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Das Unterrichtsgespräch

Lehrerfrage oder Lehr-Lern-Diskurs?

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch
       2.1 Grundlagen
       2.2 Probleme
3.0 Der Lehr-Lern-Diskurs
       3.1 Das Grundmuster
       3.2 Voraussetzungen
       3.3 Nutzanwendungen
Anhang:
Aufgaben des Lehrers im "Lehr-Lern-Diskurs"
1.1 Die Entwicklung des Lernumfeldes
1.2 Die Aufgaben

1.0 Das Problemfeld

Der Begriff »Unterrichtsgespräch« ist ein Grundwort der Unterrichtslehre und wird so häufig wie kaum einer sonst verwendet. Er lässt jedoch kommunikativen Charakter und didaktische Konzeption des "Gespräches" offen, das in der einzelnen Unterrichtsstunde geführt wird. Deshalb muss er untersucht und genauer bestimmt werden.

Der Leiter des 3. Schulpraktischen Seminars Pankow, OStD Volker Pietsch, leistet das in einem Informationspapier zur sprachlichen Lenkung des Unterrichts. Er beschreibt das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch und der Lehr-Lern-Diskurs als idealtypische Ausprägungen des Unterrichtsgepräches, benannt ihre spezifischen Leistungen und Schwächen und gewichtet sie. Seine Ausführungen werden hier mit seiner Zustimmung vorgestellt. Sie ergänzen und vertiefen die in den "Bausteinen" vertretenen Positionen.

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2.0 Das fragend-entwickelnde Unterrichtsgespräch

2.1 Grundlagen

  • Das Grundmuster
    Diese Lenkungsform ist eine Folge von Dialogen des Typs komplementärer Dialog (Informations- oder Unterweisungsgespräche). Bei einem Gesprächspartner besteht ein Defizit und der andere ist willens und imstande, dieses Defizit zu beseitigen.
  • Das Prinzip
    Frage-Antwort-Sequenzen werden als elementare Formen dialogischer Wissensvermittlung verstanden und verwendet.
         Das Fragemuster ist ein außerhalb von Schule erworbenes Sozialisationsinstrument und wird für didaktische Zwecke wird funktionalisiert. Seine Umkehrung ergibt die Lehrerfrage, Sie ist keine echte Frage, weil der Lehrer die Antwort kennt, sondern eine taktische Frage.
  • Strategie und Taktik
    o
    Der Lerner wird schrittweise zum gesetzten Ziel geführt.
    o Seine Kognitionsleistungen werden im Frageumfang überprüft.
  • Konsequenz
    Wegen des Überprüfungscharakters der Frage muss die Antwort sofort bewertet werden.
  • Kommunikationsstruktur
    Die Kommunikation zwischen Lehrer und Lerner ist einseitig durch den Lehrer eterminiert. Sie verläuft nach dem Muster Antworten-Abliefern..

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2.2 Probleme

  • Problemkreis I
    Dem Lehrer fehlt der Einblick in die individuellen Kognitionszustände der Lernenden, die durch vorhergehende Lernerfahrungen determiniert sind. Er projiziert seine eigenen Kognitionen als Erwartung auf die Lernenden. Nur die engagiert beteiligten Lerner können in der Regel die Kognitionsmuster des Lehrers adaptieren.
  • Problemkreis II
    Für den Lehrer sind die Kognitionsschritte mit Erreichen des gesetzten Zieles abgeschlossen. Meistens unterbleiben deshalb die für eine sinnstiftende und vernetzende Bedeutungsentfaltung notwendigen Abschlusshandlungen wie solche des erläuternden Reflektierens, des Zusammenfassens, der Metakommunikation.
  • Schülerperspektive
    Der Schüler hat im Zuge seiner schulischen Sozialisation die Lehrerfrage als wirksames Kontrollinstrument und als Maßnahme zum Ausgleich mangelnden Schülerinteresses akzeptiert.

    Die Lehrerfrage setzt bei den Schülern mentale Suchprozesse in Gang.
    o Nach Aufruf erfolgt ein Lösungsversuch. Fällt die Lehrereinschätzung positiv aus,
       wird der Dialog geschlossen.
       Evaluiert der Lehrer negativ, expliziert oder modifiziert er die Lehrerfrage,
       und das Muster läuft erneut ab.
    o Evaluiert der Lehrer zum Teil negativ oder verweigert eine Einschätzung,
       folgt häufig eine Nebenkommunikation des Schülers mit anderen Schülern,
       also ein kognitiver Ausstieg.
    o Gelegentlich bleibt der Lehrer bei einem Schüler und versucht,
       mit sokratischer Strategie die gewünschte Antwort zu entwickeln.
       Das wird jedoch nicht als Hilfe, sondern als Intensivierung der Überprüfung empfunden.
    o Übernehmen Schüler die Expertenrolle (peer-group-teaching, Lernen durch Lehren),
       so entfällt (nachgewiesen in vielfältigen Untersuchungen) die Prüfungssituation.
       Die Novizen stellen sofort Fragen an den Experten und verwickeln ihn in Streitgespräche,
       in deren Ergebnis kollektive Lerngewinne entstehen.

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3.0 Der Lehr-Lern-Diskurs

3.1 Das Grundmuster

Diese Lenkungsform ist Folge von Dialogen des Typs koordinative Dialoge (Planungsinteraktionen, Aushandlungsdiskurse, Klärungsgespräche).

Die am Gespräch beteiligten Interaktanten
bemühen sich gemeinsam um ein übergeordnetes Handlungsziel. 

Auch der Lehr-Lern-Diskurs unterliegt der institutionell bedingten Ungleichheit bei der Verteilung des Wissens: Die Schüler wissen, dass der Lehrer über ein Wissen verfügt, über das sie künftig verfügen wollen. Dieses Bedürfnis und die wechselseitige Anerkennung sind Voraussetzung für den Erfolg.

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3.2 Voraussetzungen

A Schüler

  • Die Fähigkeit, sich unterrichten zu lassen, also in Distanz zum Alltagsleben einer spezifischen geistigen Ordnung zu folgen und eine entsprechende Konzentration und Disziplin aufbringen zu können;
  • die Fähigkeit, sich verständlich zu machen, also die Produkte seines Denkens in der Weise öffentlich zu machen, dass sie an die sinnlichen oder begrifflichen Vorstellungen der Mitschüler anschlussfähig sind.
  • die Fähigkeit zum Zuhören und zum Verstehen (Passives Zuhören gibt es nicht). Wenn man das Gesagte nicht mitdenkt, gleitet es vorbei wie ein Werbespot;
  • die Fähigkeit, sich konkurrierenden Aussagen zu stellen;
  • die Fähigkeit, Unsicherheiten zu bekennen und mutig Fragen zu stellen;

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B Lehrer

  • Die Fähigkeit, zielstrebig und langfristig einen auf gegenseitiger Anerkennung (Empathie) ruhenden Interaktionsprozess zu entwickeln und sich selbst als Interaktanten (zwar mit besonderen Rechten qua Amt und qua Profession, aber auch mit der Pflicht, die ihm anvertrauten Lerner zur produktiven Nutzung ihrer individuellen Handlungsspielräume anzuregen) begreift;
  • die Fähigkeit, Inhalte so auszuwählen und aufzubereiten, dass Eigeninitiative, Eigeninteresse und Eigenerfahrung freigesetzt werden;
  • die Fähigkeit, die dem Diskurs zugrunde liegenden Lern- und Arbeitsprozesse so intensiv und anspruchsvoll zu gestalten, dass sie die Erwartung emergierender Strukturen im Diskurs tatsächlich rechtfertigen;
  • die Fähigkeit, die prinzipielle Offenheit des Diskurses zu ertragen und sich darauf einzulassen, auch die Begrenztheit der eigenen Wissenskonstruktionen offenbar werden zu lassen;
  • die Fähigkeit, aus einem flexiblen, fachbezogenen und fachübergreifenden Netzwerk strukturalen und prozessualen Wissens die unverzichtbaren Elemente und Beziehungen zu ermitteln und konzeptionell geeignete Interventionsmöglichkeiten zu durchdringen.

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3.3 Nutzanwendungen

Die Aufnahme- und Verarbeitungskapazität sowie die methodischen und kommunikativen Kompetenzen gymnasialer Lerner sprechen dafür, den Lehr-Lern-Diskurs als Unterrichtsform prinzipiell zu bevorzugen.

Bei der Entwicklung des Lernumfeldes "Lehr-Lern-Diskurs" muss der Lehrer eine Reihe spezifischer Aufgaben lösen. Sie werden im einem Anhang vorgestellt.


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Nach einem Konzept von OStD Volker Pietsch ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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