[ Home ] [ Nach oben ] [ Zurück ]
Indizien
für die Einschätzung von Lernergebnissen
Übersicht
1.0 Das Problemfeld
1.1 Einführung
1.2 Begriffsklärungen
2.0 Anregungen für das Gewinnen von Indizien
2.1 Möglichkeiten des Vorgehens
2.2 Leitfragen für das Gewinnen
von Indizien
2.3 Beobachtungen
3.0 Begründende Informationen
4.0 Literaturnachweis
1.0 Das Problemfeld
1.1 Einführung
Auf den Webseiten "Der Begriff
»Lernziel«" sowie "Bestimmung und Beschreibung von
Lernzielen" wird dargestellt, dass sich Lernen als ein intrapsychischer
Vorgang selbst nicht beobachten lässt, sondern nur aus seinen wahrnehmbaren
Ergebnissen erschlossen werden kann. Für die Beschreibung - Operationalisierung
- von
Lernzielen wird dort deshalb die Bildung von Indikatoren empfohlen - vgl.
dazu die Webseiten "Lernzielbeschreibung
mit Indikatoren"
sowie "Verben für die
Bildung von Indikatoren".
Wie aber ist in Erfahrung zu
bringen, ob die Lernziele auch erreicht worden sind?
Die Auswertung von Unterricht dient also insbesondere dazu, die
Lernergebnisse der Schüler sachgerecht und zutreffend einzuschätzen. Deshalb kommt es
darauf an, Indizien zu gewinnen, die - als Gegenstück zu den Indikatoren
der Lernzielbeschreibung - Rückschlüsse auf Lernergebnisse möglich oder wenigstens
plausibel machen.
Der Leiter des 1. Schulpraktischen Seminars Charlottenburg (S),
Herr OStD Bernd KNITTEL hat dazu Empfehlungen und Anregungen entwickelt,
die hier mit seiner Zustimmung vorgestellt werden.
Zurück zur Übersicht
1.2
Begriffsklärungen
Ein Lernergebnis wird durch Indizien
dokumentiert, die nach Abschluss eines Lernprozesses bestimmt werden können. Das
Lernergebnis muss nicht unmittelbar beobachtbar oder fixiert sein, wohl aber gibt es
Beobachtungen zur Vorbereitung und Durchführung des Lernprozesses, die eine Einschätzung
der Ergebnisse plausibel erscheinen lassen.
Der Zusammenhang zwischen Lernziel und
Lernergebnis kann folgendermaßen ausgedrückt werden: Lernziel und
gewünschtes Lernergebnis sind identisch.
Der Begriff »Lernziel«
lässt sich unterschiedlich bestimmen:
- Behavioristische Sicht:
sprachlich artikulierte Vorstellung über die durch Unterricht zu bewirkende gewünschte
Verhaltensänderung eines Lernenden - beobachtbar;
- kognitive Sicht:
sprachlich artikulierte Vorstellung über die durch Unterricht zu bewirkende gewünschte
Verhaltensdisposition eines Lernenden - nicht unbedingt beobachtbar;
- konstruktivistische Sicht:
Lernmöglichkeit. Die Lernumgebung erweist sich als entscheidend für die
Wissenskonstruktion.
Zurück zur Übersicht
2.0 Anregungen
für das Gewinnen von Indizien
2.1
Möglichkeiten des Vorgehens
Mehrere Prozessvariablen können
unterschieden werden. Sie bedingen quantitative und qualitative Unterschiede in
Lernergebnissen. Die folgenden Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf
Arbeitsergebnissen von Elke BRENSTEIN.
Bei der tiefenstrategischen Vorgehensweise ist das Verständnis
des Lernenden von der Erfassung von Zusammenhängen und der Entwicklung eines eigenen
mentalen Modells geprägt und ermöglicht eine hierarchisch komplexe
Informationsdarstellung und -verarbeitung auf verschiedenen Abstraktionsebenen.
Auf der anderen Seite führt bei oberflächenstrategischem
Vorgehen die unreflektierte Übernahme der Strukturvorgabe und mangelnde
Wissensintegration zu Detailwissen und Unfähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen.
Zurück zur Übersicht
2.2 Leitfragen
für das Gewinnen von Indizien
Für das Gewinnen von Indizien sind also
folgende Fragen wichtig:
- Haben die Lernenden vielfältige
Assoziationen zu bereits vorhandenem 'Wissen geschaffen?
- Sind die Lernenden oberflächenstrategisch
oder tiefenstrategisch vorgegangen?
- Wurde erworbenes Wissen hierarchisch
gegliedert und von Lernenden kognitiv umstrukturiert, um es in den Wissensbestand zu
integrieren?
- Haben die Lernenden sich zunächst
informiert (z.B. über die Aufgabenstellung) und orientiert (anhand vorhandener
graphischer oder' textueller Übersichten oder Schemata) und dann bewusst, gezielt und
selektiv die Informationen anvisiert und verarbeitet, welche der' Aufgabenstellung und
ihren Interessen entsprechen?
Zurück zur Übersicht
2.3
Beobachtungen
Dazu lässt sich beobachten:
1. |
Die Lerner verhalten sich
vorwiegend passiv; der Altersstufe angemessene, fachlich relevante Informationen werden
geordnet, verbal gelernt, aber noch nicht in die kognitive Struktur der Lerner integriert.
Detailbeobachtung:
Geringe Beteiligung vorwiegend einiger Lerner, Ein-Wort-Beiträge und kurze Sätze
überwiegen, L-S-L-S-L, Tafelanschrieb ohne Klärung und Kontroverse, gegen Stundenende
nimmt die schon geringe Beteiligung weiter ab, das intendierte Ergebnis wird genannt, es
gibt Fragen zur Hausaufgabe. |
2. |
Die Lerner denken
sachbezogen, verbindlich bei - im Hinblick auf ihr Leistungsvermögen - zu starker
Führung durch den Lehrer, sie sehen den neuen Deutungszusammenhang ein, Darstellung,
Reorganisation, Transfer des Gelernten werden geleistet.
Detailbeobachtung:
Breite Streuung der Beiträge, Antwort in mehreren Sätzen mit Begründungen,
Widersprüchen und Nachfragen, L-S-L-S-S, die Beteiligung bleibt hoch, das intendierte
Ergebnis wird erörtert (die Ausgangsfrage von Vielen beantwortet) und ausgewertet, es
gibt keine Fragen zur Hausaufgabe. |
3. |
Bei gegenseitiger
Orientierung und Kontrolle erarbeiten die Lerner die Lernaufgaben aktiv und kritisch,
fachmethodisch passend.
Detailbeobachtung:
Breite Aktivität, intensive Kommunikation (in mehreren Sätzen mit Begründungen,
Widersprüchen und Nachfragen, Kontroversen werden deutlich und gefördert),
L-S-S-S<SHS, Fehlerfreundlichkeit, die Beteiligung bleibt hoch, das intendierte
Ergebnis wird präsentiert (die Ausgangsfrage von Vielen beantwortet) ausgewertet und
integriert, Begriffsbildung gelingt, es gibt keine Fragen zur Hausaufgabe. |
Zurück zur Übersicht
3.0
Begründende Informationen
Bestehende Forschungsergebnisse im
Bereich des Lernens haben gezeigt, dass Lernende von unterschiedlichen Lernstrategien und
Lerntechniken Gebrauch machen, und - je nach ihrem metakognitiven Entwicklungsstand - ihre
kognitiven und emotionalen Ressourcen unterschiedlich nutzen (Lompscher, 1994, 1995, 1996,
Schmeck, 1988, Mandl und Friedrich, 1992, Nold, 1992). Spezifisch hat sich weiterhin
gezeigt, dass Lernende unterschiedliche Präferenzen aufweisen (Rouet und Levonen, 1996;
Klimsa, 1995; Weidenmann, 1995; Schnotz, 1995, Shute, 1993, Jonassen und Grabowski, 1993).
Bei der Untersuchung von Lernverhalten können erhebliche
Diskrepanzen zwischen tatsächlichem Lernverhalten (behavioralen Daten) und den Aussagen
von Lernern (Fragebogendaten) bestehen (siehe Artelt und Schellhas, 1996).
In der Lernstrategieforschung hat sich in der Tradition der
Informationsverarbeitungsforschung der Begriff der Oberflächen- und Tiefenstrategien
durchgesetzt, da sich sowohl in der eher nomothetisch orientierten Fragebogenforschung,
als auch in der ideographisch orientierten Interviewforschung qualitative Unterschiede,
sowohl bei den Vorgehensweisen als auch bei Lernergebnissen ergeben haben.
Es hat sich gezeigt, dass Lernende, die oberflächenstrategisch
vorgehen, sich eher an Lernvorgaben halten, Information nicht umstrukturieren und nicht
integrieren, sondern meist wortwörtlich auswendig lernen, ohne Hintergründe und
Zusammenhänge zu erfassen.
Im Gegensatz dazu, ist tiefenstrategisches Vorgehen dadurch
gekennzeichnet, dass Verstehen von Lerninhalten angestrebt wird, vielfältige
Assoziationen zu bereits vorhandenem Wissen geschaffen werden, erworbenes Wissen
hierarchisch gegliedert ist und vom Lernenden kognitiv umstrukturiert wird, um es in den
Wissensbestand zu integrieren. Dabei spielen emotional-motivationale Faktoren eine
wichtige Rolle.
Im Allgemeinen ist oberflächenstrategisches Vorgehen durch
extrinsische Motivation und Angst vorm Versagen sowie geringe
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen gekennzeichnet. Dagegen ist tiefenstrategisches Vorgehen
durch intrinsische bzw. Leistungsmotivation und Gegenstandsinteresse sowie hohe
Selbstwirksamkeitsüberzeugungen charakterisiert.
In vernetzten Lernräumen lässt sich oberflächen- und
tiefenstrategisches Vorgehen anhand von mehreren Indikatoren erfassen: Quantitative und
qualitative Informationsnutzung können ansatzweise darüber Auskunft geben, wie Lerner
bei der 'Bearbeitung einer Fragestellung vorgegangen sind und welche übergeordneten
Strategien angewandt wurden.
Das Lernergebnis ist bei einer oberflächlichen Vorgehensweise
erwartungsgemäß in geringerem Maße inhaltlich motiviert und intentional. Wo eigene
Schemata zur inhaltlichen Organisation des Lernens fehlen (z.B. mangels Vorwissen oder
Interesse), bleibt der Lernweg daher entweder dem Zufall bzw. der Anreizstruktur der
Lernumgebung überlassen oder das Verhalten ist primär linear an Strukturvorgaben
orientiert. Im letzeren Fall werden Verzweigungsmöglichkeiten weniger wahrgenommen, da
der kognitive Mehraufwand zu einer Überlastung führen würde. Auch fehlt oft der
kognitive und motivationale Anreiz, unbekanntes Terrain zu betreten. Da
oberflächenstrategisches Vorgehen nicht hierarchisch und auf das Verstehen von
Sachverhalten, Begriffen und Zusammenhängen ausgerichtet ist, bleiben vertiefende
Erklärungen dazu sowie' die systematische Erforschung von untergeordneten Aspekten und
thematische Querverweise oft unberücksichtigt.
Tiefenstrategisches Vorgehen beinhaltet dagegen eine Komponente
der Selbststeuerung. Das Bewegen im Lernraum kann hier eher als strategisch im engeren
Sinne des Wortes bezeichnet werden, da der Lernende sich zunächst informiert (z.B. über
die Aufgabenstellung) und orientiert (anhand vorhandener graphischer oder textueller
Übersichten oder Schemata) und dann bewusst, gezielt und selektiv die Informationen
anvisiert und verarbeitet, welche der Aufgabenstellung und seinen Interessen entsprechen.
Zurück zur Übersicht
4.0 Literatunachweis
- Patricia A. ALEXANDER - Jonna M.
KULIKOVICH - Tamara L. JETTON
The rote of subject matter knowledge and interest in the processing of linear and
nonlinear texts
Review od Educational Research 64 (1994) N. 2, S. 201-252
- Cordula ARTELT - Bernd SCHELLHAS
Zum Verhältnis von Strategiewissen und Strategieanwendung und ihren kognitiven und
emotional-motivationalen Bedingungen im Schulalter
Empirische Pädagogik, 10 (1996) H.3 ,S. 277-305
- Elke BRENSTEIN
Untersuchungsmöglichkeiten von Lernverhalten in hypermedialen Lernumgebungen
http://www.uni-potsdam.de/u/izllf/llfberichte/eb_16.htm
- David H. JONASSEN - Barbara L.
GRABOWSKI
Handbook of individual differences, learning and instruction
Hillsdale NJ 1994
- Joachim LOMPSCHER
Lehr- und Lernstrategien im Unterricht
Voraussetzungen und Konsequenzen
in:
Günter NOLD (1992), S. 95 - 104
- ders.
Erfassung von Lernstrategien auf der Reflexionsebene
Empirische Pädagogik, 10 (1996) H. 3, S. 245-275
- ders.
Erfassung von Lernstrategien mittels Fragebogen
Lern- und Lehrforschung, LLF-Berichte, Heft 10 (1995), S. 80-152
Universität Potsdam
- ders.
Lernstrategien:
Zugänge auf der Reflexions- und Handlungsebene
Lern- und Lehrforschung, LLF-Berichte, Heft 9 (1994), S. 114-129
Universität Potsdam
- Heinz MANDL - Helmut F. FRIEDRICH
(Hrsg.)
Lern-und Denkstrategien
Göttingen 1992
- Günter NOLD (Hrsg.)
Lernbedingungen und Lernstrategien
Welche Rolle spielen kognitive Verstehensstrukturen?
Tübingen 1992
[ Home ] [ Nach oben ] [ Zurück ]
[ Zurück zur Übersicht ]
Nach einem Konzept Bernd Knittels
ausgearbeitet von: Dr.
Manfred Rosenbach - letzte Änderung am: 15.01.08
- |