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Die entscheidenden drei Sekunden

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Die Gegenwart dauert drei Sekunden
3.0 Literaturnachweis
4.0 Anhang

1.0 Das Problemfeld

In der lernpsychologischen Forschung werden mehrere Formen des Gedächtnisses unterschieden: UKG), Kurzzeit-Gedächtnis (KG) und Langzeit-Gedächtnis (LG). Sie werden auf folgenden Webseiten näher behandelt.

»Das Gedächtnis – I. Aufgaben und Funktionen: II. Lernen und Vergessen

Gerade für didaktische Arbeit besonders bedeutsam ist das Ultra-Kurzzeit-Gedächtnis, weil Lernen nur dann stattfindet, wenn es gelingt, dessen Inhalt in das Langzeit-Gedächtnis zu überführen.

Daher werden hier Forschungsergebnisse vorgestellt, die der Gehirnforscher Ernst Pöppel gewonnen hat.

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2.0 Die Gegenwart dauert drei Sekunden

Schon der Kirchenvater Augustinus hat sich im 11. Buch seiner Bekenntnisse selbst die Frage gestellt: 

„Was aber ist die Zeit?"

Seine Antwort: 

„Wenn ich nicht gefragt werde, weiß ich, was die Zeit ist. 
Doch wenn ich darauf antworten soll, habe ich keine Antwort."

Diese Paradoxie versucht er durch begriffliche Abgrenzungen zu überwinden. 

Vergangenheit ist das, was war, Zukunft ist das, was noch nicht ist. 

Was aber ist die Gegenwart? Das Ergebnis seiner systematischen Untersuchung lautet, zusammengefaßt, wie folgt.

Es gibt überhaupt nur Gegenwart, nämlich:

  • Gegenwart dessen, was geschieht – Anschauung,

  • Gegenwart dessen, was geschehen ist – Vergangenheit,

  • Gegenwart dessen, was geschehen wird – Erwartung.

Der Hirnforscher Ernst Pöppel beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit der Frage, ob das Konzept der Gegenwart, das Augustinus formuliert, eine meßbare Größe ist. Anders gefragt: Bestätigt das, was bei vielen Verhaltensprozessen im Gehirn zu beobachten ist, möglicherweise die These des Augustinus, dass es in unserem Erleben eigentlich nur Gegenwart gibt?

An der klassischen Physik orientiert, könnte man sagen, daß die Gegenwart die ausdehnungslose Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft ist.

Die Gegenwart ist die Lebenswirklichkeit des Menschen. Pöppel und seine Mitarbeiter haben herauszufinden versucht, wie sich diese Wirklichkeit im Gehirn repräsentiert. Sie haben ermittelt, daß es in allen Bereichen, die sie untersucht haben, eine merkwürdige universelle Konstante von ein paar Sekunden gibt. Es handelt sich um einen Operationsbereich von maximal zwei bis drei Sekunden, der mit menschlichem Willen nicht verlängert werden kann.

Alle ihre Untersuchungen führen zu dem Schluß, daß die Gegenwart für den Menschen maximal drei Sekunden dauert. Zwei zentrale Stellen eines Gespräches mit PÖPPEL belegen das (Textnachweis in Nr. 4).

Mithin kommt es für didaktische Arbeit darauf an, 
diese »Drei-Sekunden-Spanne« in geeigneter Weise zu nutzen
.

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3.0 Literaturnachweis

Der vorstehende Text wurde im Anschluß an ein Interview ausgearbeitet, das Herbert Klein mit Ernst Pöppel geführt hat. Im Frankfurter Allgemeine Magazin Nr. 983 vom 31. Dezember 1998 wurde es veröffentlicht. Hingewiesen sei auch auf folgende Titel des Forschers:

  • Ernst PÖPPEL
    Grenzen des Bewußtseins
    Über Wirklichkeit und Welterfahrung
    Stuttgart 1985
    Grenzen des Bewußtseins
    Wie kommen wir zur Zeit, und wie entsteht Wirklichkeit? 
    Frankfurt am Main und Leipzig 1997, überarbeitete Neuausgabe

  • ders.
    Lust und Schmerz
    Über den Ursprung der Welt im Gehirn
    Berlin 1993

4.0 Anhang

„Entscheidend ist, daß das Gehirn nicht in einem gleitenden Zeitfenster arbeitet. In der physikalischen Zeit ist es so angeordnet, daß es jetzt beginnt und in drei Sekunden endet und wieder neu beginnt und wieder endet. Wir leben deswegen nicht in einer immerwährenden Gegenwart. Eine Gegenwartsinsel folgt der nächsten.

Neueste Forschungen in Helsinki haben ergeben, daß das Gehirn alle drei Sekunden endogen seine Sensitivität ändert. Im Rhythmus von drei Sekunden läßt es Informationen in sich hinein. 
     Was soviel heißt: Nicht in jedem Augenblick ist das Gehirn offen für Informationen von außen. Insofern müssen wir uns in der Neuroforschung endgültig vom cartesischen Weltbild verabschieden, demzufolge das Gehirn in jedem Augenblick Informationen aufnimmt. 
     Das Gehirn definiert sich selbst Systemzustände von der Dauer von maximal drei Sekunden. Alle drei Sekunden fragt das Gehirn sozusagen bei den Sinneszellen nach: Gibt es draußen etwas Neues?"

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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