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Plädoyer für
Methodenvielfalt
Eine Lernmethode allein
wird nicht genügen"
Unter diesem Titel hat sich
Franz E.
WEINERT mit dem desillusionierenden Abschneiden der deutschen Schulen in der TIMSS-Studie
(Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 272 vom 23. November 1998) auseinandergesetzt. Auf der Grundlage der verfügbaren
wissenschaftlichen Untersuchungen macht er vor allem drei Defizite namhaft. Sie
werden hier zusammen mit seinen Schlussfolgerungen in Thesenform aufgearbeitet und
vorgestellt.
- Ein erheblicher Teil des Unterrichts ist zu
stoffbezogenen und zu wenig verständnisorientiert. Etwas verstehen aber
heißt, neue Informationen in ein bereits vorhandenes, sinnvoll nutzbares Wissenssystem
einzugliedern. Voraussetzung dafür sind eine gute individuelle Wissensbasis
und ein auf verstehendes Lernen gerichteter Unterricht.
- Der Unterricht ist vielfach eher
leistungsbezogen und weniger lernorientiert.
Was ist damit gemeint? Generell lassen
sich zwei didaktische Stile unterscheiden.
Das Lernen selbst und dessen Ergebnis, die Lernleistung werden von Lehrern
unterschiedlich gewichtet. Ein Lehrer kann das Lernen durch Betonen der erwarteten
Leistung erreichen wollen. Er kann aber auch konsequent das Lernen fördern,
so dass seine Schüler die erwartete Leistung als eigenen Lernerfolg erleben.
Das
mögen Nuancen sein, doch für Schüler ist es sehr bedeutsam, ob ihre Lehrer Leistungen fordern
oder aber anregen und freisetzen. Aufgabe eines guten
Unterrichts ist es deshalb, möglichst viele Lern- und
Leistungssituationen zu schaffen. Im Bewusstsein der Schüler müssen sie sich so
unterscheiden lassen, dass
sowohl eine produktive Lernkultur als
auch eine effiziente Leistungsatmosphäre
entstehen können.
"Falsche Propheten"
tragen zu weitreichenden Fehlorientierungen bei.
Es genügt nicht, nur
das in der Schule zu lehren und zu lernen, wozu Kinder spontan motiviert
sind, statt unter
Anstrengung das notwendige Grundlagenwissen aufzubauen.
Vertiefungen dazu finden Sie auf der Webseite »Privilegiertes« und
»nicht-privilegiertes«
Lernen.
Es ist auch zu wenig,
Schüler lediglich einige Schlüsselqualifikationen (zum Beispiel Medienkompetenz)
erwerben zu lassen und Lehrer ausschließlich zu Moderatoren autonomer Lerngruppen zu
machen.
Bessere Schülerleistungen können nur durch bessere Leistungen der Schule
erreicht werden.
WEINERT betont, dass menschliche
Tugenden, pädagogische Begabungen und persönliches Engagement von Lehrern erst dann
optimal wirken, wenn diese qualifizierte didaktische Kompetenzen besitzen. Daraus
folgt:
Erfolgreicher Unterricht
erfordert unterschiedliche Lernmethoden.
-
Soll intelligentes Wissen vermittelt
werden, so haben sich Formen einer lehrergesteuerten, aber schülerzentrierten direkten
Instruktion" als besonders effizient erwiesen.
-
Handelt es sich darum, die lebenspraktische
Nutzung von Kenntnissen und Fertigkeiten zu üben, so sind Varianten der Projektmethode,
des offenen Unterrichts und der Teamarbeit als Vermittlungsstrategien
geeignet.
- Ist die pädagogische Zielsetzung auf das Erlernen
des Lernens und auf den Erwerb variabel nutzbarer Schlüsselqualifikationen
gerichtet, so müssen die Schüler unter Anleitung des Lehrers möglichst selbständig
und selbstreflexiv arbeiten.
WEINERT hat die
vorstehenden Überlegungen in der Zeitschrift "Psychologie
heute" 26, 1999, H. 7, S. 31, durch die folgende tabellarische
Übersicht zusammengefasst und ergänzt.
Lernziele |
Lernformen |
Lehrmethoden |
Lehrerqualifikationen |
Intelligentes
Wissen |
systematischer,
kumulativer Wissenserwerb |
lehrergesteuerte
direkte Instruktion |
disziplinäre
Sachkompetenz
Klassenführungskompetenz
diagnostische und didaktische Kompetenz |
Handlungskompetenzen |
praxisnahes,
erfahrungsgesättigtes, situiertes
Lernen |
Projektarbeit |
transdisziplinäre
Sachkompetenz
didaktische Kompetenz |
Metakompetenzen |
reflexiv
verarbeiteter Wissenserwerb über eigenes Lernen und Handeln
automatisierte Routinen der Überwachung, Kontrolle und Korrektur
eigenen Handelns |
angeleitetes
selbständiges Lernen |
diagnostische
Kompetenz
didaktische
Kompetenz |
Kommentar
Die Nutzanwendung dieser
Thesen ist offenkundig, darum nur drei kurze Anmerkungen.
-
Keine Methode ist an und für sich am
besten.
-
Jeder Lehrer, jede Lehrerin muss über
eine Vielfalt von Lehr- und Lernverfahren verfügen.
-
Diese Ausführungen sind eine Einladung,
didaktische Professionalität zu entwickeln.
Literaturnachweis
-
Franz
E. WEINERT
Eine Lernmethode allein
wird nicht genügen
Frankfurter
Allgemeine Zeitung Nr. 272 vom 23. November 1998
-
ders.
Die fünf Irrtümer der Schulreformer
Psychologie heute" 26, 1999, H. 7, S. 28 - 34
Die
wissenschaftliche Grundlegung der hier vorgestellten Thesen finden Sie in
folgenden Arbeiten:
-
Franz
E. WEINERT
Für und Wider die »neuen Lerntheorien«
als Grundlagen pädagogisch-psychologischer Forschung
Zeitschrift für pädagogische Psychologie 10 (1), 1996, S. 1 - 12
-
ders.
Lerntheorien und Instruktionsmodelle
in:
Franz E. WEINERT
(Hrsg.)
Psychologie des Lernens und der Instruktion
Enzyklopädie der Psychologie D, Ser. 1
Pädagogische Psychologie, Band 2
Göttingen 1996
Franz
E. WEINERT
war emeritierter Professor für Psychologie
am Max-Planck-Institut für Psychologische Forschung in München.
Weitere
Literaturnachweise für die Webseiten dieses thematischen Bereiches
finden Sie hier.
Ein
zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten,
Probleme«
finden Sie hier.
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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