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Vademecum"

Handreichung zur Verbesserung der Unterrichtssituation

Das Handlungsfeld

Gerade im Unterricht gilt Wilhelm Buschs (leicht abgewandelte) Maxime:

Das Richt'ge, dieser Satz steht fest,
ist meist das Falsche, das man lässt.

Störungen des Unterrichts sind ein „zeitloses" Phänomen. Lehrer können ihnen jedoch entgegenwirken oder ihren Ursachen - wenigstens zum Teil - vorbeugen. Zwar gibt es keine Rezepte mit zuverlässiger Zauberwirkung, doch viele unscheinbare, dabei bewährte Maßnahmen. Sie sind zwar nicht die hinreichende, doch stets die notwendige Voraussetzung für eine befriedigende und produktive Unterrichtssituation. Oft genügt es schon, banale, in der Unterrichtswirklichkeit folgenschwere Ungeschicklichkeiten zu vermeiden - man muss sie nur kennen.

Die folgenden 24 Hinweise machen solche Ungeschicklichkeiten namhaft und helfen sie zu vermeiden. Da in ihnen durchgehend die Begriffe "zweckmäßig" und "unzweckmäßig" verwendet werden, müssen sie erläutert werden.

Unter "Zweck" ist die Verwirklichung von Erziehungszielen zu verstehen wie

  • Kenntnisreichtum
  • Urteilsfähigkeit
  • angemessenes Sozialverhalten
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Selbstbeherrschung
  • Selbsttätigkeit
  • Einsicht
  • Kreativität.

Es handelt sich also um Hinweise auf elementare Lehrverhaltensweisen und Unterrichtstechniken, deren Beachtung die Verwirklichung von Erziehungszielen wie den oben genannten überhaupt erst ermöglicht. Weil Sie diesen Katalog stets gegenwärtig haben sollten, heißt er „Vademecum" („Geh mit mir").

Leitgedanke der folgenden Handreichungen ist die Empfehlung,

Bestimmtheit und Entschiedenheit mit Freundlichkeit und Zuwendung

stets und konsequent zu verbinden.

Freundlichkeit ohne Bestimmtheit ist ebenso unzweckmäßig wie Bestimmtheit ohne Freundlichkeit. Zur Freundlichkeit gehören insbesondere Geduld, Fairness, Aufgeschlossenheit gegenüber Schülern, Anerkennung, Ermutigung, deutliches Lob, wenn angemessen.

Die Empfehlungen

Wenn Sie die Empfehlungen genauer zur Kenntnis nehmen wollen, sollten Sie den für eine Webseite etwas langen Text ausdrucken.

1.

Es ist unzweckmäßig, die Namen der Schüler erst kurz vor der Erteilung von Zensuren zu kennen.

Zweckmäßig ist es, die Namen der Schüler möglichst schnell zu lernen. Dazu muss man bereits in der ersten Stunde einen Sitzplan anfertigen lassen oder den Klassenleiter um die Vervielfältigung eines Sitzplanes bitten. Noch besser ist es, sich bereits vor der ersten Stunde in einer neuen Lerngruppe die Namen anhand der Klassen- oder Kursgruppenliste einzuprägen.

2.

Es ist unzweckmäßig, den Klassenraum erst nach dem Klingeln zu betreten.

Zweckmäßig ist es, die Stunde mit dem Ende des Klingelzeichens zu beginnen. Nur so - nämlich durch Vorbild - können die Schüler zu Pünktlichkeit glaubwürdig angehalten und erzogen werden. Sie wiederum ist Voraussetzung für einen sinnvollen Unterrichtsbeginn.

3.

Es ist unzweckmäßig, die Stunde zu beginnen, wenn noch Unruhe herrscht.

Zweckmäßig ist es, die Schüler durch ständiges Training daran zu gewöhnen, mit dem Klingelzeichen auf ihren Plätzen zu sitzen und Privatgespräche einzustellen. Ggf. muss der Lehrer demonstrativ auf deren Ende warten.

4.

Es ist unzweckmäßig, den Unterricht zu beginnen, ohne sich über die Situation in der Klasse zu informieren und ohne sich auf sie einzustellen. Ebenso unzweckmäßig ist es, jede Kleinigkeit zu "thematisieren".

Zweckmäßig ist es, vor Beginn des Unterrichts einen Blick in das Klassenbuch zu werfen, die fehlenden Schüler festzustellen und auf Verspätungen zu reagieren (Eintragen in das Klassenbuch mit Minutenangabe, Bestehen auf einer Begründung, ggf. Rücksprache mit Klassenleiter bzw. Eltern).

Weiterhin ist es zweckmäßig, auf atmosphärische Beeinträchtigungen der Stunde (z. B. Aufgeregtheit der Schüler infolge geschriebener oder bevorstehender Klassenarbeit, allgemeine Unordnung im Klassenraum u. a. m.) in angemessener Weise zu reagieren.

5.

Es ist unzweckmäßig, die Schüler während des Unterrichts gleichzeitig sprechen zu lassen.

Zweckmäßig ist es, von der ersten Stunde an das Muster Denken-Melden-Sprechen bzw. Zuhören einzuüben.

6.

Es ist unzweckmäßig, auf "Äußeres" keinen Wert zu legen.

Zweckmäßig ist es, den Schülern durch beharrliches Wiederholen "Äußeres" selbstverständlich werden zu lassen:

Arbeitsmittel müssen griffbereit sein (Hefte, Lehrbuch, Schreibzeug, Atlas, Lineal etc.).

Wichtig sind außerdem:

  • sauberes und leserliches Schriftbild,
  • sauber beschriftete Heftetiketten,
  • sinnvolle Einteilung der Seite (Rand lassen etc.).

Auch der Lehrer muss die Hilfsmittel, die er für den von ihm geplanten Unterricht benötigt, griffbereit haben. Es ist unzweckmäßig, Schüler während der Unterrichtsstunde loszuschicken, damit sie Kreide, Wandkarten, Dia- oder Tageslichtprojektor, Bücher o.  Ä.. herbeiholen.

Zweckmäßig ist es, Kreide, Folienschreiber, Tafellappen als "didaktische Reserve" stets mit sich zu führen, damit deren - versehentliches oder inszeniertes - Fehlen in der Klasse nicht zu einer Unterbrechung der Arbeit führen kann.

7.

Es ist unzweckmäßig, die Stunde ohne vorbereitete Eröffnung oder ohne klaren Arbeitsauftrag zu beginnen.

Zweckmäßig ist es, die Stunde entweder mit einer didaktisch wirksamen Problemstellung zu beginnen oder an die Schüler eine klare Leistungsanforderung zu richten, zum Beispiel:

  • Vokabeln abfragen,
  • schriftliche Hausaufgaben abrufen,
  • das Ergebnis der letzten Stunde(n) zusammenfassen lassen,
  • Übungen fortsetzen.

8.

Zweckmäßig ist es, abwechselnd die ganze Klasse oder einzelne Schüler vor unterschiedliche Leistungsanforderungen zu stellen. Die Leistungsanforderungen zu Beginn der Stunde können auch schriftlich erfolgen. Schüler, die zum Nachweis eine Leistung angehalten werden, müsse deren Bewertung erfahren.

9.

Es ist unzweckmäßig, die Schüler - möglicherweise sogar bis zur Besprechung der Zensuren vor den Zensurenkonferenzen - über die Maßstäbe der Leistungsbewertung im Unklaren zu lassen.

Zweckmäßig ist es, bei der Übernahme einer Lerngruppe einen Katalog von Leistungsanforderungen und Bewertungsmaßstäben vorzulegen, nach dem sich die Schüler richten können. Zum Beispiel: Welchen Anteil an der Gesamtnote haben schriftliche Leistungen, allgemeine Leistungen wie Mitarbeit im Unterricht, Wiederholungsleistungen, Erledigung von Hausaufgaben, Referate, Hefter?

10.

Es ist unzweckmäßig, Hausaufgaben nach dem Klingelzeichen, in den Aufbruch der Schüler hinein rufend, zu stellen. Ebenso unzweckmäßig ist es, Hausaufgaben ohne klar umrissenen Arbeitsauftrag zu stellen, z. B. nach dem Muster: "Überlegt euch bitte zur nächsten Stunde ..." o. Ä.., oder deren Formulierung zu improvisieren.

Zweckmäßig ist es, die Hausaufgabe vor dem Klingelzeichen zu stellen. In der Regel ist sie zu diktieren; sie muss in einem auch für die Schüler erkennbar sinnvollem Zusammenhang mit der jeweiligen Stunde stehen. Der Lehrer muss die Hausaufgabe abwechslungsreich stellen; dabei sollten unterschiedliche Anforderungsebenen und kreative Möglichkeiten der Schüler berücksichtigt werden.

Aus diesen Gründen ist es zweckmäßig, die Hausaufgabe sorgfältig vorzubereiten.

11.

Es ist unzweckmäßig, Hausaufgaben zwar zu stellen, sie aber weder zu überprüfen noch ihre Erledigung zur Kenntnis zu nehmen.

Zweckmäßig ist es, sich der Erledigung der Hausaufgaben zu vergewissern und sie zu würdigen. Bei schriftlichen Hausaufgaben müssen immer einige Hefte als Stichprobe mit nach Hause genommen werden. Wurden Hausaufgaben nicht erledigt, so ist darauf entschieden zu reagieren. Hat ein Schüler die Hausaufgaben mehrfach nicht angefertigt, so ist zu prüfen, ob das als Leistungsverweigerung zu betrachten ist. In diesem Fall ist die Leistung mit der Note "ungenügend" zu bewerten.

12.

Es ist unzweckmäßig, eine einzige Methode während einer ganzen Stunde oder gar Doppelstunde zu praktizieren.

Zweckmäßig ist es, jede Stunde in deutlich unterschiedene Phasen zu gliedern und die Methoden entsprechend zu wechseln. Eine dieser Phasen sollte in jeder Stunde eine schülerorientierte Arbeitsphase sein, in der der Lehrer sich zurückhält.

13.

Es ist unzweckmäßig anzunehmen, Schüler könnten Partnerarbeit und Gruppenarbeit ohne intensives Training sinnvoll leisten.

Zweckmäßig ist es, diese Arbeitsformen systematisch einzuüben. Dazu ist es erforderlich, dass vor jeder Partner- oder Gruppenarbeit die Arbeitsaufträge eindeutig und vollständig erteilt werden sowie die Arbeitszeit genau angegeben wird. Außerdem müssen die Arbeitsergebnisse systematisch ausgewertet werden. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass arbeitsgleiche Partner- oder Gruppenarbeit leichter ausgewertet werden kann als arbeitsteilige. Daher muss bei dem Einüben dieser Arbeitsformen mit dem Leichteren begonnen werden.

14.

Zweckmäßig ist es, sprachliche Impulse so präzise und vollständig zu formulieren, dass sie nicht abgewandelt zu werden brauchen, wenn die Schüler nicht alsbald reagieren. Es ist besser, dieselbe Frage oder denselben Arbeitsauftrag in demselben Wortlaut ruhig zu wiederholen, als hastig immer neue Impulsvarianten ("Kettenimpulse") hervorzubringen.

Impulse und Arbeitsaufträge, die für das Stundenziel oder die Ergebnissicherung besonders wichtig sind, müssen sorgfältig vorbereitet sein. Nur begnadete oder völlig durchroutinierte Lehrer können die hier erforderliche Präzision aus dem Ärmel schütteln.

15.

Es ist unzweckmäßig, amorphe Unklarheit als sinnvolles Ergebnis von Unterricht anzusehen.

Zweckmäßig ist es, in jeder Stunde Begriffe und Sachverhalte entschieden zu klären.

Außerdem ist es zweckmäßig, wenn Begriffe und Sachverhalte nicht eindeutig geklärt werden können, die Problematik eindeutig zu benennen. Diese entschiedene Klärung setzt bei Lehrern, die nicht begnadet oder durchroutiniert sind, gründliche Vorbereitung voraus.

16.

Es ist unzweckmäßig, sich Lernfortschritte der Schüler ohne ständiges Üben und Wiederholen zu erhoffen.

Zweckmäßig ist es, eher etwas weniger Stoff durchzunehmen, aber dafür mehr Übung, methodische Schulung und Anwendung des Erlernten in jeder Stunde zu trainieren. Dabei kann z. B. eingeübt werden, dass Schüler auf entsprechende Lehrerimpulse lernschrittbezogen und aktiv reagieren, indem sie sich selbst berichtigen, indem sie Fehler von Mitschülern berichtigen oder begründete Kritik an Leistungen von Mitschülern formulieren.

Verfahren dieser Art fördern die Freude am Lernen sowie die Motivation für den nächsten Lernschritt. Nur Lernfortschritte auf der Grundlage entschieden geklärter Sachverhalte ermöglichen dauerhafte Interessiertheit der Schüler.

17.

Es ist unzweckmäßig, dass ein Schüler an der Tafel unter Assistenz des Lehrers eine Aufgabe zu lösen versucht, während andere in ihren Büchern oder Atlanten blättern oder sich unterhalten.

Zweckmäßig ist es, die Schüler durch klare Anweisungen wissen zu lassen, welche Arbeitsmittel in der jeweiligen Phase benutzt werden müssen.

18.

Es ist unzweckmäßig, die Tafel mit ungeordneten und schludrig geschriebenen Anschrieben zu füllen.

Zweckmäßig ist es, den Tafelanschrieb gut vorzubereiten, so dass er klar gegliedert ist und der Ergebnissicherung dient. Auch wenn der Tafelanschrieb von Schülern ausgeführt wird, muss er klar gegliedert und übersichtlich sein. Außerdem muss den Schülern eindeutig gesagt werden, ob und ggf. wann der Tafelanschrieb in ein Heft übertragen werden soll. Dafür muss Zeit eingeräumt werden. Niemals darf nur ein Teil der Schüler am Unterrichtsgespräch beteiligt sein, während ein anderer Teil noch hastig von der Tafel abschreibt.

19.

Zweckmäßig ist es, Klassenarbeiten und Tests durch entsprechende Übung sowie dadurch vorzubereiten, dass die Schüler Gelegenheit erhalten, Fragen zu den Inhalten der bevorstehenden Lernzielkontrolle zu stellen. Die inhaltlichen und methodischen Schwerpunkte der bevorstehenden schriftlichen Lernzielkontrolle müssen den Schülern eindeutig, vollständig und rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt werden.

Zweckmäßig und notwendig ist es darüber hinaus, die Vorschriften der Ausführungsvorschriften über Klassenarbeiten in der jeweils geltenden Fassung zu kennen und zu berücksichtigen.

20.

Es ist unzweckmäßig, im Unterricht mit den Massenmedien konkurrieren zu wollen. Medienüberflutung führt zu rezeptivem Verhalten der Schüler und behindert die Konzentration.

Zweckmäßig ist es, Medien sparsam, lernzielbezogen und dadurch funktional einzusetzen. Im Übrigen muss der Unterricht das leisten, was Massenmedien nicht leisten können - Einübung von Genauigkeit, Gründlichkeit, Konzentration.

21.

Zweckmäßig ist es, Zusammenfassungen und Ergebnissicherungen am Ende von Unterrichtsphasen, Einzelstunden und Unterrichtseinheiten regelmäßig vorzunehmen.

22.

Es ist unzweckmäßig, die konzentrierte Mitarbeit der Schüler durch Mahnungen, Appelle, gutes Zureden und Diskussionen erreichen zu wollen.

Zweckmäßig ist es, die konzentrierte Mitarbeit der Schüler dadurch anzustreben, dass

  • die Unterrichtsstunden zügig in klar gegliederte Abfolge von Lernschritten und Phasen geführt werden,
  • die Schüler mit klaren Ergebnissen konfrontiert werden,
  • die Schüler erkennen, dass sie nur zu Unterrichtserfolgen kommen können, wenn sie durch Aufmerksamkeit und Fleiß, selbsttätiges Mitarbeiten und Mitdenken Lernfortschritte machen.

23.

Es ist unzweckmäßig, Erziehungs-(„Disziplin"-)maßnahmen wiederholt anzudrohen, diese jedoch im gegebenen Fall nicht anzuwenden. Ebenso ist es unzweckmäßig, Erziehungsmaßnahmen anzudrohen, deren Vollzug sachlich und/oder rechtlich nicht möglich ist.

Zweckmäßig ist es, im Hinblick auf die Durchsetzung von Lernfortschritten der Schüler konsequent zu sein. Konsequenz besteht in folgerichtigem und widerspruchsfreiem Handeln und Verhalten; sie darf jedoch nicht zu Starrsinn, Rechthaberei und Prinzipienreiterei führen.

Erziehungsmaßnahmen sind immer das letzte Mittel, eine angemessene Lernsituation herbeizuführen; sie müssen deshalb stets pädagogisch bedacht werden, sowohl im Hinblick auf die Lerngruppe und die konkrete Lernsituation als auch im Hinblick auf das Ziel, den "disziplinierten" Schüler wieder in den Unterricht zu integrieren.

24.

Es ist unzweckmäßig, Erziehungsmaßnahmen zu improvisieren und/oder ohne Kenntnis der Rechtsgrundlagen anzuordnen.

Zweckmäßig und notwendig ist es, sich vorsorglich sachkundig zu machen und die Ausführungsvorschriften über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen (AV EOM), ggf. auch die Schul- oder Hausordnung der Schule, zu kennen.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
2000-2008 -