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Hinweise
für sinnvolle Hausaufgaben
1.0 Vorbemerkung
Die Auseinandersetzung mit den Gründen
für und wider Hausaufgaben kann zu folgenden Einschätzungen führen:
- Weder die Kritik der Hausaufgaben noch die
Begründung ihrer Funktion sind in allen Punkten schlüssig und überzeugend.
- Hausaufgaben können im didaktischen und
erzieherischen Kontext sinnvoll und damit auch geboten sein.
Damit stellt sich die Frage nach den
Kriterien, auf Grund derer eine Hausaufgabe als sinnvoll betrachtet werden kann.
In den folgenden Ausführungen
werden dazu Überlegungen und Hinweise vorgestellt, die zwei repräsentative didaktische Veröffentlichungen auswerten.
2.0 Folgerungen aus den
Aufstellungen von Dietrich von DERSCHAU
Von DERSCHAU leitet aus
seinem Forschungsüberblick (vgl. die Webseite Aufriss
der Problematik") eine Reihe von Folgerungen ab.
- Die teilweise Verlagerung von Übung,
Festigung und Anwendung des Gelernten gliedert wichtige und methodisch besonders
anspruchsvolle Phasen des Lernprozesses aus dem Unterricht aus. Zentrale Lernschritte, die
für das Gelingen weiteren Lernens wichtig sind, werden dem Schüler überlassen oder an
die Eltern delegiert. Dabei können eine Fülle von negativen Nebenwirkungen auftreten,
die nicht nur auf das aktuelle Lernergebnis, sondern vor allem auf die Lernhaltung des
Schülers generell ungünstig wirken können.
- Mithin dürfen Hausaufgaben nicht die
Fortsetzung des Unterrichts zuhause und erst recht nicht die Erledigung von Lernpensen
sein, die im Unterricht nicht bewältigt werden konnten. Sie müssen vielmehr an die
Interessen der Schüler anknüpfen, sie zu einer ihnen möglichen selbständigen Arbeit
herausfordern und ihnen eine Identifikation mit ihrer Leistung ermöglichen.
- Hausaufgaben dürfen nicht isoliert
gesehen werden, sondern müssen ein organischer Bestandteil einer Unterrichtskonzeption
sein. Das setzt sorgfältige Planung voraus und verbietet Improvisationen.
- Die Schüler können Hausaufgaben dann am
ehesten als sinnvoll erfahren, wenn sie anwendungsbezogen sind und damit offenkundigen
Gewinn für Verlauf und Gelingen der gemeinsamen Unterrichtsarbeit vermitteln.
- Hausaufgaben sollten in einer Form
konzipiert sein, die - so weit im Einzelfall möglich - individuelle Bearbeitung
wenigstens nicht ausschließt.
- An den Unterricht anschließende
Hausaufgaben sollten auf mechanische Gedächtnisübungen verzichten und statt dessen
der
Anwendung sowie Überprüfung des erarbeiteten Wissens und Könnens dienen.
- Den Schülern muss einsichtig sein, dass
der Inhalt einer Hausaufgabe nicht auch in der Schule erledigt werden kann.
- Aufgabenstellung und Arbeitsanweisung
müssen präzise und eindeutig sein. Für die Erledigung notwendige Arbeitstechniken
müssen vermittelt werden; Hilfen zur Bewältigung wahrscheinlich auftretender
Schwierigkeiten sollten gegeben werden.
- Unter keinen Umständen darf ein Lehrer
vergessen", die Erledigung eines Arbeitsauftrages zur Kenntnis zu nehmen.
Formale Kontrolle der Erledigung, ihrer Sauberkeit und Richtigkeit reicht nicht aus. Die
Schüler bedürfen einer Rückmeldung, die auf ihre Arbeitsergebnisse möglichst
individuell eingeht. Hierzu gibt es Möglichkeiten, die eine unangemessene zeitliche
Belastung des Unterrichtsfortganges vermeiden helfen.
3.0 Die Konzeption von Horst
SPEICHERT
In seinem Buch Praxis produktiver
Hausaufgaben", Königstein i.Ts. 1982, trägt Horst SPEICHERT zur Kritik sowie zur
möglichen Gestaltung von Hausaufgaben Überlegungen vor, die über die gängigen
Kontroversen und Ratschläge hinausgehen. Während man den offiziellen Zielsetzungen zum
Thema Hausaufgaben zustimmen könne, sei in der Praxis ein Scheitern zu beobachten.
Ursache dafür seien unbeabsichtigte, aber zwangsläufig eintretende Nebenwirkungen, die
geradezu den Charakter eines 'heimlichen Lehrplans' annehmen könnten.
Ehe SPEICHERT Vorschläge für die Praxis
der Hausaufgaben macht, untersucht er die Bedingungsfaktoren der immer wieder zu
beobachtenden Schwierigkeiten. Er sieht sie in der Tatsache, dass zentrale Einsichten der
Motivationspsychologie sowie der Lernpsychologie nicht beachtet oder missverstanden
würden.
Im Folgenden wird versucht,
SPEICHERTs Analysen und die daraus abgeleiteten Folgerungen thesenartig darzustellen.
3.31 Generelle Aussagen
- Lernprozesse sind nicht denkbar ohne
dazugehörige Motivationen. Sie sind darüber hinaus noch von einer Reihe anderer
Bedingungen (Wahrnehmung, Informationsverarbeitung etc.) abhängig.
- Es gibt verschiedene Lernprozesse:
Einübung motorischer Fertigkeiten und einfache, d.h. reproduktive geistige"
Fertigkeiten einerseits, Bewältigung komplexerer Lernprozesse andererseits.
- Nicht jede Übung hat positive Wirkungen
für die jeweils auszubildende Fertigkeit:
o Arbeitsübung verbessert eine Fertigkeit nicht,
wenn diese schon relativ hoch ausgeprägt ist.
o Arbeitsübung ist für eine Fertigkeit schädlich, wenn eine Rückmeldung
während des Arbeitsprozesses nicht möglich ist.
Die Lernprozesse können dann gegenläufig werden.
- Arbeiten, die den erklärten Lernabsichten
der Schule nur begrenzt dienlich sind oder ihnen schaden, lösen Lernprozesse aus, die die
Beziehungen zwischen Schülern und Schule/Lehrer erheblich stören können.
- Soll eine Hausaufgabe der Verbesserung von
Fähigkeiten oder Fertigkeiten dienen, so darf sie ein bestimmtes, vorzeigbares Produkt
und seine Anfertigung nicht zum Hauptzweck machen.
3.32 Ableitungen aus der
Motivationspsychologie
- Menschen unterscheiden sich durch eine
individuelle Entstehungsgeschichte ihres Motivationsgefüges. Deshalb lassen sich die
Schüler einer Lerngruppe mit herkömmlichen unterrichtlichen Mitteln nicht in gleicher
Weise motivieren".
- Wenn Menschen erleben, dass ihre
Interessen und Bedürfnisse nicht ernst genommen werden, reagieren sie häufig mit
teilweiser oder völliger Abwendung.
- Lernprozesse, die einem Schüler
intellektuell möglich wären, werden oft durch Motivkonflikte blockiert. Bei
erfolgreicher Intervention und/oder Änderung der Lebensumstände sind erstaunliche
Lernschübe möglich.
- Der Lehrer kann bei der Größe der
Lerngruppen lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass er die Motive möglichst
vieler Kinder anspricht.
3.33 Ableitungen aus der
Lernpsychologie
- Für den Lernalltag bedeutsam sind
folgende Fakten:
o Regeln und Gesetzmäßigkeiten werden
besser behalten, wenn sie durch Einsicht
gewonnen worden sind. Außerdem vermitteln Regeln und Gesetzmäßigkeiten
Verhaltenssicherheit, sie vermindern also Angst.
o Wissen, das in einen bestehenden
Zusammenhang eingeordnet werden kann,
ist weniger vom Vergessen bedroht als solches, für das es diesen
Zusammenhang
in den Augen des Schülers nicht gibt.
o Wissen ist dann weniger vom Vergessen
bedroht, wenn es das Ergebnis eigener
Aktivität, eigenen Handelns, eigenen Bemühens ist, also angeeignet wurde.
- Lernprozesse verlaufen desto besser, je
mehr Sinne dabei angesprochen werden.
- Ähnlichkeiten des Lernmaterials
beeinträchtigen die Lernleistungen und führen zu fehlerhaften Lernergebnissen.
- Unterschiede in einem Lernmaterial können
Schüler erst dann lernend bewältigen, wenn ihnen Sicherheit im Umgang mit diesem
Material vermittelt worden ist (Beispiel: Rechtschreibungsübungen).
- Diese beiden Punkte sind vor allem dann zu
berücksichtigen, wenn der Schüler wie bei der Erledigung von Hausaufgaben - allein
arbeitet.
- Hausaufgaben, die Motivlage, Wissens- und
Lebenszusammenhang des Schülers berücksichtigen und an seine geistige Entwicklung
anknüpfen, müssen so offen formuliert sein, dass der Schüler diesen Bezug selbst
herzustellen vermag.
- Zielen Hausaufgaben auf die Verbesserung
einer Fertigkeit oder die sichere Reproduktion von Kenntnissen, so muss der Lehrer den
Schülern eine diesem Ziel entsprechende Zielvorgabe machen.
- Zwei Bedingungen produktiven Übens:
o Produktives Üben bedarf des konkreten,
für den Schüler nachvollziehbaren
und kontrollierbaren Übungsziels.
o Produktives Üben kann nur Inhalte und
Fertigkeiten betreffen, die der Schüler
verstanden" bzw. begriffen" hat.
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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