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Auffälliges Verhalten
1.0 Das Problemfeld
Die Begriffe »auffälliges
Verhalten« und »Verhaltensstörungen« beschreiben in sehr
allgemeiner Form Sachverhalte, die die schulische Arbeit belasten und in der
Öffentlichkeit kontrovers erörtert werden. Worin auffälliges Verhalten und
Verhaltensstörungen bestehen, ist selbst dann schwer zu definieren, wenn ein Beobachter
Verhaltensauffälligkeiten oder -störungen wahrnimmt.
Dafür gibt es zwei Gründe.
- Beide Begriffe setzen stillschweigend oder
ausdrücklich ein normales" Verhalten als Bezugspunkt voraus, also eine Norm.
Worin sie besteht, bleibt unbestimmt. Oft ist sie identisch mit dem jeweils
gesellschaftlich Üblichen. Das freilich kann engherzig oder großzügig gefasst sein.
- Auffälliges Verhalten und
Verhaltensstörungen sind für Eltern und Lehrer, nicht zuletzt auch die Kinder und
Jugendliche ein hochemotional besetztes Thema. Deshalb sind sowohl Dramatisierungen als
auch Verharmlosungen zu beobachten. Desto eher kommt es darauf an, für die Interpretation
und Bearbeitung einer tatsächlich bestehenden Problematik einen nüchternen und
pragmatischen Standpunkt zu gewinnen.
Bei dieser Sachlage wird hier
vorgeschlagen, als Bezugspunkt die Ergebnisse der entwicklungspsychologischen Forschung zu
wählen. Wichtig ist dabei der lediglich beschreibende, nicht
jedoch wertende Charakter des Begriffes. Auch gibt es mehr denn je eine große
Bandbreite individueller Verhaltensformen, ohne dass sie als "auffällig" zu
bezeichnen wären.
Als auffällig kann das Verhalten
eines jungen Menschen dann bezeichnet werden, wenn es signifikant von dem Verhalten
abweicht, das als entwicklungs- und altersgemäß zu erwarten ist.
2.0 Merkpunkte für
auffälliges Verhalten
Rainer FÜLLERT, Leiter
der schulpsychologischen Beratungsstelle Zehlendorf, hat die folgenden
Merkpunkte" für auffälliges Verhalten vorgeschlagen. Sie können als
Orientierungshilfe für einen sachgerechten und den jungen Menschen angemessenen Umgang
mit auffälligem Verhalten dienen.
1. Jedes auffällige Verhalten
kann folgende Ursachen haben:
- organische Faktoren,
- gestörte Entwicklungsprozesse,
- ungelöste Konflikte,
- aktuelle Bedrohungen / Belastungen.
2. An der Entstehung einer
Verhaltensstörung sind in der Regel viele Faktoren beteiligt:
- Persönlichkeit des Individuums,
- Einflüsse der Familie, z.B.:
- Lass Dir nichts gefallen, schlag
zurück".
- Einflüsse der Gesellschaft (TV, Video,
Kino, Straßenverkehr),
- Einflüsse der Schule:
Lehrer, Mitschüler, Organisationen,
gesetzliche, architektonische Rahmenbedingungen.
3. Verhaltensstörungen haben
immer eine Lerngeschichte.
Sie müssen als missglückte Lösungsversuche von Konflikten
angesehen werden.
4. Bei ihrer Analyse muss immer
auch das Verhalten
der Interaktionspartner berücksichtigt werden.
5. Die meisten
Verhaltensstörungen sind Signale des Schülers:
- Ich habe ein Problem.
- Der Unterricht ist langweilig.
- Ich kann nicht mehr.
- ...
6. Jede Verhaltensstörung tritt
nur unter ganz bestimmten Bedingungen auf.
7. Die Zuschreibung des Attributs
verhaltensgestört" birgt Gefahren:
- Abwälzen von Verantwortung,
- Distanzierung vom Problem,
- Erzeugung von Pseudoobjektivität,
- trägt zum Fortbestehen der Konflikte bei.
3.0 Ursachen für
Verhaltensstörungen
SEIFRIED,
Schulpsychologische Beratungsstelle Wedding, hat als Ursachenfaktoren für
Verhaltensstörungen von Kindern folgende Aspekte herausgestellt.
3.1 Risikofaktoren
- Schlafmangel
- mangelhafte und falsche Ernährung (z.B.
kommen 50% der Berliner Grundschüler ohne Frühstück zur Schule)
- Unterforderung im Unterricht
- Überforderung
- Zu wenig Anregung, Förderung und
Aufmerksamkeit durch die Eltern (Reizarmut)
- Überfürsorge oder
Leistungsüberforderung durch die Eltern
- Reizüberflutung durch Fernsehen und
Videokonsum
- Fehlende soziale Orientierung durch
impulsives, wechselndes Erziehungsverhalten
und häufig wechselnde Lebensbedingungen
- gewährende, regellose Erziehung
- keine klaren Generationsgrenzen (Kinder
als Partnerersatz)
- zu strenge, autoritäre und einengende
Erziehung
- Misshandlungen
- Familiäre Krisen und Konflikte, Trennung
der Eltern
- Krankheit und Sucht der Eltern
- Problemschwangerschaften mit Medikamenten,
Alkohol, Nikotin, Krankheiten
- Geburtstrauma mit Sauerstoffmangel
- Konflikte mit Lehrern und Lehrmethoden
- Konflikte mit Mitschülern u.v.a.
3.2 Prävention
- Was kann die Schule tun, um
Verhaltensstörungen zu vermeiden?
- Klare Regeln
- Einheitlicher Erziehungsstil im Kollegium
- Bewegungsspiele im Unterricht
- Ruhe- und Entspannungsspiele
- Leistungsdifferenzierung
- Soziales Lernen durch lnteraktionsspiele
- Übernahme von Verantwortung durch die
Schüler
(Ämter, Streit-Schlichter, Konflikt-Lotsen)
- Gestaltung von Räumen, Fluren, Gebäuden,
Schulhof
4.0 Der Stand der Diskussion
Die vorstehenden Thesen haben
ausdrücklich pragmatischen Charakter und dienen lediglich einer ersten Orientierung. Zum
Thema gibt es ein umfangreiches Schrifttum. Wer sich in die Materie einlesen will, findet
weiterführende differenzierte Informationen und Literatur bei Heinz Bach. Nachweis
auf der Webseite "Literaturgrundlage".
Interesse verdient folgende Handreichung:
Margarete IMHOF - Klaus SKRODZKI - Marianne URZINGER
Aufmerksamkeitsgestörte, hyperaktive Kinder und Jugendliche im Unterricht
Donauwörth 1999
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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