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"Regeln"
für sinnvolle Hausaufgaben
1.0 Einführung
Das Problemfeld 'Hausaufgaben' wird in
der aktuellen didaktischen Diskussion eher marginal behandelt. So gibt es im wesentlichen
nur die empirische Untersuchung von Jörg PETERSEN u.a. (1990) sowie die
handlungsorientierte Erörterung von Georg E. BECKER und Britta
KOHLER (1992).
Im folgenden werden die Hinweise
und Regeln" dokumentiert, die PETERSEN und Mitautoren aus ihren Erhebungen ableiten
(S. 213 - 219, bearbeitet). Ein Teil der Hinweise bezieht sich eher auf die Arbeit in der
Grundschule, doch verdienen gerade diese auch in den ersten beiden Klassen der
Sekundarstufe I Beachtung.
2.0 Die Regeln"
Sollen Hausaufgaben beibehalten werden,
so müssen die Hausaufgaben effizienter, motivierender und dem Leistungsvermögen der
Schüler angemessener gestaltet werden, als weitgehend üblich.
Die nachfolgend dargestellten Hinweise
sind als Anregungen zu verstehen, die das Problembewußtsein erweitern und
Handlungsmöglichkeiten aufzeigen sollen. Sie sind als Regeln des Handelns zu verstehen,
deren empirische und/oder theoretische Begründungen stets nur partiell sein können.
Regeln - das sind Texte für
regelgeleitetes Handeln - bewähren sich erst in der konkreten Situation. In den einzelnen
Schularten, Fächern, Klassenstufen, ja selbst in verschiedenen Unterrichtssituationen
muß sich der Unterrichtende genau überlegen, ob und in welchem Umfang
er von diesen Regeln Gebrauch machen kann.
Sie lassen sich wie folgt
formulieren:
1. |
Hausaufgaben
sind integrierter Bestandteil des Lernprozesses. Sie müssen bereits in die Planung von
Unterricht einbezogen werden. Ihre Vorbereitung erfordert ganz besondere Sorgfalt, da der
Lehrer nachträglich keine Möglichkeit mehr hat, erläuternd, helfend oder korrigierend
einzugreifen. |
2. |
Die
Hausaufgabenstellung ist als ein didaktisch eigenständiges Unterrichtselement anzusehen.
Sie muß aus dem Unterrichtsgeschehen gleichsam natürlich erwachsen; für
Rückfragen und Erläuterungen muß genügend Zeit zur Verfügung stehen. |
3. |
Die
Schüler sollten Hausaufgaben grundsätzlich notieren. Das Führen eines
Hausaufgabenheftes bietet sich dafür an. |
4. |
Damit
die Schüler zuhause leichter mit den Hausarbeiten beginnen, sollten sie bereits im
Unterricht mit den Hausaufgaben beginnen. Auf diese Weise können nicht nur nachträglich
auftretende Probleme noch geklärt, sondern eventuell bestehende Hemmungen oder die Angst
zu versagen erheblich gemindert werden. |
5. |
Zur
Kontrolle der zeitlichen Belastung empfiehlt es sich, ab und zu Hausaufgaben einmal ganz
im Unterricht anfertigen zu lassen. |
6. |
Der
Lehrer sollte sich Informationen über die Bedingungen häuslichen Arbeitens verschaffen.
Über die zeitliche Belastung hinaus sind Kenntnisse über den Arbeitsplatz, den
Schwierigkeitsgrad, Störfaktoren, häusliche Verpflichtungen und elterliche Mithilfe von
Wichtigkeit. |
7. |
Die
inhaltsbezogene Kontrolle der Hausaufgaben ist aus mehreren Gründen unerläßlich:
- Zur Erhaltung der Motivation ist es
notwendig, den Schüler für seinen häuslichen Fleiß zu belohnen. Dies kann nur durch
individuelle Bekräftigung geschehen, bei der der Lehrer - über die Vollständigkeit,
Richtigkeit und Sauberkeit hinaus - auf neu entstandene Probleme, gemachte Beobachtungen
und gewonnene Erfahrungen eingeht.
- Fehlleistungen, wie sie in allen
Lernprozessen auftauchen, können durch rechtzeitige Korrektur beseitigt werden.
- Der Lehrer erhält bei einem nicht
geringen Teil von Schülern einen weitgehend unverfälschten Einblick in die
Leistungsfähigkeit. Im Hinblick auf die Erziehung zur Selbständigkeit sollte mit
zunehmendem Alter die anfängliche Fremdkontrolle durch den Lehrer immer mehr durch Formen
der Eigenkontrolle ersetzt werden.
|
8. |
Die
in der derzeitigen Hausaufgabenpraxis dominierenden Übungs- und Anwendungsaufgaben
sollten in ihrem Umfang erheblich reduziert werden. Aufgaben mit reproduktivem Charakter
sind nur dann vertretbar, wenn sie für den Schüler einsichtig und lernpsychologisch gut
aufbereitet gestellt werden. Als Konsequenz dieser Forderung sind im Unterricht vermehrt
abwechslungsreich gestaltete Wiederholungs- und Übungsphasen einzuplanen. |
9. |
Der
Umfang produktiver Hausaufgaben, wie beispielsweise Aufgaben zur Vorbereitung eines
Unterrichtsgegenstandes, sollte dafür erheblich ausgeweitet werden. Sie haben einen
begründeten didaktischen Ort und Wert und bieten dem Schüler eine Gelegenheit, den
Unterricht mitzuplanen und mitzuorganisieren. Neben positiven Einflüssen auf die
Lernmotivation hat ein solcher Ansatz weitreichende didaktische Konsequenzen:
- Differenzierungsmaßnahmen bieten sich in
großem Umfang an.
- Der Lehrer kann methodische
Verfahrensweisen vermitteln, damit Schüler auch die ihnen zufallende Lehrfunktion
ausfüllen können.
- Schülerdiskussionen sind die Folge, um
unverstandene Sachverhalte zu klären
- Die Bereitstellung von geeignetem
Informationsmaterial für die selbständige Erarbeitung des Stoffes ist dann eine der
Hauptaufgaben des Lehrers.
- Es entsteht ein neues, für den Schüler
weit weniger belastendes Arbeitsklima, das es dem Lehrer erlaubt, ein Stück weit aus
seiner dominierenden Position herauszukommen.
|
10. |
Erhaltung
und Förderung der Lernmotivation ist eine zentrale Forderung. Um dieses Ziel zu
erreichen, ist es notwendig, mehrere Variablen zu beachten:
- Hausaufgaben sind so zu stellen, daß sie
den individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Schülers im allgemeinen Rechnung
tragen, d.h. sie dürfen ihn weder stark über- noch stark unterfordern.
- Durch abwechslungsreiche Gestaltung der
Aufgaben sollte die Neugier der Schüler geweckt werden. Dazu bieten unterschiedliche
Bearbeitungsformen an:
o Besichtigen, Beobachten, Erkunden und
Befragen;
o Sammeln, Sichten, Analysieren, Zusammenstellen und Systematisieren;
o Planen, Entwerfen und Vorbereiten;
o Experimentieren, Erfinden, Anfertigen und Ausgestalten;
o Referieren, Auswerten, Anwenden und Verarbeiten.
- Hausaufgaben müssen den Schülern
transparent gemacht werden. Für sie muß erkennbar sein, daß ihre Tätigkeit notwendig
und sinnvoll ist. Um die Lernmotivation zu erhalten, sollte man deshalb darauf verzichten,
Hausaufgaben als Druck- oder Disziplinierungsmittel zu verwenden.
|
11. |
Erzieherische
Ziele wie Selbsttätigkeit und Selbständigkeit, Genauigkeit im Arbeiten usw. sind am
besten durch möglichst individuell abgestimmte Hausaufgaben zu erreichen. Als
Differenzierungsmöglichkeiten bieten sich an:
- Differenzierung nach Umfang und Lerntempo.
Es ist zum Beispiel möglich, Minimal- und Maximalaufgaben zu stellen.
- Differenzierung nach dem
Schwierigkeitsgrad und damit nach dem Leistungsstand des Schülers.
In beiden Fällen ist es möglich, dem
Schüler zusätzlich einen gewissen Entscheidungsspielraum einzuräumen, wonach er aus
einem Aufgabenangebot sich selbst die Aufgaben heraussuchen kann, die er bewältigen
möchte.
- Differenzierung nach Neigung oder
Interesse. Dadurch bekommt insbesondere der schwache Schüler die Chance, für eine
selbständige Leistung auch einmal eine angemessene Belohnung zu erhalten;
- Differenzierung nach dem Grad von Lehr-
und Lernhilfen;
- Differenzierung nach dem
Schwierigkeitsgrad und damit nach dem Leistungsstand des Schülers.
|
12. |
Die
Fähigkeit zur selbständigen und sachangemessenen Arbeitsweise kann nur erworben werden,
wenn der Schüler zuvor in zweckmäßig Lern- und Arbeitsmethoden eingewiesen wurde. |
13. |
Ähnlich
der Auflockerung des lehrerdominanten Unterrichts durch Partner- und Gruppenarbeit kann
auch bei Hausaufgaben ab und zu an die Stelle individueller Einzelarbeit ein gemeinsam zu
bewältigendes Problem treten. Das hat den Vorteil, daß den Hausaufgaben der
Konkurrenzcharakter genommen und Ziele der Zusammenarbeit erreicht werden. Bei einer
solchen Kooperation muß aber durch die Aufgabenstellung gewährleistet sein, daß es zu
keiner unangebrachten Arbeitsteilung kommt. |
14. |
Statt
der überwiegend vorschreibenden sollten mehr offene Hausaufgaben erteilt worden.
Beispiele für längerfristige und offene Arbeiten sind die Anfertigung
eines Referates, einer Chronik oder das Protokollieren von Beobachtungen aus
Langzeitversuchen der Naturwissenschaften. Eine gezielte Einführung wie eine ständige
Betreuung und individuelle Beratung durch den Lehrer sind dabei besonders wichtig. |
15. |
In
Konferenzen sind praktikable Verfahren zu entwickeln, die es ermöglichen, sich unter den
Kollegen gegenseitig über die Menge der Hausaufgaben abzustimmen. |
16. |
Hausaufgaben
sollen nur dann gestellt werden, wenn sie ohne fremde Hilfe ausgeführt werden können und
sinnvoll, notwendig und effektiv sind. |
17. |
Weil
Hilfeleistungen der Eltern ungleiche Leistungsbedingungen schaffen, sollten Hausaufgaben
nicht benotet werden. Davon unberührt bleiben Situationen, in denen der begründete
Verdacht besteht, daß der Schüler die Leistung verweigert. |
18. |
Die
Hausaufgabensituation kann verbessert werden, wenn die Lehrer mit den Eltern bewußt
zusammenarbeiten. Nach den Ergebnissen empirischer Untersuchungen sind die Eltern häufig
über zweckmäßige Arbeitsbedingungen, angemessene Arbeitplätze, günstige Arbeitszeiten
im Tagesverlauf, günstige Lern- und Arbeitstechniken sowie die Art und das Ausmaß
elterlicher Mithilfe nicht immer hinreichend informiert. |
3.0 Literaturgrundlage
Aktuelle Empfehlungen
finden Sie bei
- Karin HEYMANN
Sinnvoll üben
Schülern Übemethoden für die Arbeit zu Hause vermitteln
in:
Gerold BECKER - Andreas FEINDT - u.a. (Hrsg.)
Guter Unterricht
Maßstäbe und Merkmale - Wege und Werkzeuge
Friedrich Jahresheft XXV 2007, S. 36 - 37
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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