2.0 Einführung in die Themengruppe
Johann Wolfgang von GOETHE hat in seinem Bildungsroman Wilhelm
Meisters Lehrjahre" die Haltung des Erziehers so knapp und zutreffend
beschrieben, dass seine Aussage als Motto dieser Themengruppe zitiert wird.
Um das rechte Verständnis von Erziehung ist zu allen Zeiten
gerungen worden. Unmöglich, die Fülle der Aussagen zu überblicken. In unserer Zeit
schwanken und pendeln programmatische Äußerungen zwischen Überschätzung einerseits und
radikaler Ablehnung andererseits.
Nach einer Phase, in der Erziehung eher kritisch gesehen wurde,
ist jetzt eine zunehmend positive Erörterung ihrer Aufgaben zu beobachten. Der Ruf nach
Erziehung wird intensiver, die Verständigung über deren Aufgaben,
Ziele, Methoden
dringlicher.
Uns Lehrer muss nachdenklich machen, dass nicht nur
Erziehungswissenschaftler und Pädagogen einen fachlichen Diskurs führen, sondern
zunehmend interessierte Bürgerinnen und Bürger sich öffentlich über
die Erziehung und ihre Aufgaben äußern - so z.B. die Journalistin Doris
SCHRÖDER-KÖPF, die TV-Moderatoren Petra GERSTER und Christian
NÜRNBERGER; die Journalistin Susanne GASCHKE, die Journalistin Heike
SCHMOLL.
Für die Nachweise klicken Sie hier.
Keine Position ist jedoch so
selbstverständlich, wie es das in der Vergangenheit gegeben haben mag. Unstrittig scheint
und unbestreitbar ist nur eine - anthropologisch vorgegebene - Tatsache:
Ohne Erziehung
- worin immer sie bestehe und wie immer sie vollzogen werde -
ist menschliche Existenz nicht möglich.
Bereits der große
Humanist ERASMUS von Rotterdam hat das auf die lapidare Formel
gebracht (zitiert nach Winfried BÖHM 2004, S. 45):
»Homines
non nascuntur, sed finguntur.«
Zum
Menschen wird man nicht durch Geburt,
sondern durch Erziehung und Bildung.
Bei dieser Sachlage ist es für jeden
Lehrer, jede Lehrerin zwingend erforderlich, einen eigenen Standpunkt zu suchen, zu finden
und ihn zu begründen, um den Beruf verantwortlich und erfolgreich ausüben zu können.
Konflikte werden dennoch auftreten. Exemplarisch, doch
hoffentlich nicht repräsentativ ist die Äußerung einer achtzehnjährigen Schülerin,
die im Interview (Der Spiegel Nr. 23/3.6.2002, S. 67) über den Erziehungsanspruch der
Schule sagt, schließlich könne es ja nicht der Sinn sein, dass man sein
eigenes Wesen aufgibt, um so zu werden, wie der Lehrer einen haben möchte".
Die Bausteine dieser Themengruppe stellen
unterschiedliche Standpunkte, Informationen und Materialien zusammen. Sie
wollen vor allem als Anregung für eigenes Nachdenken verstanden werden und erheben
an keiner Stelle einen Anspruch auf Verbindlichkeit. Nur die Argumente gelten. Angesichts
der Fülle von Aussagen ist die Auswahl nicht frei von Subjektivität und Zufall, doch
versucht der Verfasser der Bausteine einen möglichst weiten und repräsentativen Horizont
zu entwerfen.
Sollte es nicht trotz aller kontroversen
Vielfalt der Auffassungen möglich sein, die Aufgabe der Erziehung in
einer prägnanten Formulierung zu erfassen?
GOETHE hat - schon hochbetagt - im
Gespräch mit Eckermann am 24. September 1827 echt
Tyrtäische Poesie" gefordert - eine Dichtung, die nicht bloß
Schlachtenlieder singt, sondern auch
den Menschen mit
Mut ausrüstet, die Kämpfe des Lebens zu bestehen."
Diese Forderung gilt
nicht nur
für Dichter und Schriftsteller, sondern auch für uns Lehrer.
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Literaturnachweise
-
Johann Wolfgang GOETHE
Wilhelm Meisters Lehrjahre, VIII, 4
Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens,
München 1988, Band 5, S. 533
herausgegeben von Hans-Jürgen SCHINGS
-
ders.
Johann Peter Eckermann
Gespräche mit Goethe, Teil 1
Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens,
München 1986, Band 19, S. 242
herausgegeben von Heinz SCHLAFFER
-
Winfried
BÖHM
Geschichte der Pädagogik
Von Platon bis zur Gegenwart
München 2004
-
Susanne GASCHKE
Die Erziehungskatastrophe
Kinder brauchen starke Eltern
Stuttgart 2001
-
Petra GERSTER - Christian
NÜRNBERGER
Der Erziehungsnotstand
Wie wir die Zukunft unserer Kinder retten
Berlin 2001
-
Heike SCHMOLL
Verweigerte Erziehung
Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 117 vom 21. Mai 2001
- Doris SCHRÖDER-KÖPF
Über ihr Interview mit der Bildwoche" berichtete der Tagesspiegel"
am 9. Mai 2001.
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