Neuere Grundlagenkritik an der Didaktik Übersicht 1.0 Das Problemfeld Entwicklung und Situation der Allgemeinen Didaktik können je nach Standpunkt konstruktiv oder kritisch gesehen werden. Karl ASCHERSLEBEN hatte sich vor dem Hintergrund einer als unproduktiv empfundenen Vielfalt von Positionen zu dem Versuch entschlossen, "das Gemeinsame des bisherigen didaktischen Denkens" herauszuarbeiten (1983, S. 7). Auch Wilhelm H. PETERSZEN vertritt einen integrativen Standpunkt (1983, 2001). Anders Manfred BÖNSCH. Er konstatiert (1995, S. 673): "Die Didaktik-Diskussion stagniert!" Daran anknüpfend, befürchtet Armin BERNHARD (1999, S. 649), es drohe ein "kultureller Rückstand didaktischer Theorieentwicklung gegenüber gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen". Auch die Auseinandersetzung neuerer erziehungswissenschaftlicher Positionen mit den traditionellen Auffassungen von Didaktik führe nicht weiter, weil sie oftmals der "Logik abstrakter Negation" folgten. Armin BERNHARD
(1999) versteht die Grundlagenkritik an didaktischer Theorie als Herausforderung, eine kritische
bildungstheoretische Position weiterzuentwickeln. In seinem Aufsatz skizziert und
bewertet er zunächst die gegenwärtige Grundsatzkritik. Sodann versucht er, eine
kritische Theorie der Didaktik zu "reformulieren", also wiederzugewinnen. 2.0 Neuere Grundlagenkritik an der Didaktik Alle Kritiken stimmen trotz unterschiedlicher Argumentationsansätze in einem Punkte überein: Sie betrachten die Schule und den dort praktizierten Unterricht als "extrem reform- und humanisierungsbedürftig" (a.a.O., S. 650). BERNHARD beschreibt zwei Grundfiguren der Kritik: die postmodernen Positionen (a.a.O., S. 650 f.) und die konstruktivistischen Ansätze (a.a.O., S. 651 f.) 2.1 Postmoderne Positionen Die wesentlichen Stichworte postmoderner Denkangebote lauten:
Im Mittelpunkt der Kritik steht die "Illusion"
der "objektiven Didaktik". Damit ist die wissenschaftliche Reflexion
des Gesamtfeldes von Lehren und Lernen gemeint. Dieser und damit zugleich dem Prinzip
einer kritisch-aufklärerischen Erschließung der Realität wird der Kampf angesagt. Die
Intention der traditionellen Unterrichtstheorie, junge Menschen zu mündigen
Persönlichkeiten heranwachsen zu lassen, wird als "Mythos" abgetan. 2.2 Konstruktivistische Ansätze Wesentlich stärker ist die didaktische
Diskussion durch den Konstruktivismus beeinflusst worden (vgl. dazu die Webseite "Konstruktivismus und Didaktik"). Dessen
Grundgedanke, die Realität sei prinzipiell nicht zu erkennen, grenze die
Wirklichkeitskonstruktionen aus der unterrichtlichen Realität aus. Ziel sei deswegen die
erfolgreiche Selbstorganisation in einer nicht erkennbaren Welt. 2.3 Zusammenfassung Die dargestellten Positionen stimmen trotz unterschiedlicher Ableitungen in einem wichtigen Punkte überein:
3.0 Bildungswissenschaftliche Entwicklungsarbeit 3.1 Einwände BERNHARD verweist summarisch auf die Einwände, die u.a. Dietrich BENNER / Karl F. GÖSTEMEYER (1987) und Albert SCHERR (1992) gegen die referierten Aufstellungen vorgetragen haben. Er selbst vermisst vor allem die systematische Reflexion der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Unterricht. Die Fundamentalkritik ignoriere, dass schulische Lehr- Lernprozesse durchgängig gesellschaftlich bestimmt seien (a.a.O., S. 653). Somit erscheine Unterricht als gesellschaftsferner Raum von Konstruktionsspielen der beteiligten Subjekte. 3.2 Ein Gegenmodell Ein Gegenmodell bildungswissenschaftlicher Entwicklungsarbeit beruht für BERNHARD auf einer kritischen Theorie der Gesellschaft und der Bildung. Eine solche Theorie müsse die gesellschaftspolitischen Verwendungszusammenhänge didaktischer Modelle und Problemstellungen grundlegend einbeziehen. Unterricht sei eine Veranstaltung, auf der spezifische gesellschaftliche Zwänge und politische Zugriffe lasteten (a.a.O., S. 654). 3.3 Das zentrale Problem Bildungswissenschaftlicher Entwicklungsarbeit steht vor einem zentralen Problem: Wie soll die
wechselseitige Erschließung von Subjekt und Welt Sie setzt voraus, dass die Entwicklung des menschlichen Individuums aus einem Zusammenwirken von fremdbestimmter Vergesellschaftung und Selbstentwurf zu begreifen ist.
das
»Erschlossensein« der Wirklichkeit für die lernenden Subjekte Dieser fundamentale bildungstheoretische Grundsatz gilt erst recht, wenn das Verständnis von Bildung neu gefasst wird. In einer von Widersprüchen gekennzeichneten Gesellschaft mit prekären Sozialisationsbedingungen verläuft Bildung nicht harmonisch und linear fortschreitend. Sie ist vielmehr ein Zwängen und Brüchen unterliegendes Geschehen, in dessen Verlauf die wechselseitige Erschließung von »Ich« und »Welt« strukturellen sozialen Hindernissen ausgesetzt ist (a.a.O., S. 654). Bildung ist somit ein
Eine in diesem Sinne kritische Didaktik macht es notwendig, eine Theorie der Bildungsinhalte mit einer Theorie der Bildungssubjekte zu verbinden. Im Prozess der wechselseitigen Erschließung von Bildungsgegenstand und lernendem Subjekt geht es weder um Tyrannei der Bildungsinhalte noch um subjektivistische Selbsterbauung. Für eine emanzipative Selbstfindung des Subjekts müssen "die
Wirklichkeitskonstruktionen [...] mit Bildungsinhalten in Konfrontation gebracht 4.0 Literaturnachweis 4.1 Textgrundlage Die vorstehenden Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf dem Aufsatz von
4.2 Quellenangaben Ausgewählte Literatur, auf die im o.g. Aufsatz sowie im Text dieses "Bausteins" Bezug genommen wird:
Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis sowie wichtige Grundlagenliteratur finden Sie auf der Webseite "Literaturgrundlage". [ Zurück zur
Übersicht ] Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08 |