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Didaktische
Transformation
Sachanalyse,
didaktische Analyse, didaktische Reduktion
Übersicht
1.0 Grundlagen
1.1 Das Problemfeld
1.2 Didaktische Transformation
2.0 Praxis der Unterrichtsplanung
2.1 Zentrale Aufgabe des Lehrers -
die Frage
nach dem Sinn
2.2 Zur Klärung der Begriffe
3.0 Das Instrumentarium
3.1 Sachanalyse
3.2 Didaktische Analyse
3.3 Didaktische Reduktion
4.0 Anhang: Der Begriff "Struktur"
5.0 Literaturgrundlage
1.0 Grundlagen
1.1 Das
Problemfeld
Die didaktische Diskussion hat zu einem
differenzierteren Verständnis von Unterricht und seinen Aufgaben geführt, als es in der
"alten" Schule üblich war. Dennoch sind Inhalte - "Stoffe" -
nach wie vor ein zentraler Gegenstand von Didaktik und eine aktuelle Aufgabe für
Unterrichtsplanung. Immer sind Entscheidungen über Inhalte zu treffen.
1.2 Didaktische
Transformation
Aufgabe und Ziel dieser Entscheidungen
ist es, Kulturgüter in Bildungsgüter umzuwandeln,
zu "transformieren". Karl ASCHERSLEBEN (1993) hat
dafür den Begriff "Didaktische Transformation" vorgeschlagen; er
greift Wolfgang KLAFKIs Begriff "Didaktische Analyse" auf, stellt ihn
jedoch auf eine breitere Basis und in einen weiteren Zusammenhang.
ASCHERSLEBEN sieht vier Aufgaben
für didaktische Transformation:
- Die Sachstruktur
des Unterrichtsgegenstandes muss untersucht werden; in Verbindung damit muss sich der
Lehrer seiner fachlichen Voraussetzungen vergewissern.
- Der Unterrichtsgegenstand muss schülergemäß
sein.
- Die Wahl des Unterrichtsgegenstandes muss
durch triftige Gründe gerechtfertigt - legitimiert - werden.
- Der Unterrichtsgegenstand muss vereinfacht
werden, und zwar
quantitativ:
der Umfang des Unterrichtsgegenstandes muss eingegrenzt
werden;
qualitativ:
die Schwierigkeit des Unterrichtsgegenstandes muss vereinfacht
werden.
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2.0 Praxis der
Unterrichtsplanung
Bei der Planung von Unterricht kommt es
zunächst darauf an, sich eine Grundlage zu verschaffen, von der aus die Zielsetzung
des Unterrichts abgeleitet wird. Die dazu notwendigen Arbeitsgänge sind einander
nicht hierarchisch über- und nachgeordnet, sondern beziehen sich in dialektischer
Wechselwirkung aufeinander.
2.1 Zentrale
Aufgabe des Lehrers - die Frage nach dem Sinn
Die Unterrichtsgegenstände
("Bildungsinhalte", KLAFKI) müssen in der Absicht untersucht werden, die
Beschäftigung mit ihnen für die Schüler sinnvoll sein und sie die Arbeit an
ihnen als sinnvoll erleben zu lassen.
Mithin kommt es darauf an - um in KLAFKIs
Worten zu sprechen -, ihren Bildungsgehalt für die Schüler zu erschließen.
"Bildung"
ist kein statischer Begriff; sein Verständnis und seine Elemente unterliegen dem Wandel.
Worin Bildung bestehen und inwiefern die Beschäftigung mit den jeweils gegebenen
Unterrichtsgegenständen bildend sein kann, ist deshalb eine Frage, auf die es keine
selbstverständlichen, vorab gültigen Antworten gibt. Bildung ist jedoch stets
ein Bezugspunkt von Unterricht und Erziehung. Problemanalyse, Vertiefungen und
Interpretationsmöglichkeiten zu dieser Thematik finden Sie auf der Webseite "Bildung".
Der Bildungssinn eines
Unterrichtsgegenstandes muss also immer wieder von neuem aufgespürt und bestimmt werden.
Das ist eine zentrale Aufgabe jedes einzelnen Lehrers; sie kann immer nur im
Hinblick auf eine ganz bestimmte Lerngruppe gelöst werden.
Seitdem die Ergebnisse von
TIMSS und PISA vorliegen, wird der Begriff »Bildungssinn« kritisch gesehen
und/oder neu interpretiert. Einen aktuellen Beitrag zu dieser Diskussion
finden Sie auf der Webseite "Lernziel:
Intelligentes Wissen".
2.2 Zur
Klärung der Begriffe
Im Unterricht ereignet sich die Begegnung
zwischen dem Schüler und der Sache. Bei der Lösung der genannten Aufgabe
stellen sich also zwei Fragen:
- Wie ist der Unterrichtsgegenstand (die
"Sache") beschaffen?
Was sind seine Strukturen?
- Worin liegt sein Bildungswert für
die Schüler?
In der didaktischen Literatur werden die
Beziehungen und Verknüpfungen, die zwischen diesen beiden Fragen bestehen,
unterschiedlich und zum Teil kontrovers behandelt. Die nachstehenden Ausführungen sollen
dazu dienen, einen undogmatischen, handlungsbezogenen Sprachgebrauch anzubahnen und
damit nicht nur die Arbeit, sondern auch die gegenseitige Verständigung zu erleichtern.
Im Sinne dieser Absicht scheint es
nützlich, drei aufeinander bezogene Arbeitsschritte zu unterscheiden:
- Sachanalyse,
- didaktische Analyse,
- didaktische Reduktion.
Diese herkömmlichen Bezeichnungen werden
absichtlich beibehalten, weil sie sich im Anschluss an KLAFKIs grundlegende Arbeiten
eingebürgert und bewährt haben.
Sachanalyse
Die Sachanalyse dient dazu, Aufschluss über die wesentlichen Elemente und die zwischen
ihnen bestehenden Zusammenhänge, also die Struktur des Unterrichtsgegenstandes
zu gewinnen, und stellt damit die sachbezogenen Voraussetzungen für weitere
Entscheidungen bereit. Sie ist somit niemals Selbstzweck, sondern bezieht sich
immer auf den Unterricht.
Die bei der Untersuchung der Sache
gewonnenen Ergebnisse erweisen die Sachanalyse, unter funktionalem Blickwinkel betrachtet,
als Sachstrukturanalyse.
Didaktische Analyse
Die didaktische Analyse dient dazu, den Sinngehalt des Unterrichtsgegenstandes zu
erschließen und damit die Grundlage für Zielsetzung und Arrangement des Unterrichts zu
schaffen. Eine Rückkopplung zur Sachanalyse kann zunächst übersehene Sachverhalte
auffinden helfen.
Didaktische Reduktion
Die didaktische Reduktion dient dazu, Umfang und Schwierigkeit des
Unterrichtsgegenstandes auf die Leistungsfähigkeit der Schüler
abzustimmen. In ihr verbinden sich Folgerungen aus den beiden anderen Arbeitsschritten und
bilden die unmittelbare Grundlage für die Zielformulierung eines Unterrichts, der den
Lernvoraussetzungen der jeweiligen Lerngruppe entspricht.
Reduktionen sind sowohl im Anschluss an
die Sachanalyse aus im Stoff liegenden Gründen erforderlich als auch bei der Auswahl der
im Unterricht zu behandelnden Aspekte des Unterrichtsgegenstandes.
Reduktionsentscheidungen können also bereits während der Sachanalyse gegeben sein und
müssen spätestens im Anschluss an die didaktische Analyse getroffen werden.
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3.0 Das
Instrumentarium
Zur Lösung der dargestellten Aufgaben
wird im folgenden ein Instrumentarium von Leitfragen vorgestellt. Es hat den Charakter
einer Checkliste und dient dazu, die Fragen aufzuspüren, die in der konkreten
Planungssituation bearbeitet werden müssen.
3.1 Sachanalyse
In der Sachanalyse müssen folgende
Punkte untersucht werden:
Die Voraussetzungen des Lehrers
- Hat der Lehrer das nötige Sachwissen?
Beherrscht er die Sachgrundlage des Unterrichts in allen wesentlichen Elementen?
- Welche Interessen, Vorlieben, Abneigungen
empfindet der Lehrer gegenüber dem Unterrichtsgegenstand?
- Wie beurteilt der Lehrer die Bedeutsamkeit
des Unterrichtsgegenstandes?
Die Strukturmerkmale
des Unterrichtsgegenstandes
- In welchem größeren Sachzusammenhang
steht der Unterrichtsgegenstand?
- Was sind die wesentlichen Strukturmerkmale
des Unterrichtsgegenstandes?
- Besteht zwischen den einzelnen
Strukturmerkmalen ein logisch-kausaler Zusammenhang?
- Enthält der Unterrichtsgegenstand mehrere
Sinn- und Bedeutungsschichten?
- Welche Kenntnisse und Erfahrungen sind zum
Verständnis des Unterrichtsgegenstandes erforderlich?
- Welches Mindestwissen muss
vermittelt werden, um sachgerechtes Verständnis des Unterrichtsgegenstandes zu
gewährleisten?
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3.2 Didaktische
Analyse
In der didaktischen Analyse
müssen folgende Punkte untersucht werden:
- Hat der Unterrichtsgegenstand exemplarische
(typische, repräsentative, elementare) Bedeutung? - Wenn ja, welche?
- Hat der Unterrichtsgegenstand für die
Schüler dieser Lerngruppe Gegenwartsbedeutung? - Wenn ja, welche?
- Hat der Unterrichtsgegenstand für die
Schüler dieser Lerngruppe Zukunftsbedeutung? - Wenn ja, welche?
- Welche Bedeutung sollte er haben?
- Hat der Unterrichtsgegenstand Gegenwarts-
und Zukunftsbedeutung für den Aufbau eines Fachverständnisses? - Wenn ja, welche?
- Hat der Unterrichtsgegenstand Gegenwarts-
und Zukunftsbedeutung für den Aufbau eines Welt- und Sinnverständnisses? - Wenn
ja, welche?
- Bietet der Unterrichtsgegenstand mögliche
Zugänge für die Behandlung im Unterricht? - Wenn ja, welche?
- Gibt es Merkmale des
Unterrichtsgegenstandes, die den Schülern dieser Lerngruppe den Zugang zu ihm erschweren
könnten? - Wenn ja, welche?
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3.3 Didaktische
Reduktion
Bei diesem Arbeitsschritt ist zu klären,
welche Reduktionen des Unterrichtsgegenstandes notwendig bzw. möglich sind. Dafür sind
im wesentlichen folgende Gesichtspunkte sinnvoll und geeignet:
- Eingrenzung:
Der Umfang des Unterrichtsgegenstandes wird soweit eingegrenzt, dass dessen Bearbeitung in
der zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist.
- Vereinfachung:
Die Schwierigkeiten des Unterrichtsgegenstandes werden vereinfacht.
- Verdichtung:
Detailreichtum und Komplexität des Unterrichtsgegenstandes werden herabgesetzt.
Konzentration arbeitet die wesentlichen Aspekte heraus.
- Straffung:
Die Unübersichtlichkeit des Unterrichtsgegenstandes wird herabgesetzt, sein Gehalt
herausgearbeitet.
- Veranschaulichung:
Ein abstrakter Unterrichtsgegenstand wird anschaulich gemacht.
- Isolierung:
Der Unterrichtsgegenstand wird aus seinen verwickelten Zusammenhängen gelöst und durch
Isolation fassbar gemacht.
Einfacher und generell
formuliert:
Umfang und Schwierigkeit des Lernstoffes
müssen soweit begrenzt bzw. herabgesetzt werden, dass er in der zur Verfügung stehenden
Zeit behandelt sowie von den Schülern lernend und verstehend bewältigt werden kann.
In Verbindung mit den
Reduktionsentscheidungen bewährt sich in der Regel eine bewusste Schwerpunktsetzung.
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4.0 Anhang: Der
Begriff "Struktur"
Da der Begriff Struktur
in den vorstehenden Ausführungen eine zentrale Rolle spielt, sei er hier kurz erläutert.
Die Brockhaus Enzyklopädie (Wiesbaden 1973, Bd. 18) beschreibt ihn wie folgt:
"Struktur" [lat.,
von struere »errichten, bauen«, der innere Aufbau, das Bezugs- und Regelsystem
einer komplexen Einheit (Ganzheit), in dem die Elemente innerhalb dieses Ganzen eine je
eigene Aufgabe erfüllen. [...] In vielen Wissenschaften ist der S.-Begriff zu einem
Grundbegriff geworden." Für eine umfassende Information zu Geschichte und Bedeutung
dieses zentralen Begriffs wird auf den Artikel System, Struktur von Manfred
RIEDEL (1990, Bd. 6 S. 285 - 322; vgl. unten Nr. 6.0) verwiesen.
5.0
Literaturgrundlage
- Wolfgang KLAFKI
Didaktische Analyse als Kern der Unterrichtsvorbereitung
Die Deutsche Schule 50 (1958), 450 ff.
Bearbeitete Fassung in Auswahl Reihe A Heft 1
Hannover 1964, S. 5 - 34
- ders.
Zur Neufassung der Didaktischen Analyse im Rahmen
kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft
Westermanns pädagogische Beiträge 32 (1980), 35 ff.
Überarbeitete Fassung unter dem Titel
- ders.
Zur Unterrichtsplanung im Sinne kritisch-konstruktiver Didaktik
in: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik
Weinheim 19912, S. 251 - 270 -
- Wolfgang KRAMP
Hinweise zur Unterrichtsvorbereitung für Anfänger
Die Deutsche Schule 54 (1962), H.1.
Nachdruck in Auswahl Reihe A Heft 1, S. 35 - 64.
Aufgegriffen und weitergeführt
wird die Erörterung von
- Gustav GRÜNER
Die didaktische Reduktion als Kernstück der Didaktik
Die Deutsche Schule 59 (1967), 414 ff.
- Friedrich HEINEMANN - Günther
WITTKOWSKI
Die Sachanalyse
Die höhere Schule 32 (1979), 352 ff.
- Hilbert MEYER
Leitfaden zur Unterrichtsvorbereitung
Königstein im Taunus 1980
- Wilhelm H. PETERSZEN
Handbuch Unterrichtsplanung
Grundfragen, Modelle, Stufen, Dimensionen
München 2000, 9., aktualisierte und überarbeitete Auflage, S. 47
- Horst RUMPF
Zum Problem der didaktischen Vereinfachung
in:
ders. (Hrsg.)
Schulwissen
Zum Problem der Analyse von Unterrichtsinhalten
Göttingen 1971, S. 68 - 82
- Christian SALZMANN
Die Vereinfachung als didaktisch-methodisches Problem
Pädagogische Rundschau 24 (1970), 106 ff.
- ders.
Elementarisierung und Vereinfachung als Kernproblem des Lehr/Lernprozesses
Pädagogische Rundschau 36 (1982), 535 ff.
- Peter VOGEL
Didaktische Reduktion
in:
Enzyklopädie Erziehungswissenschaft
Band 3: Ziele und Inhalte des Unterrichts
hrsg. von Dieter LENZEN
Stuttgart 1983, S. 567 - 581
- Hellmuth WALTHER
Die didaktische Analyse als Voraussetzung einer effektiven
Unterrichtsplanung und -realisation
Blätter für Lehrerfortbildung 7 (1979), 280 ff.
Neuerdings wird das Thema auf eine
bereitere Basis und in einen weiteren Zusammenhang gestellt von
- Karl ASCHERSLEBEN
Welche Bildung brauchen Schüler?
Vom Umgang mit dem Unterrichtsstoff
Bad Heilbrunn 1993
- Nachweis zu Nr. 4.0:
Otto BRUNNER - Werner CONZE - Reinhart KOSELLECK (Hrsg.)
Geschichtliche Grundbegriffe
Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland
Stuttgart 1990
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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