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Lernen lehren – Lernen lernen

Das Ulmer Lernförderprogramm

Übersicht
1.0 Die Grundgedanken
2.0 Praktikable Förderformen
3.0 Wenn mehrere Schüler Lernschwierigkeiten haben
4.0 Unterrichtliche Lernförderung
5.0 Wirksamkeit der Lernförderung
6.0 Literaturnachweis
7.0 Weiterführende Literaturhinweise

1.0 Die Grundgedanken

Das Lern- und Arbeitsverhalten von Schülerinnen und Schülern
ist für den Schulerfolg entscheidend.

Eine schulformadäquate Begabung ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für den Schulerfolg. Hinzukommen müssen Stützfaktoren, die das Begabungspotential in entsprechende Schulleistungen umsetzen helfen. Unter diesen Stützfaktoren spielt das Lern- und Arbeitsverhalten eine sehr große Rolle. Dies geht u.a. aus Studien zur Prognose des Schulerfolgs hervor. Als praktische Konsequenz haben Gustav KELLER und Mitarbeiter ein Lernförderprogramm entwickelt und erprobt, das hier näher beschrieben wird.

Bei dem »Ulmer Lernförderprogramm« handelt es sich um praktische Hilfen zum Lehren und Lernen des Lernens. Es basiert auf lernpsychologischen Grunderkenntnissen und schulpsychologischen Erfahrungen. Zentrale Bausteine sind Techniken der Selbstmotivierung, der Lernorganisation, der Informationsbeschaffung, der Informationsverarbeitung (Verständnis, Gedächtnis, Problemlösen) sowie der Konzentration. Einen Einblick in das Programm gewährt folgende Übersicht:

Selbstmotivierung:

  • sich vor dem Lernstart aufwärmen,

  • die Klassenarbeitsvorbereitung schrittweise bewältigen,

  • sich nach dem Lernen mit angenehmen Tätigkeiten belohnen,

  • Erfolge der eigenen Anstrengung zuschreiben,

  • sich nach Misserfolgen gezielt ermutigen,

  • Schulfächern interessante Teilaspekte abgewinnen,

  • sich frühzeitig über Berufsziele informieren (Zugkraftwirkung)

Lernorganisation:

  • zu festen Zeiten lernen (Gewohnheitsbildung),

  • Hausaufgaben und wichtige Termine notieren,

  • das tägliche Lernpensum in Muss- und Kannziele einteilen,

  • den Arbeitsplatz lernförderlich gestalten,

  • darauf achten, dass die notwendigen Lern- und Arbeitsmittel vorhanden sind.

Informationsbeschaffung:

  • Notizen anfertigen, Hefte führen, Ordner anlegen,

  • Informationen in Nachschlagewerken und Bibliotheken suchen,

  • Informationen zusammenfassen (z. B. in Form eines Schaubildes),

  • Informationen weitergeben: Referate schreiben und vortragen

Verständnis, Gedächtnis, Problemlösen:

  • neuen Lernstoff besser verstehen durch Verknüpfung mit Bekanntem, bildhaftes Vorstellen, Vereinfachen, Nachschlagen,

  • mehrkanalige Stoffverankerung: Sehen + Hören + Sprechen + Schreiben + Handeln,

  • Texte gründlich verarbeiten durch Unterstreichen, Herausschreiben, Strukturieren, Skizzieren,

  • das Erinnern durch Merkhilfen (Merkverse, Bilder, Merkwörter) erleichtern,

  • das Gelernte durch Selbstprüfen kontrollieren,

  • alten Lernstoff systematisch wiederholen (z.B. mit der Lernkartei),

  • bei der Aufgabenlösung Strategien anwenden: Brainstorming, Text in eigene Worte umformulieren, lösungsförderliche Fragen stellen, Lösungsskizze anfertigen, kontrollieren.

Konzentration:

  • das Arbeits-Erholungs-Gleichgewicht erhalten
    durch Lernpausen und Entspannungsübungen,

  • Aufmerksamkeitsabfall durch Lernstoff-
    und Lernwegwechsel entgegenwirken,

  • Aufschub durch klare Ziele verhindern,

  • ablenkende Reize am Arbeitsplatz beseitigen,

  • die Lernzeiten besser an den Biorhythmus anpassen.

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2.0 Praktikable Förderformen

Lernberatung

Wird ein Schüler mit Lern- und Leistungsschwierigkeiten beim Beratungslehrer oder Schulpsychologen angemeldet, klärt der zunächst die Ursachen. Er untersucht, ob das Schulversagen primär auf begabungsmäßige Überforderung, auf akute familiäre Schwierigkeiten oder auf Mängel im Lern- und Arbeitsverhalten zurückzuführen ist. Liegt die Ursache im letzteren Bereich, bietet sich eine Lernberatung als Förderform an.

Der Berater erarbeitet zusammen mit dem Schüler und dessen Eltern auf der Basis einer Lerndiagnose Änderungsziele. Es nützt wenig, dem Schüler z.B. nur zu sagen, dass er die Lernzeit besser planen oder Vokabeln auf mehreren Lernwegen aufnehmen soll.

Notwendig ist ein fester „Vertrag“, auf den sich der Schüler und seine Eltern verpflichten.

Darüber wird auch die Schule informiert, damit sie den Änderungsprozess unterstützt. Um die Änderungsziele in den Alltag umzusetzen, betreut der Berater den Schüler etwa ein halbes Schuljahr lang in fünf bis sieben Kontakten, die in immer größeren Zeitabständen durchgeführt werden. Nach unseren Erfahrungen regt dieses Intervallprinzip das Selbsthilfepotential des Schülers und seiner Familie sehr positiv an.

Lernmotivationen systematisch aufbauen

Es ist notwendig, einen Teil der Änderungsarbeit mit dem Schüler allein durchzuführen. An konkreten Fachinhalten und Lernsituationen werden Lern- und Arbeitstechniken vermittelt und das Selbstwertgefühl sowie die Lernmotivation des Schülers systematisch aufgebaut.

Nach zwei bis drei Trainingssitzungen ist eine Zwischenbilanz vonnöten, gegebenenfalls eine Korrektur der Änderungsziele. Die restliche Änderungsarbeit hat in der Regel keinen Trainingscharakter mehr. Sie dient vorwiegend dem Stabilisieren der Veränderungen sowie dem Hinübergleiten in das selbständige Lernen.

Wenn sich das Lern- und Arbeitsverhalten tatsächlich verändert hat und Versetzungsgefährdungen abgebaut worden sind, wird die Förderung vorerst abgeschlossen und für den Zeitpunkt des nächsten Zeugnisses eine Rückmeldung vereinbart. Gleichzeitig signalisiert der Berater, dass er im Notfall jederzeit konsultiert werden kann.

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3.0 Wenn mehrere Schüler Lernschwierigkeiten haben

An einer Lerngruppe nehmen nicht mehr als fünf Schüler teil, und sie arbeitet mindestens fünf Wochen. Die Gruppen- und Gesprächsführung orientiert sich an den Grundpostulaten Ermutigung, positive Verstärkung sowie emotionale Wärme. Nur so kann ein lernförderliches Klima entstehen. Darüber hinaus bedarf es eines Trainingsplanes, in dem die thematischen und inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Gruppensitzungen festgelegt werden.

Zu Beginn jeder Gruppensitzung berichten die Schüler, inwieweit es ihnen gelungen ist, die Lern-und Arbeitstechniken in die Lernpraxis umzusetzen, welche Probleme dabei aufgetreten sind und wie der aktuelle Leistungsstand aussieht. Dies ermöglicht erstens eine genauere Kontrolle des Änderungsprozesses. Zweitens trägt das Verbalisieren zur Auflösung emotionaler Lernhemmungen bei. Und drittens erfährt der Schüler, dass er mit seinen Lernschwierigkeiten nicht allein ist.

Auch bei dieser Fördermethode müssen die schulischen und familiären Bezugspersonen in den Änderungsprozess einbezogen werden. Sei es, dass sie die Aufgabe übernehmen, auch noch so kleine Erfolge und Fortschritte anzuerkennen und ermutigend zu kommentieren. Sei es, dass sie bei der Umsetzung von Lern- und Arbeitstechniken die "Ko-Trainerrolle" ausüben.

Wie bei der Lernberatung ist auch hier am Ende eine Abschlusssitzung vonnöten. Ziel ist zu bilanzieren, wieweit die Änderungsziele in die Lernpraxis umgesetzt worden sind. Ist der Umsetzungsprozess eher schleppend verlaufen, sollten nochmals nachbetreuende Einzelberatungen vereinbart werden.

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4.0 Unterrichtliche Lernförderung

Eine an den Unterrichtsstoff angelehnte Lernförderung kann dem Schüler direkt verdeutlichen, wie sehr Lern- und Arbeitstechniken das geistige Arbeiten erleichtern. Auf Grundlage seiner Erfahrungen formuliert Gustav KELLER folgende Ratschläge, die dem Lehrer nützlich sein können.

  • Nehmen Sie sich kein riesiges Förderprogramm vor, sondern setzen Sie zunächst kleine Ziele (z. B. Zeitplanung), und versuchen Sie, diese in kleinen Schritten zu erreichen.

  • Führen Sie vor der Förderung eine kleine Lerndiagnose durch, indem Sie durch Beobachtung, Beurteilung und Befragung ermitteln, woran das Lern- und Arbeitsverhalten Ihrer Klasse krankt. Leiten Sie aus dieser Lerndiagnose die Förderziele ab.

  • Verteilen Sie die Förderinhalte über ein ganzes Schuljahr, damit die Klasse nicht überfordert und das Thema "Lernen lernen" wachgehalten wird. Das heißt, sorgen Sie für Kontinuität.

  • Individualisieren Sie Förderinhalte. Passen Sie die Lern- und Arbeitstechniken dem Verständnis und Bedürfnis ihrer Klasse an. 

  • Kooperieren Sie mit den Fachlehrern. Lernförderung bedarf der fächerübergreifenden Planung und Umsetzung.

  • Sorgen Sie für eine gute Lernatmosphäre, indem Sie den Rhythmus von Anspannung und Entspannung beachten, die Klasse für Leistungs- und Verhaltensänderungen loben und in schwierigen Phasen ermutigen.

  • Verschreiben Sie nicht zu viele Rezepte, geben Sie jedem einzelnen Schüler Gelegenheit, seinen persönlichen Lernstil zu finden.

  • Entnehmen Sie die Beispiele, an denen Sie Lern- und Arbeitstechniken aufzeigen und einüben, dem aktuellen Unterrichtsstoff. Überschütten Sie die Klasse nicht mit stofffremden Fördermaterialien.

  • Informieren Sie das Elternhaus über die Fördermaßnahmen. Veranstalten Sie einen Elternabend zum Thema "Lernen lernen". Nutzen Sie die Möglichkeit, das Elternhaus durch Elternbriefe über die Lernerziehung und Lerntechnik aufzuklären.

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5.0 Wirksamkeit der Lernförderung

Die einzelnen Formen des Ulmer Lernförderprogramms sind immer wieder erfolgskontrolliert worden. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass die Vermittlung allgemeiner fachbezogener Lernstrategien das Lern- und Arbeitsverhalten erleichtert und sich in besseren Schulleistungen niederschlägt. Wichtig zu wissen ist, dass intensive Trainings mit dem einzelnen Schüler oder mit einer Kleingruppe wirksamer sind als Trainings im Klassenverband. Letzteres darf nicht missverstanden werden. Es steht außer Zweifel, dass eine Klasse von der Lernförderung auf jeden Fall profitiert, nur eben nicht so stark.

Aus den Erfolgskontrollen geht auch hervor, dass Lernförderung bei jüngeren Schülern größere Effekte hervorruft. Ferner ist auch klar ersichtlich, dass ein positives Beziehungsklima (Lob, Wertschätzung, Ermutigung) den Erfolg wesentlich wahrscheinlicher macht. Was die Wirksamkeitsanalyse der einzelnen Lern- und Arbeitstechniken betrifft, schnitten am besten ab:

  • die mehrkanalige Stoffverarbeitung,

  • die Zeitplanung,

  • das Lernen nach dem Rhythmus von Anspannung und Entspannung,

  • das regelmäßige Wiederholen alten Stoffs

  • sowie die Verkürzung des Lernstoffs in Form von Auszügen, Skizzen und Strukturen.

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6.0 Literaturnachweis

Der vorstehende Text ist die bearbeitete Wiedergabe eines Aufsatzes, den Gustav KELLER in der Deutschen Lehrerzeitung 15/1995 veröffentlicht hat.

7.0 Weiterführende Literaturhinweise

Für Grundschüler:

  • Willi HITZLER - Gustav KELLER
    So lerne ich richtig
    Lerntechniken für Grundschüler
    Eine Hilfe für den Übertritt
    Donauwörth 1999, 3., überarbeitete Auflage

Für Schüler der Klassen 5 - 9:

  • Gustav KELLER
    Lernen will gelernt sein!
    Ein Lerntraining für Schüler
    Heidelberg und Wiesbaden 2003, 7., korrigierte Auflage

Für Schüler der Klassen 10 - 13:

  • Gustav KELLER
    Der Lernknigge für Jugendliche und junge Erwachsene
    Bad Honnef 1994, 2., überarbeitete Auflage

Für Eltern:

  • Gustav KELLER - Brigitte THEWALT
    So helfe ich meinem Schulkind
    Eine praktische Lern- und Übungshilfe für die ersten Schuljahre
    Heidelberg und Wiesbaden 1994, 2., überarbeitete Auflage

Für Lehrer:

  • Gustav KELLER
    Lehrer helfen lernen
    Lernförderung, Lernhilfe, Lernberatung
    Donauwörth 1999, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage

Weitere Literaturnachweise für die Webseiten dieses thematischen Bereiches 
finden Sie hier.

Ein zusammenfassendes Literaturverzeichnis
für die Themengruppe »Lernen – Voraussetzungen, Möglichkeiten, Probleme«
finden Sie hier.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 15.01.08
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