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Maßstäbe,
an denen sich Bildung bewähren muss
Übersicht
1.0 Einführung
2.0 Versuch, über den Essay »Bildung« zu referieren
2.1 Probleme
2.2 Notwendige Klärungen
2.3 Maßstäbe
3.0 Die drei Aufgaben der Bildung
4.0 Quellennachweis
1.0 Einführung
In der öffentlichen Auseinandersetzung
mit der Herrschaft des Nationalsozialismus und deren Folgen ist oft geltend gemacht
worden, dass alle Bildung - meist als bürgerlich" geradezu gebrandmarkt und
verurteilt - deren Träger nicht dazu befähigt habe, Hitlers Charakter zu erkennen
und/oder seine Machtergreifung zu verhindern. Besonders entschieden ist dieses Argument
gegen das humanistische Gymnasium und dessen Absolventen vorgetragen worden. Danach habe
das Versagen dieser Schulart deren Wert für die Bildung junger Menschen ein für alle Mal
diskreditiert.
Man mag diese Argumentation für
überzogen, für polemisch und einäugig halten. Dennoch macht sie auf ein Problem
aufmerksam. Nicht selten ist der Begriff der Bildung zu eng verstanden worden, z.B. als
Vertrautheit mit Kulturgütern, als Fundament des individuellen Selbstverständnisses oder
als Anspruchsgrundlage für einen gesellschaftlichen Rang. Dass Bildung auch die -
allgemein gesprochen - Haltung zu anderen Menschen einbezieht und insgesamt offener,
umfassender ist, wurde und wird nicht immer deutlich genug gesehen.
Hartmut von HENTIG
hat sich in seinem Buch Bildung - Ein Essay" (1996 a), mit
dieser Problematik auseinandergesetzt - eigenständig, leidenschaftlich und in klarer
Distanz zu gängigen Meinungen. Er gliedert seine Arbeit, deren Untertitel Ein
Essay" Programm ist, in folgende Kapitel:
1.
2.
3.
4.
5.
6. |
Geläufige
Fragen
Notwendige Klärungen
Mögliche Maßstäbe
Geeignete Anlässe
Wünschenswerte Folgen
Schluss |
Unmöglich, HENTIGs
Gedankenreichtum hier systematisch vorzustellen. Doch einige zentrale Überlegungen seien
.referiert.
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2.0 Versuch,
über den Essay »Bildung« zu referieren
2.1 Probleme
Von HENTIG trägt zwei radikale Thesen
vor. Sie gehen also an die Wurzeln" des Themas und zielen auf den Kern der
Frage, was Bildung sei und wie sie geleistet werden könne (a.O. S. 15):
1.
Die Antwort
auf unsere behauptete oder tatsächliche Orientierungslosigkeit
ist Bildung -
nicht Wissenschaft, nicht Information, nicht die Kommunikationsgesellschaft,
nicht moralische Aufrüstung, nicht der Ordnungsstaat."
2.
Für die Bestimmung der Bildung, die dies leistet,
sind die Kanonisierung von Bildungsgütern,
die Entscheidung für ein bestimmtes Menschenbild,
die Analyse der gegenwärtigen und zukünftigen Lebensverhältnisse
(zur Ermittlung der geforderten Qualifikationen")
gleichermaßen untauglich."
Das 1. Kapitels, in dem von HENTIG sich
mit vielen nicht hinreichend durchdachten Auffassungen und voreiligen Vorschlägen
auseinandersetzt, schließt er (a.O. S. 36) mit der Aussage, alle die hier aufgeworfenen
Fragen kann man verständig nur beantworten,
wenn man einvernehmlich
und begründet weiß, was mit »bilden« gemeint ist."
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2.2 Notwendige
Klärungen
Hier bearbeitet von HENTIG (a.O. S. 39
ff.) folgende Thesen:
- Der Mensch bildet sich.
- Das Leben bildet.
- Die Schule hat aus Bildung Schulbildung
gemacht.
- In der wissenschaftlichen Zivilisation
sind aus der Schulbildung das Mittel und das Kriterium der akademischen Berufslaufbahn
geworden.
- Die »Rückkehr« zur Bildung ist
pädagogisch geboten - ein Fortschritt.
- Alle Menschen sind der Bildung bedürftig
und fähig.
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2.3 Maßstäbe
Von HENTIG hält es für unmöglich,
Bildung durch bestimmte Gegenstände oder Stoffe, durch den Schwierigkeitsgrad von
Lernaufgaben, durch die ihr gesetzten Ziele zu bestimmen. Das führt ihn zu der Frage nach
dem Maßstab, an dem gemessen sich Bildung bewährt (a.O. S. 73). ER schreibt dazu an
anderer Stelle (1996 b)
Mit Maßstab ist hier etwas
gemeint, woran sich Bildung bewährt - gleich in welchem Verständnis und auf welche Art
man sie erstrebt. (...) Mit meinen - nennen wir sie 'Bildungskriterien' - will ich sagen:
Was auch immer den Menschen bildet - verändert, formt, stärkt, aufklärt, bewegt -, ich
werde es daran messen, ob dies eintritt. 'Dies' kann sehr weniges sein, aber es darf nicht
fehlen. Ich halte mich an die folgenden sechs Maßstäbe:
- Erstens:
Abscheu und Abwehr von Unmenschlichkeit;
- Zweitens:
die Wahrnehmung von Glück;
- Drittens:
die Fähigkeit und der Wille, sich zu verständigen;
- Viertens:
ein Bewusstsein von der Geschichtlichkeit der eigenen Existenz;
- Fünftens:
Wachheit für letzte Fragen;
- Sechstens:
die Bereitschaft zu Selbstverantwortung und Verantwortung in der res publica."
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3.0 Die drei
Aufgaben der Bildung
Hartmut von HENTIG hat
sich kürzlich (2003) tiefschürfend und differenziert mit der Konzeption von TIMMS
und PISA auseinandergesetzt (vgl. dazu die Webseite "Aspekte zeitgenössischer Bildungstheorien").
Er sieht drei Bestimmungen der »Bildung« (a.a.O., S.
224):
- Bildung ist erstens das,
was "der sich bildende Mensch" aus sich zu machen versucht, ein
Vorgang mehr als ein Besitz.
- Bildung ist zweitens das,
was dem Menschen ermöglicht, in der Welt, in die er gestellt ist, zu überleben. Sie ist
mithin die Gesamtheit des Wissens und der Fertigkeiten, der Einstellungen und
Verhaltensweisen, die für Orientierung und Überleben erforderlich sind, und kann als praktische
Bildung bezeichnet werden.
- "Bildung ist drittens
das, was der Gemeinschaft erlaubt, gesittet und friedlich, in Freiheit und mit einem
Anspruch auf Glück zu bestehen.
Sie richtet den Blick des Einzelnen auf das Gemeinwohl, auf
Existenz, Kenntnis und Einhaltung von Rechten und Pflichten, auf die Verteidigung der
Freiheit und die Achtung für Ordnungen und Anstand.
Sie ist für dikaiosyne -
Gerechtigkeit, verstanden als die richtige Balance in der Gesellschaft - zuständig. Sie
hält zur Prüfung der Ziele, der Mittel und ihrer beider Verhältnis an.
Sie befähigt zur Entscheidung angesichts von Macht und
Ressourcen in begrenzter Zeit.
Das ist die politische Bildung.
Alle dieser drei Bildungsaufgaben sind
der Schule übertragen worden. Von HENTIG betont, dass keine dieser Aufgaben der
anderen geopfert werden dürfe, es aber schwer sei, deren Erfüllung in Einklang
und Balance zu halten.
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4.0
Quellennachweis
Hartmut von HENTIG
- Bildung
Ein Essay
München 1996 (a)
- Über die Maßstäbe, an denen sich
Bildung bewähren muß
Frankfurter Rundschau Nr. 182 vom 7. August 1996 (b)
- Die vermessene Bildung
Die ungewollten Folgen von TIMSS und PISA
Neue Sammlung 43 (2003) H.2, S. 211 - 233
Ausschnitt aus dem Vorwort zur Taschenbuchausgabe des Buches
"Die Schule neu denken. Eine Übung in pädagogischer Vernunft"
Weinheim/München 2003
Wenn Sie weiterführende Titel suchen,
klicken Sie bitte auf Literaturgrundlage".
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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