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Die »freiheitliche
demokratische Grundordnung«
1.0 Definition und grundlegende
Prinzipien
Das Bundesverfassungsgericht hat in den
Jahren 1952 und 1956 die »freiheitliche demokratische Grundordnung« verbindlich
definiert und deren grundlegende Prinzipien aufgeführt. Anlass dazu war 1952 der Antrag,
die Sozialistische Reichspartei, sowie 1956 der Antrag, die Kommunistischen Partei
Deutschlands zu verbieten, weil sie jeweils verfassungsfeindlich seien. Mit ihren Urteilen
vom 23. Oktober 1952 und vom 17. August 1956 ist das
Bundesverfassungsgericht diesen Anträgen gefolgt.
Bereits 1952 betont das
Gericht (BVerfGE 2, 12) die Bedeutung der Grundwerte:
Diese
Grundwerte bilden die freiheitliche demokratische Grundordnung, die das Grundgesetz
innerhalb der staatlichen Gesamtordnung - der verfassungsmäßigen Ordnung -
als fundamental ansieht. Dieser Grundordnung liegt letztlich nach der im
Grundgesetz getroffenen verfassungspolitischen Entscheidung die Vorstellung zugrunde, daß
der Mensch in der Schöpfungsordnung einen eigenen selbständigen Wert besitzt und
Freiheit und Gleichheit dauernde Grundwerte der staatlichen Einheit sind.
Daher ist die
Grundordnung eine wertgebundene Ordnung."
In der Begründung der beiden Urteile hat
das Gericht die folgenden konstitutiven Merkmale der freiheitlichen
demokratischen Grundordnung herausgearbeitet.
Die freiheitliche demokratische
Grundordnung i.S. des Art. 21 Abs. 2 GG
-
schließt jede Gewalt- und
Willkürherrschaft aus,
-
ist eine rechtsstaatliche
Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Volkes nach dem
Willen der Mehrheit.
Zu den grundlegenden Prinzipien
sind mindestens zu rechnen:
-
Die Achtung vor den im Grundgesetz
konkretisierten Menschenrechten, vor allem das Recht auf Leben und freie Entfaltung,
-
die Volkssouveränität,
-
die Gewaltenteilung,
-
die Verantwortlichkeit der Regierung,
-
die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,
-
die Unabhängigkeit der Gerichte,
-
das Mehrparteienprinzip,
-
die Chancengleichheit für alle
politischen Parteien,
- das Recht auf verfassungsmäßige Bildung
und Ausübung einer Opposition.
2.0 Zeitgeschichtlicher
Hintergrund
Das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland wird in der Gegenwart als eine Verfassung von eigenem Rang empfunden. Was
Menschen, die NS-Herrschaft und Nachkriegszeit erlebt haben, stets bewusst ist, können
mehr als fünfzig Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes junge Menschen nicht
ebenso selbstverständlich wissen:
Das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland
-
ist die Antwort auf die Zerstörung der
ersten deutschen Demokratie durch Hitler und den Nationalsozialismus;
-
verarbeitet die Erfahrungen der Weimarer
Zeit, indem es alle zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Kräfte abwehrt;
- garantiert und verwirklicht ein
freiheitliches, demokratisches und soziales Staatswesen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in
seinem Urteil vom 18. Dezember 1953 - 1 BvL 106/53 - BVerfGE 3, 225 [232, 233] dazu
ausgeführt:
Gerade die Zeit des
nationalsozialistischen Regimes in Deutschland hat gelehrt, daß auch der Gesetzgeber
Unrecht setzen kann, daß also, soll die praktische Rechtsführung solchen geschichtlich
denkbaren Entwicklungen nicht ungewappnet gegenüberstehen, in äußersten Fällen die
Möglichkeit gegeben sein muß, den Grundsatz der materialen Gerechtigkeit höher zu werten
als den der Rechtssicherheit, wie er in der Geltung der positiven Gesetze zum Ausdruck
kommt."
Die Wirkung der RADBRUCHschen Position ist nicht zu übersehen. Fast schon
pathetisch lautet der Text wenig später:
In entschiedener Abkehr von einer
Haltung, die in Recht und Gerechtigkeit keine Werte zu sehen vermochte, war der
Parlamentarische Rat bemüht, im Grundgesetz die Idee der Gerechtigkeit zu
verwirklichen."
3.0 Literaturnachweis
Hier wird nur die Literatur verzeichnet,
auf die sich der Text des Bausteins unmittelbar bezieht.
Alle weiteren Literaturangaben dieser Themengruppe werden in der Literaturgrundlage"
zusammengefasst. Dort finden Sie auch eine Zusammenstellung der wissenschaftlichen
Kommentare zum Grundgesetz.
Bundesverfassungsgericht
- Beschluss des Ersten Senats vom 23.
Oktober 1952 - 1BvB 1/51 - BVerfGE 2, 1 und 12 f.
- Urteil des Ersten Senats vom 17. August
1956 - 1 BvB 2/51 - BVerfGE 5, 85;
Neue Juristische Wochenschrift 1956, 1393.
Der Text der Urteilsbegründung kann auch unter folgender Adresse nachgelesen werden:
http://www.uni-wuerzburg.de/dfr/bv005085.html
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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