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Intrinsische und extrinsische Motivation

Übersicht
1.0 Grundfragen
      1.1 Die Begriffe
      1.2 Der Problemhorizont
2.0 Zwei Formen der Motivation
      2.1 Intrinsische Motivation
      2.2 Extrinsische Motivation
      2.3 Intrinsische und extrinsische Motivation – 
            keine Gegensätze
3.0 Folgerungen für schulisches Lernen
      3.1 Intrinsisch motiviertes Lernen
      3.2 Motive entwickeln – ein Ziel von Pädagogik
      3.3 Extrinsisch motiviertes Lernen
      3.4 Aversive (negative) Motivation
4.0 Fazit
5.0 Literaturgrundlage

1.0 Grundfragen

1.1 Die Begriffe

Die Begriffe »intrinsische« und »extrinsische« Motivation gehen auf zwei seltene lateinische Adverbien zurück: intrinsecus  heißt 'innerlich', extrinsecus 'von außen'.

1.2 Der Problemhorizont

Innere und von außen kommende Motivation werden in der Literatur und in der Diskussion meist als Gegenpole beschrieben; meist gilt jene als genuin und positiv, diese jedoch als abgeleitet und nachrangig.

Diese Dichotomie wird der Wirklichkeit nicht gerecht, 
weil der Mensch in einer von Interaktion bestimmten Welt lebt und handelt.

Das Selbst des Menschen entsteht, indem Personen lernen, Situationen und sich selbst zu definieren. Dabei entwickelt sich als Folge von sozialer Interaktion ein Netzwerk von aktivierten und ruhenden Handlungsdispositionen (Motiven).

Motivation kann einerseits personal verursacht sein (zentrale Motivation), andererseits durch einen aus der Umwelt stammenden Reiz bedingt sein. Immer jedoch sind die Motivationsbedingungen (Motive und Situationen) durch Interaktion vermittelt und miteinander verflochten.

Bei dieser Sachlage verliert der Gegensatz zwischen innerer und äußerer Motivation an Bedeutung, pädagogisch bedeutsam ist jedoch die Gewichtung innerer und äußerer Handlungsanteile (Hans SCHIEFELE 1974, S. 64; vgl. unten Nr. 2.3).

Die nachstehenden Ausführungen wollen im Sinne dieses Verständnisses aufgenommen werden, obwohl die Unterscheidung von innerer und äußerer Motivation begrifflich und in der Darstellung beibehalten werden muss.

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2.0 Zwei Formen der Motivation

2.1 Intrinsische Motivation

Intrinsische Motivation liegt dann vor, wenn eine Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeführt wird. Außerdem spricht man allgemein auch dann von intrinsischer Motivation, wenn eine Tätigkeit um der ihr innewohnenden Befriedigung willen ausgeübt wird; diese wird dann nicht von der Sache, sondern von dem Verhalten hervorgebracht (quasi-intrinsische Motivation: Ernst FÜRNTRATT 1976, S. 138).

In der Forschung finden sich unterschiedliche Bedeutungen des Begriffes 'intrinsisch'. Bündelt man sie, so lassen sich als Grundlage intrinsischer Motivation folgende Motive nennen:

  • Neugier, Erkundung, Anregung

  • Tätigkeit, Manipulation, Aktivität;

  • Wissen, Erkenntnis, Kompetenz, Leistung.

Jerome S. BRUNER (1974) betont das Streben nach Kompetenz. Es befriedigt ein intrinsisches Bedürfnis, sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen. 

2.2 Extrinsische Motivation

Extrinsische Motivation liegt im Gegensatz dazu dann vor, wenn eine Tätigkeit im Hinblick auf eine – wie immer geartete – Belohnung ausgeübt wird. Nahezu jede Tätigkeit und Reaktionsweise kann auf Grund einer Belohnung gelernt und ausgeführt werden.

Zahlreiche extrinsische Motivationskonstellationen sind denkbar, darunter auch extreme, z. B. die Stillung von Hunger und Durst.

Pädagogisch bedeutsam sind vor allem Motivationen in folgenden Bereichen:

  • affektive Ebene:
    z.B. Lob, Anerkennung, Billigung, Angst, Identifikation

  • soziale Ebene:
    z.B. Zugehörigkeit, Anschluss, gesellschaftlicher Status,
    beruflicher Erfolg, Geltung, Prestige, Geborgenheit.

Detaillierte Ausführungen zu dieser Thematik finden Sie auf der Webseite „Motive schulischen Lernens“.

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2.3 Intrinsische und extrinsische Motivation – keine Gegensätze

Die Motivationskonstellationen können ineinander übergehen. Bedeutsam ist der von David AUSUBEL, 1968/74, S. 414 ff., geprägte Begriff der „Ich-Erweiterung“ (jetzt: „Ich-Erhöhung, 1980/81, S. 478 ff.), weil er über ein sonst naheliegendes Schwarz-Weiß-Denken bei der Bewertung der beiden Motivationsarten hinausführt und realistische Folgerungen ermöglicht.

Wie DECI und RYAN (1993, S. 226 f.; vgl. dazu auch Ruth RUSTEMEYER 2004, S. 31 f.) hervorheben, können extrinsisch motivierte Handlungen in selbstbestimmte übergehen. Wenn sich das Individuum sozial vermittelte Ziele und Verhaltensnormen zu eigen gemacht und in das Selbstkonzept integriert hat, kann es sich anderen Menschen verbunden fühlen und zugleich sein Handeln als selbstbestimmt erleben.

Neuerdings hat Andreas KRAPP auf die Bedeutung aufmerksam gemacht, die den "grundlegenden psychologischen Bedürfnissen" für eine intrinsische Motivation im Lehr-Lerngeschehen zukommt. Er betont (2005, S. 637) gleichfalls die Bedeutung extrinsischer Aspekte für die Entwicklung intrinsisch motivierten Handelns.S

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3.0 Folgerungen für schulisches Lernen

Aus den dargestellten Sachverhalten und Zusammenhängen folgen besondere Anforderungen an erzieherische Kompetenz und personale Authentizität von Lehrern. Im Einzelnen sind die folgenden Hinweise gegeben.

3.1 Intrinsisch motiviertes Lernen

Der Wunsch nach Wissen und Erkenntnis als Selbstzweck wird von allen Autoren als die wichtigste intrinsische Motivationsform bezeichnet. Sinnvollem Lernen kommt deshalb besondere Bedeutung bei, weil die Belohnung in der Sache selbst und ihrer Beherrschung liegt.

Damit ein Lernvorgang angestoßen wird, kommt es mithin vor allem darauf an, einen Sachverhalt, auch wenn er selbstverständlich zu sein scheint, für die Schüler zum Problem werden zu lassen.

Diskrepanz im weitesten Sinne des Wortes kann geradezu Motivation an sich sein (SCHIEFELE, a.a.O., S. 77). Also kommt es für eine motivierende Unterrichtssituation darauf an, die vielfältigen Formen der kognitiven Dissonanz nutzbar zu machen. Für die Einzelheiten wird vor allem auf folgende Webseiten verwiesen:

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3.2 Motive entwickeln – ein Ziel von Pädagogik

Obwohl also Motivation als Bereitschaft zum Lernen besonders wichtig ist, sollte und darf sie nicht als notwendige oder gar unentbehrliche Voraussetzung von Lernen angesehen werden. Endogene und spontane Bedürfnisse sind keineswegs die einzig mögliche Grundlage sinnvollen Unterrichts.

Eine der primären Funktionen von Unterricht und Erziehung ist es, die Entwicklung von potentiell lohnenden Bedürfnissen anzubahnen und zu fördern. Da zwischen kognitivem Trieb und erfolgreichem Lernen eine dialektische Wechselwirkung besteht, ist effektiver Unterricht oft die wirkungsvollste Voraussetzung motivierten Lernens, zumal dann, wenn er dem Schüler Wissen und Erkenntnis als ein lohnendes Ziel vor Augen führt und der Unterrichtsgegenstand für ihn bedeutsam wird (AUSUBEL 1981, S. 467).

Weiterführende Überlegungen setzen deshalb am Begriff des Interesses an. Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite „»Interesse« – eine Chance, ein Dilemma zu überwinden?“.

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3.3 Extrinsisch motiviertes Lernen

Damit keine Missverständnisse entstehen, vorab ein Hinweis. Die folgenden Ausführungen wollen angesichts der komplexen, schwierigen und oft enttäuschenden Unterrichtswirklichkeit

  • zu einem optimistischen Bild vom Schüler ermutigen,

  • zu einem realistischen, nüchternen Bild vom Schüler anregen,

  • vor einem pessimistischen, zynischen Bild vom Schüler warnen.

Bei vielen Menschen ist der kognitive Trieb gering entwickelt oder verkümmert; die Gründe dafür dürften in den Umständen der frühkindlichen Sozialisation liegen. Nur bei wenigen Menschen ist das kognitive Bedürfnis so stark ausgeprägt, dass sie anstrengende, entsagungsreiche Arbeit über lange Zeit allein um der Sache willen auf sich nehmen.

Bei dieser Sachlage wäre es falsch, schulischen Unterricht allein auf intrinsische Motivation zu stützen und extrinsische Formen der Motivation einseitig und pauschal zu verwerfen. Wir dürfen die Schüler nicht aus ideologischem Purismus ihren Schwächen und ihrem Hang zur Bequemlichkeit überlassen.

Freilich kommt extrinsischen Formen immer nur eine helfende und unterstützende Funktion zu. Sie sind niemals Selbstzweck und sollten allein in der Absicht eingesetzt werden, mit ihrer Hilfe ein intrinsisch orientiertes Lernen anzubahnen und zu stärken. Heinrich ROTH schreibt dazu (zitiert nach Konrad MACHT 1973, S. 162):

„Wir brauchen uns nicht zu scheuen, alle Antriebe mit ins Spiel zu bringen, von denen wir wissen, dass sie geeignet sind, die Trägheit der menschlichen Natur zu überwinden. Wir dürfen auch solche Motivationen als Vorspann benutzen, die nicht in der Sache selbst liegen. Ziel muss allerdings bleiben, sie wieder abzubauen ... So sind wir gehalten, sie fruchtbar in das Schullernen einzuschalten, allerdings mit der Auflage, sie gleichzeitig einer sozialen Vertiefung und kulturellen Vergeistigung entgegenzuführen.“

Bei der Wahl der Mittel sind strenge, verantwortungsbewusste Maßstäbe anzulegen, größte Behutsamkeit ist im Hinblick auf aversive (negative) Motivationsformen (Weiteres s. unter Nr. 3.4) geboten. Der Bezug auf Aspekte der Lebenswirklichkeit ist als wirklichkeitsgerechte Nüchternheit, nicht als unkritische Affirmation zu verstehen. In diesem Sinne können Lob und Anerkennung für einen Schüler förderlich sein, wenn sie von einem für ihn wichtigen Menschen (Eltern, Lehrer, Freund, Gleichaltrigen) ausgehen; das gilt ebenso für Lernen auf Grund von Identifikation.

Im Allgemeinen ist Lernen ohne Zielbezug und ohne Rückmeldung über den Grad der erreichten Leistung (Leistungsbewertung) wenig effektiv. Andererseits kann extrinsisch motiviertes Lernen als selbstbestimmt erlebt und dadurch erfolgreich werden, wenn der Unterricht dem Lernenden einen möglichst hohen Grad eigener Entscheidungen einräumt (RUSTEMEYER a.a.O., S. 34).

Besondere Bedeutung kommt der Ich-Erweiterung zu; sie ist ein besonders starker Motivationsfaktor. Erfolgreiches Lernen ist eine wichtige Voraussetzung für einen anspruchsvollen Beruf, der einen hohen Grad materieller Unabhängigkeit sowie interessante, Selbstverwirklichung ermöglichende Tätigkeit bietet. Erfolgreiches Lernen ist auch eine Quelle der Selbstachtung. Den Verlust der Selbstachtung zu vermeiden ist – je nach Höhe des persönlichen Anspruchsniveaus – eine wichtige Motivation.

Insgesamt: Sich eine Existenzgrundlage zu schaffen ist zweifellos eine extrinsische Motivation, doch ist sie von elementarer Bedeutung und darf nicht unterschätzt werden. Das gilt gerade auch dann, wenn in einer Zeit wirtschaftlicher Schwäche der Gedanke aufkommen könnte, „es hat ja doch alles keinen Zweck“.

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3.4 Aversive (negative) Motivation

Bleibt bei extrinsisch motiviertem Lernen die Belohnung aus, so kann das als „Bestrafung“ wirken, zumal dann, wenn es als Folge eines Versagens geschieht. Strafe im Sinne von Nichtbelohnung und Strafe als moralisch begründete Ahndung eines zu verantwortenden Handelns sind jedoch begrifflich und sachlich voneinander zu unterscheiden.

Flucht-, Vermeidungs- und Abschaltmotivation können im Unterricht eine meist unbeabsichtigte, aber wirkungsvolle Rolle spielen, vor allem die Vermeidungsmotivation nach dem Wenn-dann-Schema. Generell muss bei vorsätzlicher Anwendung von aversiver Motivation sehr behutsam und bedacht vorgegangen werden. Pädagogisch unumgänglich scheint es jedoch, Schüler die negativen Folgen fehlerhaften Handelns erkennen zu lassen und sie dadurch zum Vermeiden tatsächlichen Schadens zu befähigen.

Für den Unterrichtserfolg ist es wichtig, Bemühungen und Leistungen von Schülern zu beachten und anzuerkennen. Schon die bloße Nichtbeachtung lernerischer Aktivitäten, zumal wenn sie wiederholt vorkommt, kann als Misserfolg erlebt werden und bis zum Verlust der Lernbereitschaft führen.

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4.0 Fazit

Zurück zum Ausgangspunkt dieser Darlegungen. 

Intrinsische und extrinsische Motivation 
sind in komplexer Weise miteinander verschränkt

Ihre günstigen Wirkungen gilt es zur Wirkung zu bringen, ihre unerwünschten Wirkungen zu vermeiden. Das ist die Aufgabe eines zugleich wirklichkeitsgerechten und prinzipienfesten humanen pädagogischen Handelns.

Zusammenfassend lassen sich als zentrale Faktoren nennen (Walter EDELMANN 2000, S. 258):

intrinsisch

  • kognitiv: Neugier

  • emotional: Anreiz

  • Wahrscheinlichkeit: Erfolgserwartung

extrinsisch

  • positive Verstärkung: Belohnung

  • negative Verstärkung: Zwang, Strafe

5.0 Literaturgrundlage

Hier werden nur die Titel genannt, auf die im vorstehenden Text direkt verwiesen wird. 
Die Literaturnachweise für die weiteren Webseiten dieses thematischen Bereiches 
finden Sie hier.
Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.

  • David P. AUSUBEL
    Psychologie des Unterrichts
    Weinheim 1968/74, 2., völlig überarbeitete Auflage 1980/1981

  • Jerome S. BRUNER
    Entwurf einer Unterrichtstheorie
    Berlin 1974

  • Edward L. DECI - Richard M. RYAN
    Intrinsic motivation
    New York 1975

  • dies.
    Intrinsic motivation and self-determination
    in human behavior
    New York 1985

  • dies.
    Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation
    Zeitschrift für Pädagogik 39 (1993) Nr. 2, S. 223 - 238

  • Walter EDELMANN
    Lernpsychologie
    Weinheim 2000, 6. Auflage

  • Ernst FÜRNTRATT
    Motivation schulischen Lernens
    Weinheim 1974

  • Andreas KRAPP
    Interesse, Lernen und Leistung
    Neue Forschungsansätze in der Pädagogischen Psychologie
    Zeitschrift für Pädagogik 38 (1992) Nr. 5, 747 - 768

  • ders.
    Das Konzept der grundlegenden psychologischen Bedürfnisse
    Ein Erklärungsansatz für die positiven Effekte von Wohlbefinden
    und intrinsischer Motivation im Lehr-Lerngeschehen
    Zeitschrift für Pädagogik 51 (2005) Nr.5, S. 626 – 641

  • Konrad MACHT
    Problem: Unterrichtsmotivierung intrinsisch contra extrinsisch
    Wien/München 1973

  • Heinrich ROTH
    Psychologie des Unterrichts
    Hannover 1973, 14. Auflage

  • Ruth RUSTEMEYER
    Motivationale und emotionale Einflußfaktoren für Lernleistungen
    auf Seiten der Schülerinnen und Schüler
    in:
    Einführung in die Unterrichtspsychologie
    Darmstadt 2004

  • Hans SCHIEFELE
    Lernmotivation und Motivlernen
    Grundzüge einer erziehungswissenschaftlichen Motivationslehre
    München 1974


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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