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Hugo GAUDIG
kritisiert die Lehrerfrage
Der Reformpädagoge Hugo GAUDIG
hat die
Lehrerfrage im Unterricht mehrfach kritisch untersucht. In seinem Buch 'Didaktische
Präludien', Leipzig/Berlin 1909, findet sich auf S. 13 ff. folgender Text.
"Die Frage des Lehrers ist das
fragwürdigste Mittel. An eine Gesundung des deutschen
Schulwesens vermag ich nicht eher zu glauben, ehe nicht der Despotismus der Frage
gebrochen ist. Wenn man wenigstens anfinge, den Wert der Frage in Frage zu ziehen!
Was ist gegen die Frage (und zwar
zunächst die Einzelfrage) zu haben?
1. |
Wenn der Lehrer
fragt, so ist es der Lehrer und nicht der Schüler, der das Problem aufstellt. |
2. |
Der Antrieb zur
Denkarbeit geht vom Lehrer und nicht vom Schüler aus. |
3. |
Die Frage
zwingt den Schüler in eine bestimmte Denkrichtung und nimmt ihm so die Freiheit der
geistigen Bewegung. |
4. |
Die Frage ist
nach einer bekannten, aber nicht eben erfreulichen Begriffsbestimmung ein unvollständiges
Urteil mit der Forderung, das absichtlich noch unbestimmt Gelassene zu bestimmen.
Jedenfalls läuft das Frage- und Antwortspiel auf ein Zusammenwirken des Lehrers und
Schülers hinaus. Für den Schüler ist es halbe Arbeit; "halb" ist dabei,
glaube ich, ein zu hoch gegriffener Durchschnittswert, vermutlich liegt er im allgemeinen
viel tiefer. |
5. |
Die Frage ist
ein zu starker Denkreiz, der gegen die Denkreize, die in dem Unterrichtsstoff selbst
liegen, zu leicht abstumpft. |
6. |
Die Frage des
Lehrers erstickt den Fragetrieb des Schülers, einen der wertvollsten Triebe des
jugendlichen Intellekts, und schädigt so eine der wertvollsten Kräfte des Geistes. |
7. |
Die Frageform
ist eine künstliche Form der Erregung geistiger Energie; eine Schulform, die das Leben so
gut wie gar nicht kennt. Im Leben wird man nicht von jemand gefragt, der uns das wissen
lassen will, was er weiß, sondern wenn man uns fragt, so will der Fragende von uns
wissen, was er nicht weiß. |
Und
die Fragenfolge, die Fragenreihe? |
Reiht
der Lehrer Frage an Frage, bis er seinen Stoff erschöpft, sein Ziel erreicht hat, so hat
er den Schüler geführt - wenn er sich fügte, geführt, wenn er sich widersetzte, mit
sich gezerrt. Von einer
Eigenbewegung auf das Ziel hin war nicht die Rede; der Schüler faßte das Ziel nicht ins
Auge, erwog nicht die Wege, auf denen er sich zum Ziel bewegen konnte, erregte sich nicht
zu der Energie, die der Beginn der Arbeit forderte, erhielt diese Energie nicht aus
eigener Kraft. |
Sonach
ist die Frage der ärgste Feind der Selbsttätigkeit."
Zitiert nach Lotte MÜLLER (Hrsg.)
Die Schule der Selbsttätigkeit - von Hugo GAUDIG
Bad Heilbrunn 1969, 2. Auflage, S. 46
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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