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Prinzipien organisierten Lernens

Ein Überblick

Übersicht
1.0 Vorbemerkung
2.0 Prinzipien
      2.1 Worauf es ankommt
      2.2 Warum ein leistungsfähiges Gedächtnis nützlich ist
3.0 Schulung des Gedächtnisses
      3.1 Grundbedingungen
      3.2 Möglichkeiten
      3.3 Zwölf erfolgreiche Mnemotechniken
      3.4 Würdigung
4.0 Literaturnachweis
5.0 Anhang

1.0 Vorbemerkung

Es gibt kein schlechtes Gedächtnis,
nur ein schlecht genutztes.

Diesen Slogan werden Sie auch zu Beginn der Webseite „Gedächtnisschulung – Prinzipien und Möglichkeiten“ finden, auf der das klassische Verfahren der sog. »Gedächtnisorte« vorstellt wird. Hier will er dazu anregen und ermutigen, sich Verfahren organisierten Lernens einzulassen und vor allem Schüler für deren Erlernen und Anwenden zu gewinnen.

2.0 Prinzipien

2.1 Worauf es ankommt

Jürgen Hüholdt legt auf der Grundlage lernbiologischer Einsichten dar, dass das Langzeitgedächtnis (LZG) in erheblichem Ausmaß „dynamisiert“ werden kann. Er führt die folgenden Einflußfaktoren auf, die den Zeitaufwand und das Ergebnis des Lernens bestimmen (1993, S. 191):

  • Emotionalität des zu verarbeitenden (Lern-)Stoffes

  • persönliche Bedeutsamkeit des Stoffes

  • Anzahl der vermittelten Erfolgserlebnisse

  • Schwierigkeitsgrad, Informationslänge und -komplexität

  • Wahl, Kombination und Wechsel von Eingangskanälen

  • Identifikation und das Auseinandersetzen mit der Materie

  • das Wechselspiel der Gehirnhälften.

Informationen werden kaum regelrecht ausgelöscht. Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit des LZG hängen vielmehr davon ab, wie schnell und wie treffsicher die entsprechenden Speicherstellen aufgefunden werden können. Aus lernbiologischer Sicht führt Hüholdt die folgenden Konsequenzen auf (a.a.O. S. 192):

  • Systematisierungs- und Mnemotechniken, Positivierungs- und Emotionalisierungstechniken verbessern den Aufbau eines leistungsfähigen LZG.

  • Wahl, Kombination und fördern die Verarbeitung von Informationen im LZG.

  • Informationslänge und -komplexität beeinflussen die Verarbeitung von Informationen im LZG entscheidend. Lernstoff muss also LZG-gerecht aufbereitet werden.

  • Positivität des Stoffes und Erfolgserlebnisse verbessern die Verankerung im LZG.

  • Anpassung an die individuelle Lernkapazität und Berücksichtigung des Schwierigkeitsgrades begünstigen die Verankerung im LZG. Dabei gilt: Vom Leichten zum Schwierigen, vom Allgemeinen zum Speziellen.

  • Wiederholungen von Stoff sind nur sinnvoll, wenn dabei auf dessen Umbau, Modulierung, Strukturierung und Gliederung geachtet wird.

  • Die Entwicklung eigener Kreativität beim Lernen kann verbessert werden.

Hüholdt belässt es nicht bei diesen allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr entwickelt er anhand von Beispielen die lernbiologischen Zusammenhänge und leitet daraus konkrete Vorschläge vor effektives Lernverhalten ab. Sie hier im Einzelnen darzustellen ist nicht möglich. Vielmehr wird empfohlen, seine überzeugenden Darstellungen und Argumente nachzulesen. Vorgestellt werden jedoch HÜHOLDTs Überlegungen zur Mnemotechnik.

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2.2 Warum ein leistungsfähiges Gedächtnis nützlich ist

Die Existenz hochleistungsfähiger externer Speicher (Organizer, Notebook, Taschenrechner, PC, Internet, Datenbanken etc.) kann dazu verführen, die Bedeutung eines leistungsfähigen Gedächtnisses zu verkennen. Sie wird oft sogar als Argument dafür herangezogen, dessen Aufbau vorsätzlich zu unterlassen, um den Geist „für wichtigere Aufgaben zu entlasten“.

Der Wert dieser Arbeitsmittel kann angesichts der riesigen Datenmassen unserer Gegenwart nicht überschätzt werden. Dennoch lohnen sich die Ausbildung und der Besitz eines geschulten Gedächtnisses, in zahlreichen Berufen ist es unerlässlich. Begründung (HÜTHER a.a.O., S. 281 f.):

  • Eingabe und Beschaffung von Daten aus externen Speichern können sehr zeitaufwendig sein.

  • Dadurch wird der Arbeitsfluss gestört. Wer z.B. fast alle Vokabeln einer Fremdsprache nachschlagen muss, wird einen Text überhaupt nicht verstehen können.

  • Ohne Training wird ein Gedächtnis schließlich so schlecht, dass sogar banale Alltagsaufgaben darunter leiden.

  • Was nicht im Gehirn gespeichert ist, ist nicht präsent. Inhalte externer Speicher können nicht unmittelbar in das aktuelle Wissen eingearbeitet werden.

  • Die sinnvolle Nutzung externer Speicher – des „sekundären Gedächtnisses“ – muss trainiert werden und setzt die Existenz eines trainierten Gedächtnisses voraus.

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3.0 Schulung des Gedächtnisses

3.1 Grundbedingungen

Für die Schulung des Gedächtnisses nennt Hüholdt (a.a.O. S. 259) folgende Grundbedingungen:

  • Gedächtnisarbeit muss in sinnvollem, biologischem Zusammenhang betrachtet werden.

  • Gedächtnisarbeit darf nicht als notwendiges Übel zur Erreichung höherer Ziele verstanden werden, sondern muss für sich motivierend sein.

  • Empfohlene Techniken sollten sich leicht anwenden und an subjektive Bedürfnisse anpassen lassen.

3.2 Möglichkeiten

Das Grundprinzip aller Mnemotechniken lautet (vgl. dazu auch die Webseite „Schulung des Gedächtnisses – Prinzipien und Möglichkeiten“, Nr. 3.0):

Das Denken in Bildern ist motivierend
und fördert Merkfähigkeit und Verarbeitungstiefe.
Das begünstigt die Verankerung im LZG.

Deswegen sind alle Stoffdarbietungen daraufhin zu prüfen,
ob sie bildhafte Veranschaulichungen zulassen.

Gespeichert wird dann auf zwei Kanälen,

  • dem Bildspeicher

  • und dem Begriffsspeicher.

Außerdem kann durch Assoziation zwischen Bild und Begriff ein dritter Speicher angesprochen und genutzt werden,

  • der Anwendungsspeicher.

Mithin gilt:

Wird ein Inhalt gleichzeitig bild- und begriffsgebunden gelernt,
kann er besser gespeichert und zuverlässiger abgerufen werden.

Das gilt erst recht, wenn der Anwendungszweck einleuchtet.

Generell ist zu sagen:

Gedächtnisarbeit lässt sich lernen und besteht darin,

  • Parallelen zu finden,

  • Ähnlichkeiten festzustellen,

  • Verwandtschaften zu sehen,

  • zu assoziieren.

Das ist trotz der zunächst aufzuwendenden „Investition“ an Arbeit für das Gedächtnis keine Last, sondern eine Erleichterung.

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3.3 Zwölf erfolgreiche Mnemotechniken

Auf der Grundlage der hier dargestellten Prinzipien und Möglichkeiten beschreibt HÜHOLDT zwölf erfolgreiche Mnemotechniken (284 ff.). Sie werden hier in einer bearbeiteten und z.T. ergänzten Übersicht aufgeführt. Ergänzend wird auf die Aufstellungen gebräuchlicher mnemotechnischer Verfahren bei Horst SPERBER (1989, S. 29 – 58) und bei Werner METZIG – Martin SCHUSTER (1993) verwiesen.

  • Gedächtnisorte („Simonides-Technik“)
    Einer durch ihre Bildhaftigkeit fest eingeprägten Reihe von Plätzen (z.B. in einem Zimmer) werden die zu erlernenden Gegenstände zugeordnet. Dieses klassische Verfahren und Urmuster einer Lerntechnik wird auf der Webseite „Schulung des Gedächtnisses – Prinzipien und Möglichkeiten“ unter Nr. 2.0 ausführlich beschrieben.

  • Geschichten-Technik
    Sie arbeitet nach demselben Prinzip, setzt jedoch abenteuerliche Vorgänge ein, die in einer bestimmten Abfolge stattfinden. Das ist dann nützlich, wenn die zu merkenden Begriffe komplexer sind.

  • Kombination von Gedächtnisorten und Geschichtentechnik

  • Bizarrerien-Technik
    Ein Beispiel: Im Griechischunterricht müssen fünf unregelmäßig gebildete und darum schwer zu behaltene Imperative gelernt werden. Sie lauten: labé – heuré – elthé – idé – eipé.
        
    Dafür gibt es einen Merkspruch: „Labet eure Eltern in der Kneipe!“ Einmal gehört, wird er wegen seiner geradezu bizarren Blödelei auf immer behalten. So können die fünf Formen mühelos reproduziert werden.

         Für den Quintenzirkel in der Musik gilt Ähnliches: „Geh, du alter Esel, Hirse friss!“ verankert die Abfolge der Tonarten G-Dur, D-Dur, A-Dur, E-Dur, H-Dur, Fis-Dur zuverlässig im Gedächtnis.

  • Schlüsselwort-Technik
    Ein phonetisch ähnliches Wort wird als Schlüssel zum Einprägen eines neu zu lernenden Wortes benutzt oder bildet über eine bildhafte Assoziation bzw. Vorstellung eine Brücke.

  • Symmetrie-Technik

  • Reim-Technik
    Sie ist eine der bekanntesten Mnemotechniken. Reime sind eine Form der sog. »Superzeichenbildung«. Sie fassen disparates Lernmaterial in gebundener Sprache zusammen, wobei vor allem die Reime das Behalten unterstützen. Früher wußten das die Lehrer, wie drei „Klassiker“ zeigen:

    „Drei, drei, drei – bei Issos Keilerei.“

    „Sieben, fünf, drei – Rom kroch aus dem Ei.“

    „Niemals Wasser in die Säure, sonst geschieht das Ungeheure!“ oder
    „Erst das Wasser, dann die Säure, sonst geschieht das Ungeheure!“
    (Die Schwefelsäure spritzt in alle Richtungen, wenn man sie in falscher Reihenfolge verdünnt.)

    Im Lateinunterricht ist es wichtig, das grammatische Geschlecht der Substantiva zu kennen. Das ist in der konsonantischen und der sog. gemischten Deklination schwierig, weil es hier keine natürlichen Merkhilfen gibt wie in den anderen Deklinationen. 
    Folgender Merkvers schafft trotz seines abstrakten Aussehens Übersicht, indem er die charakteristischen Wortauslaute wie folgt zusammenfasst:
    „Die -as, -aus, -o und -x und -is
    uns -s in Parisyllabis                                                    
    und -s, vor dem ein Konsonant
    als Feminina sind bekannt.“
    (»Parisyllaba« sind Substantive, die in Nominativ und Genitiv gleiche Silbenzahl haben.)

    Die Werbebranche nutzt die Haltbarkeit gereimter Botschaften noch heute – als Lehrer könnte man neidisch werden. Wenn Sie Beispiele sehen wollen, klicken Sie hier.

  • Abkürzungstechnik – »Akronyme«
    Die Anfangsbuchstaben einer Folge von Begriffen bilden eine leicht zu merkende Abkürzung oder – besser noch – ein einprägsames Kunstwort. 
    Beispiele:


    NATO
    North Atlantic Treaty Organisation

    DESY
    Deutsches Elektronen Synchrotron

    PISA
    Programme for International Student Assessment
    TIMSS
    Third International Mathematics and Science Study


    Auch die Wortanfänge eines einprägsamen Satzes eignen sich dazu, Einzelbegriffe zu behalten und/oder zu ordnen. Beispiel:
    Zahl, Namen und Reihenfolge der Planeten Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Neptun, Uranus, Pluto sind in folgendem Satz enthalten:
    »Mein Vater erklärt mir jeden Sonntag unsere neun Planeten«.
    Der oben erwähnte Spruch für den Quintenzirkel der Tonarten kann gleichfalls als Beispiel für diese Merktechnik dienen.

  • Die ABC-Technik
    Das ABC systematisch abzuklappern kann z.B. dabei helfen, sich eines Namens zu erinnern. Man kann auch eine persönliche Kennwortliste entwickeln, die z.B. aus Vornamen besteht. Ihr werden dann die zu merkenden Begriffe zu geordnet. Das Verfahren ist eine Variante der oben beschriebenen Simonides-Technik (Gedächtnisorte).

  • Lernen und Behalten durch Einsicht
    Sein Prinzip beruht darin, im Lernstoff Regelmäßigkeiten zu finden, die das Lernen ökonomischer machen. Dann wird schneller gelernt und besser behalten.

  • Die hierarchische Methode
    Ihr Prinzip besteht darin, in einem zunächst unübersichtlichen oder ungeordneten Lernmaterial die Sachstruktur aufzufinden und sie in einem System von Über- und Unterordnungen oder Ober- und Unterbegriffen darzustellen. Dafür eignen sich vor allem stammbaumartige Graphiken. Eine besonders effektive Form dieser Methode sind die Mind Maps nach Tony und Barry BUZAN. Auch diese Methode ist eine Form der Superzeichenbildung (für Begriff und Funktion vgl. die gleichnamige Webseite).

  • Analyse-Techniken
    Hier geht im Prinzip darum, unübersichtliches und/oder schwer zugängliches Lernmaterial zu bewältigen, indem an Vorkenntnisse angeknüpft wird, Zusammenhänge und Hintergründe erkannt und genutzt werden. So kann Verständnis hergestellt und das Behalten gestützt werden. Als Beispiel aus dem Sprachunterricht sei die Nutzung von Etymologien genannt.

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3.4 Würdigung

Das alles ist eine Einladung zu Phantasie und Kreativität. Sowohl für die eigene Arbeit als auch für die Anleitung von Lernenden ist zu beachten, dass die vorgestellten Verfahren sich nicht schematisch für jeden in gleicher Weise eignen. Vielmehr gibt es trotz der generellen Gültigkeit der lernbiologischen Sachverhalte erhebliche individuelle Unterschiede des perönlichen Lernstils, so dass jeder Lernende die ihm gemäßen Lerntechniken suchen und finden muss. 

Im Anschluss an Frederic VESTER (1975; 29. Auflage 2002 S. 127 ff., Lerntypentest S. 201 ff.; vgl. dazu auch http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/TEST/HALB/) wird in diesem Zusammenhang das Thema »Lerntypus« in vielen Publikationen aufgegriffen. Letzthin hat sich jedoch Maike LOOSZ (2001) kritisch und ernstzunehmend mit dem pädagogischen Konstrukt der Lerntypen auseinandergesetzt. Ihr zentraler Einwand lautet (a.a.O., S. 194): 

"Lernen ist mehr als die zweifellos notwendige Benutzung der Sinne (z.B. beim Experimentieren). [... ] 
Die Effizienz des Lernens ist von den kognitiven Aktivitäten der Lernenden abhängig, nicht von den handlungspraktischen."

4.0 Literaturnachweis

Der vorstehende Text beruht im Wesentlichen auf folgendem Titel:

  • Jürgen HÜHOLDT
    Wunderland des Lernens
    Lernbiologie, Lernmethodik, Lerntechnik
    Bochum 1993, 8., neubearbeitete Auflage

Die Literaturnachweise für die Webseiten dieses thematischen Bereiches 
finden Sie hier.

Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.

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5.0 Anhang

Das Berliner Schuhhaus Schmolke hat schon vor Jahrzehnten geschlossen. Seine Werbung jedoch ist dem Verfasser der Bausteine immer noch gegenwärtig. Das dürfte an deren umwerfender Schlichtheit – oder Albernheit? – liegen. Das bestätigt die Wirksamkeit der „Bizarrerien-Technik“. Dazu folgendes Beispiel:

„Der Schmolke-Schuh ist so begehrt,
daß man schon lieber läuft statt fährt.“

Ähnliches gilt für die Großbäckerei Paech:

„Ganz furchtbar schimpft der Opapa,
die Oma hat kein Paech-Brot da.
Moral:
Für Oma gilt’s wie für die Braut,
der Mann ist zahm,
der Paech-Brot kaut.“

„Es spricht der Orje zu dem Kulle,
’Haste nich 'ne Paech-Brot-Stulle?’
Moral:
Es ist nicht gut, das gilt für jeden,
mit Brot von Paech im Mund zu reden.’“

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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