Um Unterricht dauerhaft zu verbessern, genügt es
ohnehin nicht, ihn mit vordergründigen Anreizen anzureichern.
Knapp
formuliert, bedeutet das:
ROTH (a.a.O., S.
232) fordert in diesem Sinne, Interessen zu nutzen, um Interesse zu wecken.
Das ist eine
alte Erkenntnis. Der Begründer der modernen Didaktik, Johann Friedrich
HERBART, macht in seiner „Allgemeinen Pädagogik“ (1806) den Begriff
des Interesses zu einer zentralen Kategorie. Er formuliert auf dieser
Grundlage den Zusammenhang wie folgt (HERBART 1818, S. 21 – 31 [21 f.],
in: HERBART 1964, Band 4, S. 527 – 531 [527 f.]:
„Was
also der Unterricht hervorbringen soll, das ist ... Interesse.“
Nach
einer sein Verständnis des Interesses näher ausführenden Passage, die Sie
als Exkurs nachlesen können, heißt es :
„Es
ist zwar eine bekannte pädagogische Vorschrift, der Lehrer müsse suchen,
seine Schüler für das, was er vorträgt, zu interessieren. Allein diese
Vorschrift wird gewöhnlich in dem Sinne gegeben und verstanden, als wäre
Lernen der Zweck, das Interesse aber das Mittel. Dieses
Verhältnis nun kehre ich um.
Das
Lernen soll dazu dienen, dass Interesse aus ihm entstehe.
Das
Lernen soll vorübergehen, und das Interesse soll während des ganzen
Lebens beharren.“
Die
Forderung leuchtet ein, ist aber sehr anspruchsvoll. Johannes FLÜGGE (1979,
S. 80 - 89) setzt sich mit den ihr innewohnenden Schwierigkeiten und
Widersprüchen scharfsinnig, z.T. auch ideologiekritisch auseinander.
Dennoch bezeichnet er »Interesse« als einen Leitbegriff der Pädagogik.
Ob – und wenn ja –
auf welche Weise die Passung von individueller Interessenlage und
schulischen Anforderungen herzustellen ist, bleibt weiterhin (KRAPP 1992, S.
765) ein ungelöstes Problem. Das
kann weder Lehrer noch Lehrerausbilder befriedigen. Darum sei eine tiefschürfende
Arbeit, die dennoch wenig Resonanz gefunden hat, im folgenden kurz
vorgestellt.
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5.0
Tätigkeit als Grundlage interessierten Lernens
5.1
Motivation – ein „irreführendes Konstrukt“?
G.
A. KELLY (1962, zitiert nach SCHIEFELE 1979, S. 5), bezeichnet den
Motivationsbegriff in radikaler Kritik als ein „irreführendes
Konstrukt“, weil er unterstelle, dass der Mensch seiner Natur nach untätig,
statisch sei und ihm deshalb Bewegung, Leben und Handeln von außen
auferlegt werden müssten.
Er
schreibt:
„Leben
besteht darin, dass es sich vollzieht. Da ist nichts, das das Leben
in Bewegung versetzt; dass es sich vollzieht, das eben ist Leben. Nicht
Motive machen den Menschen munter und bringen ihn dazu, etwas zu tun.
Seine Aktivität ist ein Aspekt seiner eigentlichen Existenz.“
Auf
die Bedeutung von Tätigkeit für die Didaktik weist auch Hans AEBLI
hin. Er formuliert (1997, S. 20):
Nicht
Stoff, sondern Tätigkeit ist attraktiv.
Vertiefungen
zu dieser These finden Sie auf der Webseite „Wissen
- Ergebnis von Tätigkeit“. Wollen Sie sich lieber von einem
Bild überzeugen lassen? Bilder sagen bekanntlich mehr als tausend Worte –
klicken Sie hier.
Jerome
S. BRUNER (1975, S. 123) hält den "Willen zum Lernen"
für ein intrinsisches Motiv, das sowohl seine Ursprung als auch seine
Belohnung in seiner Ausübung selbst findet. Der Wille zum Lernen werde nur
unter den spezifischen Bedingungen der Schule zum Problem (ebda.).
"Was
die Schule anbietet, ist oft nicht imstande, die natürlichen Energien,
die spontanes Lernen unterstützen, anzuregen: die Wissbegier, ein Verlangen
nach Kompetenz, das Bestreben, einem Modell nachzueifern, und eine
tiefempfundene Hinneigung zum Gefüge sozialer Reziprozität."
Vor
diesem Hintergrund verdient der Ansatz Isolde STEINERs Aufmerksamkeit.
Deshalb werden dessen für die Planung und Erteilung von Unterricht
bedeutsamen Ergebnisse im folgenden zusammengefaßt und mitgeteilt.
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5.2
STEINERs Grundgedanken
In
deutlicher Anlehnung an PIAGETs und AEBLIs Einsichten hat Tätigkeit in
STEINERs Überlegungen eine zentrale Funktion. Der Mensch eignet sich durch
Tätigkeit Umwelt an und schafft Umwelt.
Für das Interessenmotiv bedeutet
das:
-
Interessen
steuern nicht nur Tätigkeiten, sondern sind vor allem das spezifische
Ergebnis von Tätigkeit.
-
In
der schulischen Lernsituation wird Interesse durch die spezifische
Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand sowie durch die spezifische
Interaktionssituation gefördert oder auch gehemmt.
-
Die
Interessenorientierung hängt von Faktoren ab, in denen
Zielentscheidungen gemäß der eigenen Identität zum Ausdruck kommen.
-
Eine
positive Lernhaltung setzt voraus, dass der Lernende auch die Chance
sieht, Werte, die er reflektiert hat, zu verwirklichen. Lerngegenstände
sollten daher in einen ganzheitlichen, praktischen Zusammenhang
eingebettet werden.
-
Die
Vermittlung von Lerninhalten sollte möglichst einem übergeordneten
Handlungszweck unterstellt werden.
-
Die
Unterrichtsmethode führt am ehesten zu einem interessengeleiteten
Lernhandeln, wenn sie einerseits die Lernsituation strukturiert,
andererseits jedoch nicht völlig determiniert.
-
Anforderungen
des Lehrenden sollten in ermutigender Form vermittelt werden, damit die
Entfaltung interessengeleiteter Lernhandlungen nicht durch Angst- und
Streßwirkungen behindert wird.
-
Für
das Selbstkonzept eines Menschen ist es sehr wichtig, Handeln als das
Ergebnis eigener Kompetenz und eigener Entscheidung zu erleben. Deshalb
sollten die Schüler an der Unterrichtsplanung aktiv beteiligt werden,
denn nur dann können sie zielorientiertes Handeln als Wechselspiel
zwischen Planen und Ausführen erleben.
-
Handlungszwecke
wirken sich günstig auf die Bildung von Zielen aus. Die Vermittlung von
Unterrichtsinhalten sollte deshalb in einem Handlungszweck emotional
verankert werden, der zur Lebenssituation der Schüler in Beziehung
steht.
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6.0
Fazit
Der
Aufwand, der hinter den hier referierten Arbeiten steht, ist – vorsichtig
formuliert – erheblich. Der Praktiker stellt sich die Frage: „Das ist
alles?“ und mag sich sagen: „Darauf wäre ich auch noch selbst
gekommen.“
Zugestanden.
Darum zum Schluß ein schlichtes Motto, in das sich AUSUBELs Darlegungen (1980/81, Band
2 S. 463 - 500) zusammenfassen lassen. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Überlegungen gewinnt
es an Tiefe und Schlüssigkeit.
Nichts
ist so motivierend wie guter Unterricht.
Im
übrigen gilt auch für uns Lehrer der alte römische Grundsatz:
Nemo
ultra posse obligetur.
Niemand
darf zu einer Leistung verpflichtet werden,
die über seine objektiven Möglichkeiten hinausginge.
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7.0
Exkurse
7.1
Subjektive und objektive Schülerinteressen
Hilbert
MEYER (Unterrichtsmethoden II: Praxisband, S. 413 f.) gibt zu diesem
Thema folgende Definitionen:
„Subjektive
Schülerinteressen sind die situationsspezifischen persönlichen Bedürfnisse,
Vorstellungen und Phantasien zum Unterricht. Sie können bewußt gemacht
und als Handlungsziele verfolgt werden. Sie bleiben oft auch unbewußt,
wirken aber doch handlungsleitend.
Objektive
Schülerinteressen sind situationsunspezifische, überindividuell gültige
Handlungsmotive und Bedürfnisstrukturen. Sie sind historisch gewachsen,
klassen- bzw. schichtspezifisch ausgeprägt und an die gegenwärtige und
zukünftige soziale Lage der Schüler gebunden.“
MEYER
kommentiert diese Definitionen insgesamt wie folgt:
„Objektive
Schülerinteressen lassen sich nur bestimmt werden, wenn sie eine
hermeneutisch vermittelte, umfassende pädagogische Interpretation zur
Grundlage haben. Der einzelne Lehrer ist dabei einer beachtlichen
Versuchung ausgesetzt – sich bei dieser Aufgabe unbewusst von seinen
eigenen Bedürfnissen und Interessen leiten zu lassen.
Subjektive
Schülerinteressen sind noch schwerer zu fassen, weil sie noch weniger
fest Größen darstellen.
Schüler
haben nicht nur Interessen an einem Thema, sondern bringen ihm auch
Abneigungen, Desinteresse, Vorurteile und Einstellungen entgegen, die den
Unterricht entscheidend beeinflussen können.
Schüler
bringen auch Sympathien und Abneigungen, Hoffnungen und Ängste dem Lehrer
gegenüber in den Unterricht ein. Sie beeinflussen den Unterricht häufig
sehr stark, hängen aber kaum mit dem jeweiligen Unterrichtsthema
zusammen.
Bei
entsprechenden Impulsen artikulierte subjektive Schülerinteressen sind
nicht selten oberflächlich. Sie können maßlos und unbescheiden, ja
sogar destruktiv sein. Vielfach sind sie durch Konsum- und Freizeitwünsche,
von Moden und Medien überformt.
Sie
werden im Unterricht in aller Regel nur unvollständig artikuliert. Oft
sind sie in sich widersprüchlich und stimmen bei den verschiedenen Schülern
einer Lerngruppe selten überein."
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7.2
»Interesse« bei HERBART
Folgender
Text steht zwischen den beiden zitierten Passagen:
„Was
also der Unterricht hervorbringen soll, das ist:
Erstlich:
Interesse, und zwar mannigfaltiges Interesse.
Dieses
Interesse aber soll ferner sein:
gleichschwebend;
denn es wird in ihm gesucht vielseitige Bildung,
und es soll aus ihm
hervorgehen
Festigkeit des (moralischen) Charakters.
Da
nun von allem diesen schon in meiner Pädagogik
gesprochen ist, wo überdies die Angabe der Mannigfaltigkeit des Interesse
zu finden ist; dass es nämlich in folgende Klassen zerfalle:
Interesse
der Erkenntnis:
empirisches,
spekulatives,
ästhetisches, |
Interesse
der Teilnahme:
sympathetisches,
gesellschaftliches,
religiöses. |
Da
auch der Begriff des Interesse nach seinen psychologischen Bestimmungen,
besonders in Ansehung der Aufmerksamkeit, als der ersten, Stufe desselben,
in meiner Psychologie* näher erwogen ist, so kann
ich mich damit begnügen, die eben einzeln hingestellten Punkte durch einige
Gegensätze zu erläutern, die sich mir zunächst darbieten.“
Fußnoten
„*
Lehrbuch der Psychologie § 213 und dort angeführte Aufsätze im Königsberger
Archiv [s. oben S. 410]. Der genannte Paragraph der Psychologie muß aber
im Zusammenhange dessen, was vorhergeht und nachfolgt, gelesen werden.“
*
HERBART
bezieht sich auf seine 1806 erschienene „Allgemeine Pädagogik aus dem
Zwecke der Erziehung abgeleitet“. Dort nehmen der Begriff des Interesse
und die Gegenstände des vielseitigen Interesse breiten Raum ein (1806;
HOLSTEIN 1963, S. 72 – 78). Das gilt erst recht für seine pädagogische
Spätschriften, den »Umriß der allgemeinen Pädagogik«.
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8.0
Literaturgrundlage
Hier werden nur
die Titel genannt, auf die im vorstehenden Text direkt verwiesen wird.
Die
Literaturnachweise für die weiteren Webseiten dieses
thematischen Bereiches
finden Sie hier.
Ein
zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.
-
David
P. AUSUBEL
Motivationale Faktoren beim Lernen
in:
Psychologie des Unterrichts
Weinheim 1980/1981, 2., völlig überarbeitete Auflage, S. 463 - 500
-
Jerome
S. BRUNER
Der Wille zum Lernen
in:
Entwurf einer Unterrichtstheorie
Sprache und Lernen Band 5
Berlin 1974, S. 111 - 124
-
Johannes
FLÜGGE
Interesse ohne Gegenstand
in:
Vergesellschaftung der Schüler oder Verfügung über das Unverfügbare
Sondierungen einer Bildungsreform
Bad Heilbrunn 1979
-
Johann
Friedrich HERBART
Pädagogisches Gutachten über Schulklassen
Königsberg 1818
in:
Sämtliche Werke
Herausgegeben von Karl KEHRBACH und Otto FLÖGEL
Aalen 1964, Band 4, S. 521 – 566
-
ders.
Allgemeine Pädagogik aus dem Zwecke der Erziehung abgeleitet
Göttingen 1806
Herausgegeben von Hermann HOLSTEIN
Bochum 1963
-
ders.
Umriß der allgemeinen Pädagogik
in:
Umriß pädagogischer Vorlesung 1835 und 1841
Sämtliche Werke
Herausgegeben von Karl KEHRBACH und Otto FLÖGEL
Aalen 1964, Band 10
-
Andreas
KRAPP
Interesse, Lernen und Leistung
Neue Forschungsansätze in der Pädagogischen Psychologie
Zeitschrift für Pädagogik 38 (1992) Nr. 5, S. 747 - 768
-
ders.
- Manfred PRENZEL
Interesse, Lernen, Leistung
Münster 1992
-
Bernd
LÖWE
Biologieunterricht und Schülerinteresse an Biologie
Weinheim 1992
Trotz ihres fachdidaktischen Bezuges enthält diese Arbeit ein
umfassendes und aktuelles Verzeichnis der einschlägigen Literatur.
-
Georg
LUNK
Das Interesse
Leipzig 1926/1927
-
Manfred
PRENZEL - Andreas KRAPP - Hans SCHIEFELE
Grundzüge einer pädagogischen Interessentheorie
Zeitschrift für Pädagogik 32 (1986) Nr. 2, S. 163 - 173
-
ders.
- Alfred HEILAND
Studien zur Wirkungsweise von Interessen
Zeitschrift für Pädagogik 32 (1986) Nr. 3, S. 385 - 393
-
Heinrich
ROTH
Psychologie des Unterrichts
Hannover 1975, 15. Auflage
-
Sergej
L. RUBINSTEIN
Interesse
in:
Hans THOMAE (Hrsg.)
Die Motivation menschlichen Handelns
Köln 1975, 8. Auflage
-
Hans
SCHIEFELE
Lernmotivation und Motivlernen
Grundzüge einer erziehungswissenschaftlichen Motivationslehre
München 1974
-
ders.
„Interesse“ als Ziel und Weg der Erziehung
Überlegungen zu einem vernachlässigten pädagogischen Konzept
Zeitschrift für Pädagogik 25 (1979) Nr. 1, S. 1 - 21
-
ders.
Interesse - Neue Antworten auf ein altes Problem
Zeitschrift für Pädagogik 32 (1986) Nr. 2, S. 153 - 162
-
ders.
Brauchen wir eine Motivationspädagogik?
Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) Nr. 2, S. 177 -186
-
Ulrich
SCHIEFELE - Alfred WINTELER
Interesse - Lernen - Leistung
Eine Übersicht über theoretische Konzepte, Erfassungsmethoden
und Ergebnisse der Forschung
in: Arbeiten zur empirischen Pädagogik und Pädagogischen Psychologie
(Gelbe Reihe Nr.14)
Neubiberg 1988
-
Franz
SCHMID
Pädagogische Theorien des Interesses
Darstellung und Vergleich
Dissertation München 1980
-
Isolde
STEINER
Interessengeleitetes Lernen
Theorie und Praxis eines tätigkeitsspezifischen Motivationsmodells
München 1983
-
Eberhardt
TODT
Das Interesse
Empirische Untersuchung zu einem Motivationskonzept
Bern 1978
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Ausgearbeitet
von: Dr.
Manfred Rosenbach - letzte Änderung
am: 22.08.18
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