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Hausaufgaben
Aufriss der Problematik
1.0 Das Problemfeld
Das Thema 'Hausaufgaben' ist oft
erörtert worden. Eine eindrucksvolle Übersicht, die auch die ältere Literatur
einbezieht, findet sich bei Erich E. GEISSLER und Heinz SCHNEIDER.
Da es in besonderem Maße mit allen Polen des Spannungsfeldes Schule - Schüler - Eltern -
Öffentlichkeit verknüpft ist, wird es immer wieder kontrovers und nicht selten sehr
emotional, ja radikal behandelt. Ein Beispiel dafür ist ein Aufsatz im SPIEGEL; dort
werden Hausaufgaben als Hausfriedensbruch bezeichnet.
Mustert man die Literatur genauer, so
zeigt sich, dass eine empirische Grundlegung, die gesicherte Aussagen und Ableitungen
zuließe, lange Zeit nicht vorhanden war. Die Münsteraner Dissertation 1982 von Thomas
HARDT ist dem Verfasser nicht zugänglich. Die eher systematischen Zusammenstellungen von
GEISSLER und SCHNEIDER bringen hierzu kaum etwas. So wird immer wieder auf die
Untersuchungen von Bernhard WITTMANN, 1964, 2. Auflage 1970, Bezug genommen.
Ende der siebziger Jahre hat Dietrich von
DERSCHAU den Stand der Forschung aufgearbeitet. Da diese Arbeit weniger als andere
verteidigend oder angreifend, sondern eher empirisch orientiert ist und berichtet; liegt
sie dem folgenden Problemaufriss im Wesentlichen zugrunde. Aus neuerer Zeit (1990) stammen
die Untersuchungen von Jörg PETERSEN u.a.; sie werden gesondert dokumentiert.
2.0 Thesen zur Problematik von
Hausaufgaben
Folgende Aussagen lassen sich festhalten.
2.1 Zur methodischen Gestaltung
von Hausaufgaben
- HA sind oft nur eine Fortsetzung des
Unterrichts, nur selten seine sinnvolle Ergänzung.
- Einfallslose und mechanische HA werden
häufiger gestellt als abwechslungsreiche und produktive.
- HA werden meist zur nächsten
Unterrichtsstunde erteilt und müssen vorwiegend schriftlich erledigt werden.
- HA haben oft den Charakter von
Verlegensheitsaufgaben, weil sie mit der jeweiligen Arbeitsphase nicht hinreichend
verzahnt sind.
- HA müssen meist in Einzelarbeit gelöst
werden, tragen jedoch den individuellen Voraussetzungen des einzelnen Schüler fast nie
Rechnung.
- HA werden oft in einer Form gestellt, die
den gesicherten Erkenntnissen der Lern- und Motivationspsychologie nicht entspricht. Sie
werden hinsichtlich Ziel und Verfahren nicht ausreichend erläutert, Hinweise zur
effektiven Bearbeitung fehlen.
- HA wirken auf Schüler oft als
Disziplinierungsmittel, weil sie im Zusammenhang mit Unaufmerksamkeiten, Störungen,
Lernschwächen, Arbeitsrückständen etc. erteilt werden.
- Das Ergebnis häuslicher Arbeit wird meist
nicht hinreichend gewürdigt - wenn überhaupt, dann vorwiegend unter formalen, nicht
inhaltlichen Gesichtspunkten. Individuelle Würdigung ist selten. Die Ergebnisse der HA
werden nur selten in den weiteren Unterricht einbezogen.
- Die HA der einzelnen Fachlehrer werden
hinsichtlich ihres Umfanges fast nie aufeinander abgestimmt.
- Die Problematik der HA wird weder von den
Lehrern untereinander noch im Gespräch mit Eltern und Schülern hinreichend erörtert.
2.2 Zur Durchführung der
Hausaufgaben
- Nur wenige Eltern scheinen bei der
Erledigung der HA in keinerlei Weise beteiligt zu sein. Der Umfang der elterlichen
Mitwirkung scheint von Schulart und Klassenstufe abhängig.
- Ein Teil der Eltern beschränkt sich auf
Überwachung und Kontrolle der HA; viele Eltern helfen jedoch bei der Bearbeitung und
Lösung. Umfang und Art der elterlichen Hilfe scheint abhängig von sozialem Status und
Bildungsstand der Eltern. Die Wirkung der elterlichen Maßnahmen ist in hohem Maße
abhängig von deren Einbettung in das erzieherische Klima der einzelnen Familie.
- Die Eltern finden sich mit der
Notwendigkeit ihrer Mitarbeit überwiegend ab. Sie sehen die Ursache dafür vorwiegend in
unzureichender Mitarbeit und Aufmerksamkeit ihrer Kinder; auch wenn sie
Unzulänglichkeiten des Unterrichts vermuten, helfen sie, um ihren Kindern
Schwierigkeiten zu ersparen".
- Durchschnittlich arbeiten Schüler zuhause
länger, als Lehrer annehmen, von den Schulbehörden zugelassen ist und als medizinisch
vertretbar gilt. Der Zeitaufwand schwankt von Schüler zu Schüler sehr stark. Hoher
Zeitaufwand garantiert weder entsprechende Lernergebnisse noch positive
Leistungsbewertungen.
- Die Mehrzahl der Schüler fertigt die HA
zu einem physiologisch ungünstigen Zeitpunkt an.
2.3 Zur Einschätzung der
Hausaufgaben durch Schüler, Eltern und Lehrer
- Fast alle Eltern, ein großer Teil der
Lehrer und die Mehrzahl der Schüler halten HA für selbstverständlich und sind von deren
Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit überzeugt.
- Erstaunlich viele Schüler, eher in den
Grundschulen, weniger in den weiterführenden Schulen, fertigen HA überwiegend gern an.
- Der Aufforderungscharakter von HA, mithin
ihre didaktische Qualität, hat großen Einfluss auf die Arbeitsbereitschaft der Schüler.
Dabei werden HA, die der Anwendung von Wissen und Können sowie der Vorbereitung des
folgenden Unterrichts dienen, positiver beurteilt als solche, die zur Festigung,
Erweiterung und Systematisierung von Wissen und Können erteilt werden.
- Zwischen dem Einverständnis mit HA und
der Klage über deren Eintönigkeit u. Ä.. besteht nur scheinbar ein Widerspruch.
Offenbar übernehmen viele Schüler die Einstellungen und Motivierungen ihrer Lehrer und
Eltern, weil deren Lob und Tadel, Anerkennung und Kritik vom Schüler als bedeutsam
empfunden wird.
- Schüler bevorzugen schriftliche HA
gegenüber mündlichen.
- Eltern mit höherem Sozialstatus scheinen
von der Notwendigkeit der HA und vor allem deren erzieherischen Wirkungen besonders
überzeugt zu sein. Sie beklagen eher Unter- als Überforderung ihrer Kinder.
- Eltern vertrauen überwiegend auf die
Kompetenz der Lehrer und finden sich mit Schwierigkeiten in diesem Bereich als gleichsam
naturgegeben ab.
- Eltern sehen die Ursachen für
Schwierigkeiten mit HA vorwiegend als ein Versagen ihres Kindes an.
- Etwa 90 % der Lehrer halten HA für
notwendig oder wenigstens nützlich. Nicht nur die Erreichung stofflicher Ziele, sondern
auch die Steigerung der Leistungsfähigkeit und die Aneignung von Arbeitshaltungen sei
ohne HA nicht möglich.
- Umfang, Gewicht und Auswirkung der durch
HA möglichen Schwierigkeiten werden von Lehrern oft unterschätzt.
- Die Mitarbeit der Eltern bei der
Erledigung von HA scheint den meisten Lehrern selbstverständlich zu sein. Die Auswirkung
sozialer Unterschiede wird dabei im Allgemeinen unterschätzt.
3.0 Literaturgrundlage
-
Dietrich von DERSCHAU
Die Problematik von Hausaufgaben
Zeitschrift für Pädagogik 23 (1977), 159 - 181
-
Georg G. BECKER - Britta KOHLER
Hausaufgaben kritisch sehen und die Praxis sinnvoll gestalten
Handlungsorientierte Didaktik
Weinheim 1995, 3. Auflage
-
Erich E. GEISSLER und Heinz
SCHNEIDER
Hausaufgabe
Darmstadt 1982, Wissenschaftliche Buchgesellschaft,
Erträge der Forschung Band 166, S. 155 -
-
Jörg PETERSEN - Gerd-Bodo REINERT
- Erwin STEPHAN
Betrifft: Hausaufgaben
Ein Überblick über die didaktische Diskussion
für Elternhaus und Schule
Frankfurt am Main und Bern 1990
-
DER SPIEGEL
Hausaufgaben sind Hausfriedensbruch"
Nr.12 vom 22. 3. 1982
- Bernhard WITTMANN
Vom Sinn und Unsinn der Hausaufgaben
Neuwied 1964, 2. Auflage 1970
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08
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