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Das Modell

Begriff, Funktionen, didaktische Verwendung

Übersicht
1.0 Nur ein Modebegriff?
2.0 Wortgeschichte und Wortgebrauch
       2.1 Die Pole des Modellbegriffes
3.0 Modelle in der Didaktik
       3.1 Eine Typologie didaktisch wichtiger Modelle
       3.2 Modelle als Repräsentanten von Wirklichkeit
       3.3 Modelle als Entwürfe für Wirklichkeit
       3.4 'Historische' Modelle im Unterricht
4.0 Erzieherischer Ausblick
5.0 Literaturgrundlage
6.0 Anhang: »Urbild«

1.0 Nur ein Modebegriff ?

Kein Zweifel - der Begriff „Modell" hat Hochkonjunktur und ist geradezu in Gefahr, zu einem Modebegriff zu verkommen. Seine Leistungsfähigkeit, Tiefe und Anerkanntheit verführt immer wieder dazu, sich seiner auch in Zusammenhängen zu bedienen, in denen ohne weiteres schlichter gesprochen werden könnte. Der sprachliche Missbrauch geht manchmal bis in die Nähe der Hochstapelei.

Modelle haben jedoch - unabhängig von modischem Wortgetöse - in Wissenschaft, Technik und Kunst eine zentrale Funktion; das gilt auch für die Didaktik. In den Bausteinen zum Thema 'Medien/Operationsobjekte' werden Modelle lediglich erwähnt, aber nicht behandelt. Deshalb müssen die Merkmale, die Modellen als Operationsobjekten eignen, gesondert dargestellt und erörtert werden.

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2.0 Wortgeschichte und Wortgebrauch

Der Begriff „Modell" geht auf das lateinische Wort 'modulus' zurück; dessen Begriffskern bezeichnete das Grundmaß, das alle Proportionen eines Tempels bestimmte.

Im älteren, bäuerlich-vorindustriellen Deutsch bezeichnet das Lehnwort „Model" flache Hohlformen für die Herstellung von figürlichem Gebäck sowie erhabene Druckstöcke für das Bedrucken von Stoff oder die Tapetenherstellung.

In das moderne Deutsch ist der Begriff aus dem Italienischen ein zweites Mal übergegangen. Die Bedeutung des Wortes „Modell" schwingt um einen Bedeutungskern, der folgende Elemente enthält:

  • Urbild, Vorbild,  Abbild
  • Entwurf, Form, Nachbildung

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2.1 Die Pole des Modellbegriffes

Modelle stehen in einem Spannungsverhältnis zur „eigentlichen" Wirklichkeit, oft als Vorgriff auf diese, wie bei Modellen für Glocken, Gussplastiken, technische Gussstücke oder auch Bauten deutlich wird.

Der Begriff „Modell" enthält zwei dialektisch aufeinander bezogene Pole:

  • Vorbild bzw. Entwurf für eine erst noch zu schaffende Wirklichkeit;
  • Abbild oder Nachbildung einer bestehenden oder - als Rekonstruktion -
    einer vergangenen Wirklichkeit.

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3.0 Modelle in der Didaktik

Modelle, die eine Wirklichkeit abbilden, eignen sich - zumal in den naturwissenschaftlichen Fächern - besonders gut dazu, die Begegnung zwischen dem Lernenden und der Sache herzustellen. Ihre anschauliche und übersichtliche Gegenständlichkeit erleichtert es

  • dem Lernenden, Erkenntnisse selbst zu gewinnen.
  • dem Lehrenden, Erkenntnisse darzustellen und zu vermitteln,

An dieser Stelle zeichnet sich eine entscheidende Erweiterung des Modellbegriffes ab. Als Modell können nämlich auch rein gedanklich-abstrakte Entwürfe verstanden werden, die der - zunächst hypothetischen - Durchdringung einer komplexen Wirklichkeit dienen oder lediglich als Interpretationsmuster zu verstehen sind.

In diesem Baustein sollen die Merkmale, Leistungen und Grenzen, die Modellen im Zusammenhang mit didaktischen Aufgaben eigentümlich sind, näher untersucht werden.

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3.1 Eine Typologie didaktisch wichtiger Modelle

Aus den o.g. Funktionen lässt sich eine Typologie von Modellfunktionen entwickeln (nach Volker Pietsch, Leiter des 1. SPS Pankow).

  • Forschungsmodelle

- deskriptive Modelle:
  sie beschreiben zunächst noch unbekannte Sachverhalte experimentell

- konzeptionelle Modelle:
  sie stellen Hypothesen über funktionale Zusammenhänge auf

  • Lehr- und Lernmodelle

- synthetische Modelle:
  sie stellen bekannte Sachverhalte vor. Nach didaktischer Transformation lassen
  sich folgende für die Unterrichtspraxis wichtige Modelltypen unterscheiden:

o Prozessmodelle
  zeigen die Abfolge von verschiedenen Zuständen.

o Prinzipmodelle
  stellen Strukturen und Funktionsprinzipien dar - 
  meist in stark reduzierter und abstrakter Form.

o Funktionsmodelle
   bilden Verlauf von Prozessen ab, ermöglichen die Analyse 
   von Funktionen und Mechanismen.

o Strukturmodelle
  sind statische Modelle der Morphologie und Anatomie.

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3.2 Modelle als Repräsentanten von Wirklichkeit

Modelle sind mit der Wirklichkeit, die sie abbilden oder repräsentieren, nicht identisch. Im Gegenteil - sie sind ein Bild, das sich das erkennende Subjekt von der Wirklichkeit macht und/oder anderen von der Wirklichkeit vermitteln will.

Modelle zeichnen sich im Verhältnis zur Wirklichkeit durch die Beschränkung auf das jeweils Wesentliche aus.

Mithin werden - insbesondere für Unterricht gedachte - Modelle von der jeweils gegebenen Vermittlungsabsicht bestimmt. Das verdeutlichen die folgenden typischen Beispiele:

Modelle können

  • prinzipiell nicht zugängliche Originale ersetzen und dadurch für Unterricht erschließen;
  • sehr große oder sehr kleine Originale durch Verkleinern bzw. Vergrößern für Unterricht zugänglich machen (z. B. Sonnensystem, Atome und Moleküle);
  • unwichtige Details weglassen und durch Vereinfachung Fasslichkeit schaffen;
  • wichtige Elemente betonen sowie gegeneinander absetzen und dadurch Übersichtlichkeit schaffen;
  • das Üben von manuellen Fertigkeiten ermöglichen, die am Original nicht gewonnen werden können oder dürfen (insbesondere in medizinischen Ausbildungsgängen);
  • auf die erfolgreiche Bewältigung von komplexen Ernstsituationen vorbereiten (z. B. in Fahr- und Flugsimulatoren).

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3.3 Modelle als Entwürfe für Wirklichkeit

Modelle, die eine Wirklichkeit entwerfen, spielen im Unterricht ebenfalls eine bedeutende Rolle. Schon in der Mittelstufe, vor allem jedoch in der Oberstufe sind Unterrichtssituationen denkbar, in denen die Entwicklung eines - meist ungegenständlichen - Modells dabei helfen kann,

  • Einsichten und Verständnis zu gewinnen,
  • Hypothesen zu formulieren,
  • Ergebnisse vorherzusagen,
  • Pläne und Lösungsstrategien zu entwickeln.

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3.4 'Historische' Modelle im Unterricht

Unterricht soll den Schülern nicht allein Kenntnisse, sondern vor allem auch Methodenbewusstsein vermitteln. Deshalb kann es in den Naturwissenschaften, aber auch in geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern besonders sinnvoll sein, wissenschaftsgeschichtlich bedeutsame Denkmodelle unter exemplarischen Gesichtspunkten zu behandeln. Insbesondere lässt sich an ihnen die dialektische Doppelfunktion von Modellen, Abbild und Entwurf zugleich zu sein, verständlich machen.

4.0 Erzieherischer Ausblick

Unterricht hat über seine informierende und instruierende Funktion hinaus immer auch erzieherische Wirkungen. Davon ist ein beachtlicher Teil nicht beabsichtigt, und dennoch vollzieht er sich - weitgehend unbemerkt. Deshalb sprechen Erziehungssoziologen vom 'hidden curriculum', dem unsichtbaren Lehrplan; manche Schulkritiker bezeichnen ihn sogar als den eigentlichen Lehrplan; Einzelheiten zu diesem Thema finden Sie auf der Webseite „Was auch gelernt wird - Der unsichtbare Lehrplan"

Wir Lehrer müssen uns der Tatsache bewusst sein, dass der Modellbegriff nicht nur eine didaktische Seite, sondern auch eine kommunikationspsychologische Seite hat. Jeder von uns ist Modell, insbesondere Modell für Haltungen und Fehlhaltungen, Tugenden und deren Gegenteil. Die positiven und - erst recht - die negativen Aspekte unseres Verhaltens haben für Schüler Leitbildfunktion; sie verstärken unsere erzieherischen Bemühungen oder konterkarieren sie.

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5.0 Literaturgrundlage

  • Herbert STACHOWIAK
    Allgemeine Modelltheorie
    Wien, Berlin 1973
  • Herbert STACHOWIAK (Hrsg.)
    Modelle und Modelldenken im Unterricht
    Anwendung der Allgemeinen Modelltheorie auf die
    Unterrichtspraxis
    München 1980
  • Roland MÜLLER
    Zur Gesichte des Modellbegriffs und des Modelldenkens
    im Bezugsfeld der Pädagogik
    in: 
    STACHOWIAK (1980), S. 202 - 224
  • Christian SALZMANN
    Gedanken zur Bedeutung des Modellbegriffs 
    in Unterrichtsforschung und Unterrichtsplanung
    Pädagogische Rundschau 26 (1972), S. 468 ff.
    abgedruckt auch 
    in:
    Leo ROTH - Gerhardt PETRAT
    Unterrichtsanalysen in der Diskussion
    Braunschweig 1974, S. 171 - 205
  • Christian SALZMANN - Wolf-Dieter KOHLBERG
    Modellunterricht und Unterrichtsmodell
    Zeitschrift für Pädagogik 29 (1983), 929 ff.
  • Gerhard SCHAEFER - Gerhard TROMMER - Klaus WENK (Hrsg.)
    Denken in Modellen
    Braunschweig 1977
  • Klaus WENK - Gerhard TROMMER (Hrsg.)
    Unterrichten mit Modellen
    Braunschweig 1978
  • Theodor WILHELM
    Modellvorstellungen 
    in: 
    Theorie der Schule
    Stuttgart 1969, S. 305 - 308

Die Bücher von SCHAEFER und WENK enthalten zahlreiche Beispiele und Vorschläge für die - insbesondere naturwissenschaftliche - Unterrichtspraxis.

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6.0 Anhang: »Urbild«

Dem Begriff »Urbild« kommt in GOETHEs Denken große Bedeutung zu. 
In seinem Gedicht »Metamorphose der Tiere« heißt es:

"Zweck sein selbst ist jegliches Tier, vollkommen entspringt es
Aus dem Schoß der Natur und zeugt vollkommene Kinder.
Alle Glieder bilden sich selbst aus nach ew'gen Gesetzen
Und die seltenste Form bewahrt im Geheimen des Urbild."

Quelle:

  • Johann Wolfgang Goethe
    Weimarer Klassik 1798 - 1806
    Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens
    München 1986, Band 6.1, S. 17, dazu Kommentar S. 882 f.,
    herausgegeben von Victor LANGE
    ferner 
    Zur Naturwissenschaft überhaupt, besonders zur Morphologie,
    München 1989, Band 12, Kommentar S. 977,
    herausgegeben von Hans J. BECKER u.a.
    sowie
    Die Jahre 1820 - 1826
    München 1992, Band 13.1, S. 153, dazu Kommentar S. 719
    herausgegeben von Gisela HENCKMANN

In seinem Festspiel »Pandora« lässt er Prometheus zu einer Gruppe von Hirten wie folgt sprechen:

"Entwandelt friedlich! Friede findend geht ihr nicht.
Denn solches Los dem Menschen wie den Tieren ward,
Nach deren Urbild ich mir bessres bildete, 
Daß eines dem anderen, einzeln oder auch geschart, 
Sich widersetzt, sich hassend aneinander drängt,
Bis eins dem andern Übermacht bestätigte."

Quelle:

  • ders.
    Epoche der Wahlverwandtschaften, 
    Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens
    München 1987, Band 9, S. 160
    herausgegeben von Christoph SIEGRIST u.a.

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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