Leistungsbeurteilung 1.0 Das Problemfeld Zu den definierten Aufgaben jedes Lehrers gehört es, die Leistungen seiner Schüler zu beurteilen (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 SchulG vom 26. Januar 2004). Dieser Aufgabe gerecht zu werden ist schwierig, denn die Beurteilung der Leistungen von Schülern steht in einem Spannungsfeld, dessen Pole die freie Entfaltung der Schülerpersönlichkeit einerseits und die legitimen Leistungsanforderungen der Gesellschaft andererseits sind. Deshalb ist sie, erst recht jedoch die Praxis der Zensurengebung, ein zentrales Thema der Schulpädagogik. Nirgends sonst sind die Aussagen der einschlägigen Forschung, der Schulpraktiker, der Eltern und Schüler, der interessierten Öffentlichkeit so kontrovers, ist die Kritik so heftig, wie hier. Angesichts der weitreichenden Wirkung, die die Leistungsbeurteilung für die Entwicklung und vor allem die Lebenschancen jedes Schülers hat, ist das nicht erstaunlich. Außerdem lässt sich nicht bestreiten, dass nicht nur die gängige Praxis der Leistungsbeurteilung Anlass zu Kritik bietet, sondern auch deren Grundlagen durch objektive Probleme belastet sind. Bei dieser Sachlage darf sich die schulpraktische Ausbildung weder auf Fundamentalkritik beschränken noch mit der Weitergabe und Interpretation gängiger Praktiken begnügen. Sie muss vielmehr dazu beitragen, dass angehende Lehrer Einblick in die Mehrdimensionalität der Leistungsbeurteilung erhalten und, in Kenntnis von deren Bedingungsfaktoren und Fehlerquellen, Zugang zu einer verantwortlichen und pädagogisch angemessenen Praxis finden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Insbesondere sind die Aufgaben und Funktionen der Leistungsbeurteilung zu benennen und zu untersuchen. 2.0 Aufgaben und Funktionen der Leistungsbeurteilung Eine grundlegende Schwierigkeit der Leistungsbeurteilung, zumal in der Form der Ziffernnote auf Zeugnissen, besteht in der Tatsache, dass die in der Beurteilung enthaltene Information mehreren Adressaten gilt und mehrere Funktionen hat. 2.1 Die Adressaten der Leistungsbeurteilung Zensuren und Zeugnisse werden formuliert für
2.2 Die Funktionen der Leistungsbeurteilung Die Schule hat eine doppelte Aufgabe, und zwar
Daraus ergeben sich die zentralen Aufgaben der Leistungsbeurteilung. Sie lassen sich im Anschluss an GAUDE (1989, S. 71) wie folgt beschreiben.
Ähnlich, wenn auch wesentlich schlichter, sieht AEBLI (1997, S. 397) die Aufgabe der Leistungsbeurteilung. In unserer Gesellschaft möchten die Adressaten von Zeugnissen unterscheiden können, ob ein Individuum
Die Kenntnis dieser Einschätzung ist nicht nur für den Abnehmer" im gesellschaftlichen Bereich wichtig, sondern auch für den jeweils Betroffenen, weil beide Seiten Entscheidungen von weitreichender Bedeutung zu treffen haben. Offenkundig sind alle Beteiligten
(Schüler, deren Eltern, Lehrer, weiterführende Bildungseinrichtungen, Arbeitgeber u.a.)
auf Informationen und Hilfen angewiesen,
3.0 Folgerungen 3.1 Das Dilemma und die Kritik Die hier beschriebenen Aufgaben sind mithin sehr komplex. Das hat zu der oben erwähnten Kritik an der Praxis geführt, die Leistungen der Schüler lediglich mit den Notenstufen 1 bis 6, den sog. Ziffernnoten zu beurteilen. Im Mittelpunkt steht der Einwand, Ziffern erweckten den Anschein exakter Gültigkeit, seien jedoch nicht geeignet, brauchbare Aussagen im Sinne der dargestellten Anforderungen leisten. Die zentralen Argumente der Kritik werden in einer umfangreichen Literatur erörtert. Hier sei nur die zugespitzte Wertung von Hellmut BECKER (1981) erwähnt, die Zensuren seien Lebenslüge und Notwendigkeit". Zu den Ziffernnoten finden Sie eine vertiefende Information auf der Webseite "Skalen - deren Leistungen und Grenzen". 3.2 Die Überwindung des Dilemmas Die Kritik hat eindringende und differenzierte Überlegungen zu einer Verbesserung der Praxis ausgelöst. Die konventionellen Notenstufen wird es bis auf weiteres geben müssen. Deswegen kommt es darauf an, sie problembewusst zu handhaben und in die Leistungsbeurteilung Verfahren einzubeziehen, die deren Schwächen wenn nicht beheben, so doch einschränken. 3.3 Maßnahmen Die oben skizzierten Funktionen der Leistungsbeurteilung legen es nahe, den herkömmlichen Begriff zu erweitern und von pädagogischer Diagnostik" (SCHWARZER 1979, INGENKAMP 1985) zu sprechen. GAUDE (1989, S. 131 f.) sieht hier drei zentrale Aufgaben:
Zur Professionalität von Lehrern gehört
es, ein Bewusstsein von diesen Aufgaben zu haben und entsprechende Verfahren nicht nur zu
kennen, sondern so weit wie möglich auch zu verwenden. Einige Anregungen dazu werden auf
der Startseite unter dem Stichwort "Verfahren"
vorgestellt. Der erste Schritt zu einer objektiveren,
objektangemessenen" d.h. dem Schüler gerecht werdenden Leistungsbeurteilung
ist das Fehlen von Willkür" (SCHRÖDER 1974, S. 67). Damit ist nicht
nur vorsätzliche Ungerechtigkeit gemeint, sondern auch die unbeabsichtigte
Fehlerhaftigkeit, die als Folge mangelnden Problembewusstseins oder unzureichender
Beurteilungsverfahren eintreten kann. Vertiefende Informationen finden Sie auf der
Webseite Doch wie kann das in der Alltagsarbeit geleistet werden? Auf diese Fragen finden sich konkrete und praxisbezogene Antworten in dem Friedrich Jahresheft XIX 2001 mit dem Titel »Qualität sichern: evaluieren«, Herausgeber Gerold BECKER, Cornelia von Ilsemann, Michael Schratz. Hier finden sich vielfältige Anregungen unter den Stichworten
Ein "Methodenkoffer" enthält einen Satz von Methoden und Instrumenten für die Selbstevaluation schulischen Lernens und Lehrens nebst Kopiervorlagen. Weitere Informationen finden Sie auf der nächsten Webseite. Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 01.04.18 |