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Lernpsychologischer Ansatz

Sechs Schritte des Lernens

1.0 Gliederung des Unterrichts - lernpsychologisch gesehen

In der Literatur finden sich die verschiedensten Versuche, die Schritte bzw. Stufen des Lernens aus psychologischer Sicht zu beschreiben (Einzelheiten dazu bei Alfred VOGEL).
     Heinrich ROTH hat diese Vorarbeiten ausgegriffen und sie zu einem allgemeingültigen Modell verdichtet. Er beschreibt sechs Schritte des Lernens und stellt sie in einem Modell dar, das unterschiedliche Lernarten einheitlich zusammenfasst (1976, S. 222 ff.).

Drei Arten des Lernens

Roth unterscheidet drei Arten des Lernens, und zwar

  • unwillkürliches - "indirektes" Lernen
    Lernen als Rückwirkung von eigenen Handlungen

  • zielbewusstes - "direktes" Lernen
    Lernen als Ergebnis bewusster Lerneinstellung

  • veranlasstes Lernen
    Lernen auf Grund von Anstößen durch den Lehrer

In jeder dieser Lernarten vollzieht sich der Lernvorgang in sechs Schritten bzw. Stufen.
Jeder der drei Lernarten entspricht auf den einzelnen Stufen eine jeweils eigene Ausformung
des Lernschrittes.

2.0 Sechs Schritte des Lernens

In der folgenden Aufstellung sind die Lernschritte ebenso angeordnet wie die o.g. Lernarten.

1. Stufe der Motivation

  • Eine Handlung kommt zustande.
  • Ein Lernwunsch erwacht.
  • Ein Lernprozess wird angestoßen. 
    Eine Aufgabe wird gestellt. 
    Ein Lernmotiv wird geweckt.

2. Stufe der Schwierigkeiten

  • Die Handlung gelingt nicht. Die zur Verfügung stehenden Verhaltensund Leistungsformen reichen nicht aus oder sind nicht mehr präsent. Ringen mit den Schwierigkeiten.
  • Die Übernahme oder der Neuerwerb einer gewünschten Leistungsform macht Schwierigkeiten.
  • Der Lehrer lässt die Schüler die Schwierigkeit der Aufgabe erfassen bzw. eine kurzschlüssige oder leichtfertige Lösung durchschauen.

3. Stufe der Lösungen

  • Ein neuer Lösungsweg zur Vollendung der Handlung oder zur Lösung der Aufgabe wird durch Anpassung, Probieren oder Einsicht entdeckt.
  • Die Übernahme oder der Neuerwerb der gewünschten Leistungsform erscheint möglich und gelingt mehr und mehr.
  • Der Lehrer zeigt den Lösungsweg oder lässt ihn finden.

4. Stufe des Tuns und Ausführens

  • Der neue Lösungsweg wird aus- und durchgeführt.
  • Die neue Leistungsform wird aktiv vollzogen und dabei auf die beste Form gebracht.
  • Der Lehrer lässt die neue Leistungsform durchführen und ausgestalten.

5. Stufe des Behaltens und Einübens

  • Die neue Leistungsform wird durch den Gebrauch im Leben verfestigt, oder sie wird vergessen und muss immer wieder neu erworben werden.
  • Die neue Verhaltens- oder Leistungsform wird bewusst eingeübt. Variation der Anwendungsbeispiele. Erprobung durch praktischen Gebrauch.
  • Der Lehrer sucht die neue Verhaltens- oder Leistungsform durch Variation der Anwendungsbeispiele einzuprägen und einzuüben. Automatisierung des Gelernten.

6. Stufe des Bereitstellens, der Übertragung und Integration des Gelernten

  • Die erfestigte Leistungsform steht für künftige Situationen bereit oder wird in bewussten Lernakten bereitgestellt.
  • Die eingeübte Verhaltens- oder Leistungsform bewährt sich in der Übertragung auf Lebenssituationen oder nicht.
  • Der Lehrer ist erst zufrieden, wenn das Gelernte als neue Einsicht, Verhaltens- oder Leistungsform mit der Persönlichkeit verwachsen ist und jederzeit zum freien Gebrauch im Leben zur Verfügung steht. Die Übertragung des Gelernten von der Schulsituation auf die Lebenssituation wird direkt zu lehren versucht.

3.0 Hinweise für die Planung von Unterricht

Bei der Durchsicht der didaktischen Literatur kann nicht selten der Eindruck entstehen, die sechs Lernschritte seien ein Schema, nach dem jede Unterrichtsstunde gegliedert werden könne oder gar müsse.
     Das ist ein Missverständnis. Das Schema der sechs Schritte hat zunächst vor allem analytische Funktion es beschreibt und unterscheidet Grundakte des Lernens, insbesondere in der jeweils an dritter Stelle beschriebenen Form des durch schulischen Unterricht angebahnten Lernens.
     Mithin beschreibt das Schema Ablauf, Verlauf und Richtung des Lernprozesses, es macht jedoch keine Aussage über zeitliche Proportionierungen. Einerseits kann es in einer Stunde möglich sein, alle Stufen zu durchlaufen, andererseits kann eine Stundensequenz nötig sein, um alle Stufen zu bewältigen.
     Außerdem verläuft der Lernvorgang in der Regel keineswegs so gradlinig, wie es das Schema vermuten lassen könnte, sondern meistens spiralig. Mithin werden auf jeder einzelnen Stufe alle sechs Lernschritte, gleichsam in verkleinerter Form, durchlaufen. Erst dadurch entspricht das Modell der Dynamik der Wirklichkeit.

Im übrigen führt die didaktische Funktion der einzelnen Stunde zu Abwandlungen des Schemas.

Der lernpsychologische Kern der Sechs Schritte

Lernen besteht nicht lediglich darin, neues Wissen in vorhandenes Wissen einzugliedern, wie HERBART es beschreibt. Vielmehr vollzieht es sich in der aktiven Auseinandersetzung mit einer zu lösenden Aufgabe. Deshalb kommt es gerade bei schulischem Lernen, d.h. in der Regel beim Erlernen eines Stoffes, entscheidend darauf an, den Unterricht möglichst als

Begegnung mit einem Problem

zu gestalten. Auf der Webseite „Problemorientierter Unterricht" finden Sie dazu detaillierte und vertiefende Informationen.

4.0 Literaturgrundlage

  • Heinrich ROTH
    Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens
    Hannover 1976, 15. Auflage
  • Alfred VOGEL
    Artikulation des Unterrichts
    Verlaufsstrukturen und didaktische Funktionen
    Workshop Schulpädagogik Materialien 3
    Ravensburg 1979, 9. Auflage

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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