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Lernen ist komplex und vielschichtig

Lernen pädagogisch gesehen

Übersicht
1.0 Die Grundfrage - Was ist Lernen?
2.0 Lernen in pädagogischer Sicht
      2.1 Die Entfaltung des Lernbegriffs
      2.2 Die verschiedenen Arten des Lernens
      2.3 Lernen - neu interpretiert
      2.4 Lernen von außen betrachtet

1.0 Die Grundfrage - Was ist Lernen?

Auf der Webseite "Was ist Lernen? Die Sicht der empirischen Lernpsychologie" wird Lernen als Verhaltensänderung auf Grund individueller Erfahrung vorgestellt. 

In der Biologie und in der Lernpsychologie werden als »Verhalten« alle Reaktionen eines Organismus verstanden, die 

  • unmittelbar beobachtet,
  • mit Instrumenten festgestellt
  • oder auf andere Weise sicher erschlossen werden können.

Dieser Begriff ist außerordentlich allgemein. Weil man ihn leicht mit dem umgangssprachlichen Ausdruck »Verhalten« verwechseln kann, wird er außerdem oft missverstanden. Deshalb wird dieses Wort für das Lernen von Menschen, insbesondere für die vielschichtigen Formen schulischen Lernens, nicht oder nur widerwillig angenommen. 

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2.0 Lernen in pädagogischer Sicht

Engt man jedoch den Begriff Verhalten ein und bezieht ihn auf umschriebene Aufgabenstellungen und Ziele in Unterricht und Erziehung, so gewinnt man ein Verständnis von Lernen, das sich zum Ausgangspunkt einer handlungsorientierten Didaktik, also eines operativen Verständnisses von Didaktik eignet; vgl. dazu die Webseite "Das Operationsobjekt".

"Pädagogisch gesehen, bedeutet Lernen
die Verbesserung oder den Neuerwerb
von Verhaltens- oder Leistungsformen und deren Inhalten."

(Heinrich ROTH)

Lernen wird hier als die tätige Auseinandersetzung des Lernenden mit seiner Lebenswelt und deren daraus folgende Aneignung oder Bewältigung verstanden. Folglich geht es immer um Lernhandlungen und Lernakte. Da sich schulisches Lernen in großem Umfang auf Inhalte bezieht, bedeutet das:

"Lernen ist nicht die Abbildung von Außenstrukturen im Gedächtnis,
sondern ein konstruktiver Akt der Neukonstruktion
und der Verknüpfung kognitiver Strukturen."
(Annette SCHEUNPFLUG, 2001, S. 70)

Vertiefungen zu dieser Auffassung finden Sie auf der Webseite "Lernen ist »Konstruktion« - Die Welt entsteht im Kopf". Übrigens hat schon der große Aurelius AUGUSTINUS Lernen nicht als passives Empfangen verstanden, sondern als aktives Fürwahrhalten, Fürwerthalten und Fürschönhalten. Lehren ist demnach nicht Vermitteln von Kenntnissen und Inhalten, sondern nur Anstoß dazu, eigene Einsichten zu gewinnen (Winfried BÖHM 2004, S. 38).

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2.1 Die Entfaltung des Lernbegriffes

Auch dieses Verständnis von Lernen ist noch sehr allgemein; es bedarf also der weiteren Ausformung. Dazu dienen die folgenden Ausführungen.

  • Lernen meint die Änderung und Verbesserung der diesen Verhaltens- und Leistungsformen vorausgehenden und sie bestimmenden seelisch-geistigen Funktionen - des Wahrnehmens und Denkens, des Fühlens und Wertens, des Strebens und Wollens.

  • Lernen ist mithin eine Veränderung der inneren Fähigkeiten und Kräfte, aber auch der durch sie aufgebauten inneren Wissens-, Gesinnungs- und Interessenbestände des Menschen.

  • Die Verbesserung oder der Neuerwerb muss aus Erfahrung, Probieren, Einsicht, Übung oder Lehre folgen und dem Lernenden den künftigen Umgang mit sich selbst, mit anderen Menschen, mit der Welt erleichtern, erweitern oder vertiefen.
    Das Lernen muss ihm dabei helfen, sich selbst besser zu verwirklichen, "sich in die Welt hineinzuleben". Das Lernen muss ihm auch dabei helfen, die Inhalte und Forderungen der Welt angemessener zu verstehen und zu erfüllen, ihnen besser gewachsen zu sein.

  • Wir hoffen, dass wir nach dem gelungenen Abschluss eines Lernprozesses gleiche, ähnliche und neue Aufgaben des Lebens besser lösen können.

  • Lernen umfasst auch den Abbau von Verhaltens- und Leistungsformen, die dem Lernenden den Umgang mit sich oder der Welt erschweren, beengen oder verflachen.

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2.2 Die verschiedenen Arten des Lernens

Die Vielfalt schulischer Lerngegenstände legt es nahe, die folgenden Bereiche von Lernen,
d.h. Lernarten, zu unterscheiden.

  • Lernen, bei dem das Hauptziel das Können ist, das Automatisieren von Fähigkeiten zu motorischen und geistigen Fertigkeiten.

  • Lernen, bei dem gedankliche Durchdringung eines Sachverhaltes (Denken, Erkennen, Verstehen, Einsehen, Problemlösen) die Hauptsache ist.

  • Lernen, bei dem das Behalten und Präsenthaben von Wissen das Ziel ist.

  • Lernen, bei dem es das Hauptziel ist, sich Verfahren anzueignen (zu arbeiten, zu lernen, zu forschen, nachzuschlagen lernen).

  • Lernen, bei dem die Übertragung auf andere Gebiete die Hauptsache ist, also die Steigerung der Fähigkeiten und Kräfte (z.B. Latein lernen, um sich romanische Sprachen besser aneignen zu können).

  • Lernen, bei dem der Aufbau einer Gesinnung, Werthaltung oder Einstellung das Hauptziel ist.

  • Lernen, bei dem es vor allem darauf ankommt, ein vertieftes Interesse an einem Gegenstand zu gewinnen (Differenzierung der Bedürfnisse und Interessen).

  • Lernen, bei dem ein verändertes Verhalten, z.B. gegenüber Schwierigkeiten oder im Umgang mit anderen Menschen, das Hauptziel ist.

Ausgearbeitet nach:
     Heinrich ROTH
     Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens
     Hannover 1976, 15. Auflage, S. 188, 202

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2.3 Lernen - neu interpretiert

Hier ist auf ein Verständnis von Lernen hinzuweisen, dass jüngst von Klaus PRANGE (2005) vorgetragen worden ist. Er nimmt dabei einen Standpunkt ein, der sich von den gängigen Auffassungen des Lernens souverän absetzt.

PRANGE formuliert (a.a.O., S. 87) folgenden Kerngedanken:

"Das Lernen ist in der Pädagogik vom Erziehen und seiner maßgebenden Operation, dem Zeigen, her zu erfassen, nicht um anderes Wissen abzuwehren, sondern um es unter den Maßgaben pädagogischer Erfahrung rezipieren zu können."

Sodann entwickelt (S. 86 f.) er drei "fundamentale Einsichten" zur Bedeutung des Lernens für das Zeigen:

  • "Lernen ist der Erziehung und der Erziehungswissenschaft unableitbar vorgegeben.
  • Lernen ist unvertretbar.
  • Lernen ist im wesentlichen unsichtbar."

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2.4 Lernen von außen betrachtet

An dieser Stelle sei - gleichsam als Kontrastprogramm - eine Auffassung von Lernen vorgestellt, die einem verständnisvoll-wohlwollenden, aber auch strengen Blick von außen auf die schulische Wirklichkeit entstammt. Sechzig Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Schule und Hochschule und auf der Grundlage einer differenzierten Bedingungsanalyse haben, beraten durch Dieter LENZEN, ein Konzept für das deutsche Bildungswesen erarbeitet (2005, S. 5)

Darin wird ausgeführt:

"Ein optimales Verständnis sieht Unterricht heute nicht mehr als ausschließliche Tätigkeit des Lehrers, sondern als Aktivität des Lernenden. Deshalb 

  • darf Lernen nicht als passiver Vorgang betrieben werden,

  • muss Lernen konstruktiv sein und mentale Modelle aufbauen,

  • muss Lernen Zielen folgen,

  • muss Lernen den Aufbau von Wissen ermöglichen,

  • muss Wissensaneignung durch Unterricht systematisch erfolgen,

  • muss Lernen sowohl durch Unterweisung als auch durch selbstständiges Problemlösen stattfinden,

  • muss Lernen durch regelmäßiges Üben verbessert werden,

  • muss problemlösendes Lernen realitätsnah stattfinden,

  • muss Lernen die Lernvoraussetzungen der Individuen berücksichtigen,

  • ist erfolgreiches Lernen kooperatives Lernen."

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Quellennachweise

  • Annette SCHEUNPFLUG
    Evolutionäre Didaktik
    Unterricht aus system- und evolutionstheoretischer Perspektive
    Weinheim und Basel 2001

  • Winfried BÖHM
    Geschichte der Pädagogik
    Von Platon bis zur Gegenwart
    München 2004

  • Klaus PRANGE
    Das Lernen
    in:
    Die Zeigestruktur der Erziehung
    Grundriss der Operativen Pädagogik
    Paderborn 2005, S. 81 - 106
    Dazu die Besprechung von
    Norbert RICKEN
    Zeitschrift für Pädagogik 52 (2006) Nr. 6, S. 904 - 906

  • vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V.
    Bildung neu denken! Das Zukunftsprojekt
    2005


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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