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Der Beamte als Prüfer
- Rechte, Pflichten und Aufgaben -
Übersicht
1.0 Grundlagen
2.0 Probleme
3.0 Der Prüfer
3.1 Die Rechtsstellung des
Prüfers
3.2 Der
Anspruch auf Rechtsschutz
3.3 Aufgaben
4.0 Literatur
1.0 Grundlagen
Das Grundgesetz bindet in Art. 20 Abs. 3
die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Diese grundlegende Bestimmung - der Vorrang
bzw. der Vorbehalt des Gesetzes - ist von so zentraler Bedeutung, dass sie alle staatliche
Tätigkeit durchdringt und durch Art. 79 Abs. 3 GG von jeder Änderung ausgenommen ist.
In Berlin greift das Beamtenrecht in § 22 Abs. 1 LBG die
Regelung des Art. 20 Abs. 3 GG mit einer strengen Bestimmung auf:
Der Beamte trägt für die
Rechtmäßigkeit seiner dienstlichen Handlungen
die volle persönliche Verantwortung."
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2.0 Probleme
Im Zusammenhang mit dieser Vorschrift
können sich zwei Konflikttypen ergeben:
- § 21 LBG verpflichtet den Beamten, die
Anordnungen seiner Vorgesetzten auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen.
Erhält der Beamte eine Anordnung, gegen die er rechtliche Bedenken hat, so muss er sie
nach § 22 Abs. 2 Satz 1 LBG geltend machen.
Wie in § 22 Abs. 2 Satz 3 LBG geregelt, wird der Beamte in
Zweifelsfällen durch Entscheidung des Vorgesetzten von seiner eigenen Verantwortung
befreit.
- Unabhängig davon kennt § 21 LBG auch
Fälle, in denen der Beamte nach besonderer gesetzlicher Vorschrift an Weisungen nicht
gebunden und nur dem Gesetz unterworfen ist.
Erhält der Beamte hier eine Weisung, die diesen Sachverhalt
nicht beachtet, so muss er seine rechtlichen Bedenken ebenfalls - wie oben beschrieben -
geltend machen. Zu klären bleibt dann jedoch ggf. lediglich, ob für den
Beamten tatsächlich
allein das Gesetz gilt.
In den Fällen, in denen der Beamte nicht an Weisungen gebunden
ist, kann ihm deshalb die eigene Verantwortung auch durch Entscheidung des
Vorgesetzten nicht abgenommen werden.
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3.0 Der Prüfer
Eine Tätigkeit, bei der der Beamte nicht
an Weisungen gebunden werden darf, vielmehr allein gesetzlichen Vorschriften
unterliegt, ist die des Prüfers. Untersucht man diese
Vorschriften, so zeigt sich eine komplexe Problematik:
Zwar bestehen verfassungsrechtliche und gesetzliche Vorgaben
sowie prüfungsrechtliche Regelungen (Verordnungen) auf der Grundlage gesetzlicher
Ermächtigung, doch gibt es keine eigene gesetzliche Norm, die die Tätigkeit des
Prüfers regelte.
Diese Lücke ist - in Ermangelung gesetzten
Rechts" - vom Bundesverwaltungsgericht in zwei grundlegenden Entscheidungen
geschlossen worden, und zwar
o durch Urteil vom 14. Juli 1961, VII C 25.61
(BVerwGE 12, 359 ff.)
o und durch Beschluss vom 23. Februar 1962, VII
B 21.61 (BVerwGE 14, 31 ff.).
Diese Entscheidungen (im weiteren als E I" und E II" bezeichnet) sind
seitdem die Rechtsgrundlage.
Das Lehrerbildungsgesetz
bestimmt inzwischen in § 8 Abs. 2 der durch Änderungsgesetz vom
5. Dezember 2003 geltenden Fassung:
Die
Mitglieder des Prüfungsamtes
sind hinsichtlich ihrer Prüfertätigkeit nicht weisungsgebunden.
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3.1 Die
Rechtsstellung des Prüfers
Das Bundesverwaltungsgericht formuliert
die folgenden Grundsätze (E I, S. 363):
- Der Prüfer muss seine Tätigkeit nach
bestem Wissen und Gewissen" ausüben.
- Das kann der Prüfer nur dann leisten,
wenn er sich bei seinem Urteil nur von
seinem Wissen und seinem Gewissen leiten lässt."
- Die mit der Wahrnehmung seiner Aufgabe
verbundene höchstpersönliche Pflicht" kann
der Prüfer nur erfüllen, wenn er in seiner Entscheidung frei und unabhängig
ist."
- Deshalb darf die Aufsichtsbehörde nicht
mit Weisungen auf die Wahrnehmung seiner Aufgaben einwirken.
Der erkennende Senat hat diesen
Standpunkt in einer weiteren Entscheidung bekräftigt und vertieft (E II). Er stützt hier
die Unabhängigkeit des Prüfers insbesondere auf den Anspruch auf Chancengleichheit, den
die Prüflinge aus Art. 3 Abs. 1 GG haben, und sieht in ihr eine Entsprechung zur - durch
Art. 97 Abs. 1 GG garantierten - Unabhängigkeit der Richter. Dort heißt es (S. 34):
Die Unabhängigkeit der Prüfer ist
mit dem Begriff der Prüfung untrennbar verbunden. Daraus ergibt sich, dass die Tätigkeit
der Prüfers derjenigen des Richters nahe verwandt ist. Von beiden sollen alle Einflüsse
ferngehalten werden, die geeignet sind, ihre Unabhängigkeit und insbesondere auch ihre
Unvoreingenommenheit zu gefährden."
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3.2 Der
Anspruch auf Rechtsschutz
Staatliche Prüfungen berühren den
besonderen Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern will" - so
formuliert das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung. Weil
Prüfungsentscheidungen den Zugang gerade auch zu akademischen Berufen beschränken,
unterliegen sie gerichtlicher Nachprüfung.
Die Unabhängigkeit des Prüfers darf
daher jedoch nicht so weit gehen, dass der in Art. 19 Abs. 4 GG begründete Anspruch
der Prüfungskandidaten auf effektiven Rechtsschutz ausgehöhlt oder unterlaufen
wird. Sie schlüge sonst in Selbstherrlichkeit oder Willkür um und wäre mit den
Freiheitsrechten, die der Bürger gegenüber staatlicher Tätigkeit hat, nicht zu
vereinbaren.
Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb
am 17. April 1991 in zwei Beschlüssen eine neue Linie der Rechtsprechung formuliert
und zieht damit die Konsequenz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Danach sind die
Gerichte verpflichtet, angefochtene Verwaltungsakte
in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht vollständig nachzuprüfen.
Die erörterten Beschlüsse haben die
Aktenzeichen
1 BvR 419/91, 213/83 - [BVerfGE 84, 34]
1 BvR 1529/84, 138/87 - [BVerfGE 84, 59].
Eine detaillierte Darstellung dieser Beschlüsse und ihres Begründungszusammenhanges
finden Sie auf der Webseite Grundlegende
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts". Die
verfassungsrechtlichen Grundlagen werden auf der Webseite Rechtsschutz im Schulwesen"
dargestellt.
Berlin hat aus diesen Entscheidungen und
aus der an sie anschließenden Rechtsprechung
(Urteile BVerwG vom 24. Februar 1992 - 6 C 35.92 - und vom 4. Mai 1999 - 6 C 13.98 -)
Konsequenzen gezogen.
Durch § 8 LBiG i.d.F. vom 13. Februar 1985 GVBl. S. 434,
948 -,zuletzt geändert durch 9. LBiGÄndG vom 4. April 2000 sowie durch Gesetz vom
6. November 2000 - GVBl. S. 473 - und daran anknüpfende Verfahrensregelungen ist
garantiert, dass Prüfungsentscheidungen widersprochen und ihre Überprüfung
verlangt werden kann.
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3.3 Aufgaben
Nach alledem ist deutlich:
Die Unabhängigkeit des Prüfers ist
nicht nur ein besonderes Vorrecht,
sondern auch eine große Verpflichtung.
Der Verantwortung des Prüfers, nämlich der ihm übertragenen und nur mit seiner
Kompetenz zu lösenden Aufgabe, entspricht seine Verantwortlichkeit. Er
muss ggf. für die rechtliche und sachliche Korrektheit seiner Entscheidungen einstehen.
Auch nach den Beschlüssen von 1991 bleibt den Prüfern ein -
wenn auch eng eingegrenzter - Bewertungsspielraum. Denn immer müssen sie bei
ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe
ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden
(BVerfGE 84, 51).
Anknüpfend an die Formulierung allgemein
anwenden" ist noch eine Vertiefung erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht
leistet sie in demselben Beschluss auf der nächsten Seite (BVerfGE 84, 52).
Für Staatsprüfungen, die den Zugang zum Beruf eröffnen, wird in aller Deutlichkeit
folgende Forderung formuliert:
Nach dem
Grundsatz der Chancengleichheit, der das Prüfungsrecht beherrscht [...], müssen für
vergleichbare Prüflinge soweit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und
Bewertungskriterien gelten."
Das ist wörtlich zu verstehen. In der
Praxis ist es schwierig, diesen Auftrag zu verwirklichen.
Allein die von Kandidat zu Kandidat unterschiedlichen Arbeitsbedingungen in den
Lerngruppen, ebenso auch die jeweils unterschiedliche Zusammensetzung der
Prüfungsausschüsse führt zu Ungleichheiten, die sich auf keine Weise ausschließen
lassen.
Desto eher müssen wir Prüfer uns einer schlichten und einsichtigen Aufgabe bewusst sein
und dürfen nicht darin nachlassen, sie zu erfüllen:
alle
Ungleichheiten des Prüfungsverfahrens zu vermeiden,
die zu vermeiden uns möglich ist.
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4.0 Literatur
-
Peter GUHL
Prüfungen im Rechtsstaat
Rechtsstaatliche Anforderungen an Prüfungsverfahren
Bad Honnef 1978
-
Norbert NIEHUES
Schul- und Prüfungsrecht
Band 1: Schulrecht
München 2000, 3. , neubearbeitete Auflage
Band 2: Prüfungsrecht
München 1994, 3. Auflage, 2003, 4. Auflage
-
Jost PIETZCKER
Verfassungsrechtliche Anforderungen
an die Ausgestaltung staatlicher Prüfungen
Berlin 1975
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 25.08.09
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