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Aufbau und Funktion einer Lernkartei

1.0 Vorbemerkungen

Die Erkenntnisse der Lernforschung lassen sich für ein Verfahren systematischen Lernens nutzbar machen, das Effektivität und Zeitökonomie miteinander verbindet, sofern es konsequent angewandt – wird die Lernkartei.

Die Lernkartei eignet sich für die gründliche Erarbeitung der verschiedensten Stoffgebiete, empfiehlt sich jedoch insbesondere für Wortschatzarbeit. Deshalb wird sie hier als Vokabelkartei vorgestellt. Anderen Sachgebieten ist die Einrichtung der Lernkartei entsprechend den dargestellten Prinzipien jeweils anzupassen.

2.0 Der Grundgedanke

Die Vokabeln (oder der jeweilige elementarisierte Lernstoff) werden auf kleinen Karteikarten oder Zetteln notiert, und zwar

  • auf der Vorderseite das Wort in der jeweiligen Fremdsprache (oder die betr. Frage),

  • auf der Rückseite die deutsche Bedeutung (oder die betr. Antwort).

Damit wird das Lernmaterial isoliert und für ein Lernverfahren verfügbar gemacht, das die von Vokabel zu Vokabel (oder von Sachverhalt zu Sachverhalt) wechselnde Merk- und Lernfähigkeit berücksichtigt. So ergeben sich folgende Vorzüge:

  • Die Lernarbeit wird auf einen einzigen Lerngegenstand konzentriert. Werden Vokabeln aus einer Liste gelernt, so binden schon gelernte Vokabeln immer wieder Aufmerksamkeit und entziehen sie gleichzeitig den „sperrigen“ Vokabeln.

  • Die Lernintensität wird auf die Lernschwierigkeit abgestimmt.

  • Die Selbstkontrolle des Lernergebnisses ist realistisch, weil – anders als aus einer Liste – die Bedeutung nicht mehr, auch nicht für einen kurzen Augenblick, sichtbar ist. Das Lernen aus einer Liste jedoch täuscht oft einen Lernerfolg vor, der noch gar nicht erreicht ist.

  • Der mit dem Anlegen der Lernkartei verbundene Aufwand – Beschreiben der Karten, das Hantieren mit ihnen, Vorarbeiten mit der Fachliteratur – mag auf den ersten Blick lästig erscheinen, doch ist er ein wesentlicher Teil des Lernerfolges.

  • Insbesondere bei komplexeren Lerngegenständen erfüllt die Strukturierung und Durchdringung des Lernmaterials eine zentrale Empfehlung zur Lerntechnik.

Die Karten werden in einem Karteikasten geeigneten Formates aufbewahrt und dort mit Hilfe von Trennkarten sorgfältig gruppiert. Diese Trennkarten entsprechen dem Trainingsprogramm.

3.0 Das Trainingsprogramm

3.1 Neu Lernen

  • Neue Vokabel genau lesen und auf die Karte schreiben, dabei halblaut sprechen. Den dabei entstehenden Stapel zunächst zur Seite legen und eine andere Arbeit erledigen. Nach 20 bis 30 Minuten das Lernergebnis überprüfen.

  • Alle Karten, deren Wörter sich ohne Stocken wiedergeben lassen, werden unter dem Stichwort gekonnt abgelegt.

  • Wörter, die nicht oder nur mit Mühe gewusst werden, sammelt man unter dem Stichwort hartnäckig. Sie müssen in einem oder mehreren Durchgängen solange bearbeitet werden, bis sie ebenfalls als gekonnt abgelegt werden können.

  • Nunmehr kommen alle Karten in das Fach Erste Wiederholung.
    Noch ein wichtiger Hinweis: Die Karten gut mischen!

3.2 Erste Wiederholung

  • Sie findet am folgenden Tag statt. Wird die Vokabel sofort gewusst, erhält die Karte ein (+) und kommt in das Fach Zweite Wiederholung. Für stockend oder nicht gewusste Vokabeln wird ein (-) eintragen. Sie sind nach einer Unterbrechung erneut zu prüfen.

  • Besonders hartnäckige Wörter werden auf eine andersfarbige Karte – z.B. rot – geschrieben und in das Fach „hartnäckig“ eingeordnet.

3.3 Zweite Wiederholung

Sie findet nach zwei bis drei Tagen statt. Gekonnte Vokabeln werden wiederum mit (+) gekennzeichnet und kommen in das Fach Dritte Wiederholung. Im übrigen wird verfahren, wie unter „Erste Wiederholung“ beschrieben.

3.4 Dritte Wiederholung

  • Sie findet nach ein bis zwei Wochen statt. Wiederum wird verfahren, wie in den voraufgegangenen Schritten beschrieben.

  • Schließlich befinden sich alle Karten im Fach Mein Wortschatz; sie müssen jetzt mit dreifachem (+) gekennzeichnet sein. Trotzdem ist noch weitere Arbeit nötig:

3.5 Nochmals Auffrischen

Nach größeren Zeiträumen müssen alle schon einmal sicher erlernten Vokabeln erneut geprüft und ggf. aufgefrischt werden. Das sollte jeweils einige Tage vor einer Leistungsüberprüfung geschehen, keinesfalls am Tag unmittelbar davor.

4.0 Terminplanung und Arbeitsorganisation

Damit die Übersicht nicht verloren geht, sollten für die drei Wiederholungen Terminkarten geführt werden. Die im Fach Mein Wortschatz abgelegten Karten können alphabetisch geordnet werden. Immer ist darauf zu achten, dass bei der Lern- und Wiederholungsarbeit die Reihenfolge der Karten durch Mischen geändert wird.

Wichtig:
Für jeden Arbeitsgang sollen nicht mehr als 10, höchstens 15 Minuten verwendet werden. In dieser Zeit muss jedoch konzentriert gearbeitet werden, also

  • keine Gespräche führen,

  • keine Hintergrundsmusik hören

  • etc., etc. ...

5.0 Hintergrund und Erweiterung

Das hier beschriebene Verfahren wird in der Literatur vielfach vorgestellt und empfohlen. Eine ausführliche Darstellung findet sich z.B. bei

  • Sebastian LEITNER
    So lernt man lernen
    Angewandte Lernpsychologie - ein Weg zum Erfolg
    Freiburg 1972, 15. Auflage, S. 199 ff.

Das Verfahren kann auch auf andere, komplexere Wissensgebiete, als Vokabeln es sind, angewandt werden. Eine Anleitung dazu gibt LEITNER auf S. 205 ff.

Lernstoff, für den es wenig oder keine Assoziationen in bereits sicher vorhandenem Wissen gibt, erweist sich als besonders hartnäckig, z.B. Zahlen wie Telefonnummern oder Geschichtsdaten. Für die sichere Bewältigung dieser schwierigen Lernaufgabe beschreibt LEITNER eine interessante Variante der Lernkarten – die Lernpatience. Sie kann hier nicht referiert werden, man lese das Verfahren auf S. 119 ff. nach.

  • Weitere Literaturnachweise für die Webseiten dieses thematischen Bereiches 
    finden Sie hier.

  • Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
    für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
    finden Sie hier.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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