Grundlegende
Rechtsprechung 1.0 Der Problemhorizont 1.1 Die Ausgangslage Bis zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts hat die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, auch des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG), bei der rechtlichen Würdigung von Prüfungsentscheidungen sich darauf beschränkt (grundlegendes Urteil vom 24. April 1959, VII C 104.58, BVerwGE 8, 272; am 9. Oktober 1969 bekräftigt, BVerwG VII B 4.69, BUCHHOLZ 421.0 Nr. 39, erneut am 20. Juli 1984, BVerwG 7 C 28.83, BUCHHOLZ 421.0 Nr. 198, S. 195) festzustellen, ob die Prüfungsbehörden
Nach der Rechtsprechung des BVerwG wurde die Willkürkontrolle auf offenkundige Extremfälle wissenschaftlich-fachlicher Fehleinschätzungen beschränkt. Die Verwaltungsgerichte haben mithin in die fachliche Zuständigkeit der Prüfer nicht eingegriffen. Damit ergab sich für die Prüfer in fachlich-inhaltlicher Sicht ein weiter Raum für das pflichtgemäße Ermessen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 17. April 1991 in zwei Beschlüssen - dem sog. Blitzstrahl aus Karlsruhe" - eine neue Linie der Rechtsprechung formuliert und zieht damit die Konsequenz aus Art. 19 IV GG. Danach sind die Gerichte verpflichtet, angefochtene Verwaltungsakte
Handelt es sich bei den angefochtenen
Verwaltungsakten um Prüfungen, die den Zugang zu einem Beruf und ggf. in
Verbindung damit zu einem öffentlichen Amt eröffnen, so ergeben sich aus
Art. 12 I GG sowie ggf. Art. 33 II GG weitere
Rechtsgarantien des Bürgers gegenüber den jeweils zuständigen Prüfungsbehörden. 1.2 Der Sachverhalt Den beiden Beschlüssen lagen folgende Fälle zugrunde. Dabei ging es, wenn auch mit Unterschieden, im Kern immer um Fragen der fachlichen Bewertung von Prüfungsleistungen.
Beide Verfassungsbeschwerden waren erfolgreich. Das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte den Klägern den Rechtsschutz vorenthalten habe, auf den sie nach Art. 19 IV GG Anspruch hätten. 1.3 Würdigung der Beschlüsse In beiden Beschlüssen wird sehr
sorgfältig und differenziert argumentiert. Insbesondere hat der erkennende Senat
keineswegs das Kind mit dem Bade ausgeschüttet oder den Prüfern nicht zu leistende
Anforderungen zugemutet. Dennoch wird es Prüfern in Zukunft nicht mehr möglich Konsequenzen für die Tätigkeit der Prüfer wie auch der kontrollierenden Gerichte werden im folgenden dargestellt. 2.0 Folgerungen An dieser Stelle ist es erforderlich, zunächst die Entscheidungsgründe zu dem Verfahren Nr. 1 vorzustellen.
Wichtig ist also, dass das BVerfG zwischen fachlichen und prüfungsspezifischen Gesichtspunkten unterscheidet. Dazu ist folgendes festzuhalten. 2.1 Fachliche Meinungsverschiedenheiten Die Formulierung des Beschlusses - nicht generell entzogen" - lässt bei fachlichen Kontroversen eine gerichtliche Entscheidung nur für den Einzelfall zu und bindet sie an strenge Kriterien. Damit wird lediglich ausgeschlossen, dass Prüfer ihre persönliche Auffassungen von fachlicher Richtigkeit absolut setzen. 2.2 Prüfungsspezifische Wertungen Zweck und Prinzipien von - zumal berufsbezogenen - Prüfungen stellen ein komplexes Bezugssystem dar, das im Sinne der Chancengleichheit aus Art. 3 I GG für alle Kandidaten gleichmäßig anzuwenden ist. Entsprechende Entscheidungen müssen immer im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens getroffen werden. Deshalb müssen Prüfer - so das BVerfG in der Begründung seines Beschlusses - bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Prüfungsnoten dürfen nicht isoliert gesehen werden, sondern sind in einem Bezugssystem zu finden, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, lassen sich nicht regelhaft erfassen. Aus diesen Gründen können
Einzelentscheidungen im Verwaltungsstreitverfahren dem Kläger die Chance einer vom
Vergleichsrahmen unabhängigen Entscheidung gewähren. Dadurch würde jedoch die
gleichmäßige Beurteilung aller Kandidaten tiefgreifend beeinträchtigt. Sie ist nur zu
erreichen, wenn Das BVerfG hat jedoch klargestellt, dass wegen Art. 12 I GG berufsbezogene Prüfungen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit beachten müssen. Sie sind wegen Art. 19 IV GG nicht jeder gerichtlichen Kontrolle entzogen, doch muss diese zweckgerichtet, geeignet und angemessen sein. Vor allem haben die Gerichte zu kontrollieren, ob die Prüfungsbehörden die normativen Vorgaben beachtet haben. 2.3 Konsequenzen für die Berliner Prüfungspraxis Seit den referierten Beschlüssen des
Bundesverfassungsgerichts sind rund zehn Jahre vergangen. Die Verwaltungsgerichte
erfüllen den Auftrag, Verwaltungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig
nachzuprüfen sowie eine höhere Kontrolldichte" zu leisten. Insgesamt ist der Rechtssicherheit der Bürger gedient worden. Das Bewusstsein, Prüfern nicht ausgeliefert zu sein, hat entlastend gewirkt. Eingriffe - oder gar Übergriffe - der Verwaltungsgerichte in fachliche Zuständigkeiten der Prüfer hat es in der zunächst befürchteten nicht gegeben. Das ist auch auf ein gesteigertes Rechtsbewusstsein der Prüfer zurückzuführen. 3.0 Literaturnachweis Die erörterten Beschlüsse haben die Aktenzeichen 1 BvR 419/91, 213/83 - [BVerfGE 84, 34] Sie sind außerhalb der offiziellen
Entscheidungssammlung - BVerfGE - leicht zugänglich in der Neuen Juristischen
Wochenschrift Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08 |