Differenzierung Übersicht 1.0 Problemübersicht 1.1 Ausgangslage Das Problem der Differenzierung ist so alt wie der Unterricht in größeren Lernverbänden. Der große Didaktiker Amos COMENIUS (1592 - 1670) hatte seinerzeit diese Unterrichtsform als effektiv und ökonomisch, also nach heutigen Begriffen als modern begrüßt. Doch zugleich besteht seitdem - und erst recht in der Gegenwart - ein zentrales Dilemma:
1.2 Antworten Didaktiker und Praktiker haben in Vergangenheit und Gegenwart die verschiedensten Versuche unternommen, das Dilemma zu bewältigen. Ihre Antworten waren jeweils von unterschiedlichen Grundannahmen, Zielsetzungen und Rahmenbedingungen abhängig. Immer bewegen sie sich zwischen den beiden Polen,
Die Spannweite der organisatorischen und/oder didaktischen Lösungen bewegt sich zwischen den Extremen der einklassigen Dorfschule einerseits und großdimensionierten Schulzentren andererseits. Begrifflich zu unterscheiden sind danach
1.3 Schulorganisatorische Lösungen Die folgende Darstellung ist lediglich eine Situationsbeschreibung; sie enthält sich jeder Erörterung und Wertung. In der Gegenwart bestehen als Ausprägungen des Versuchs, Homogenität herzustellen, die Schularten des gegliederten Schulsystems, also im Wesentlichen
Den anderen Pol vertreten
Die Verknüpfung von Elementen beider Differenzierungsformen ist vor allem in der Gesamtschule und in der - nicht einer bestimmten Schulart zugeordneten - Förderstufe versucht worden. 1.4 Tendenzen und Trends Die Bildungshoheit der Bundesländer hat - zumal nach dem Beitritt der neuen Bundesländer - zu vielfältigen schulorganisatorischen Ausgestaltungen der Grundproblematik geführt. Diese wird durch den in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt bestehenden Gegensatz zwischen eher konservativen und eher modernen Positionen überlagert und teilweise noch verschärft, wobei Fakten einerseits und Überzeugungen andererseits oft nicht streng genug unterschieden werden. Einerseits wird auf dem gegliederten Schulsystem beharrt, das gilt vor allem für das Gymnasium; es hat sich als attraktivster Schultyp behauptet. Anderseits gibt es starke Tendenzen, auf
jedwede äußere Differenzierung zu verzichten und auch die Kinder in die Normalschule zu
integrieren, die bislang wegen - körperlicher oder/und geistiger Behinderungen in
speziellen Schulen gefördert wurden. Die Ergebnisse der PISA-Studie haben u.a. in der öffentlichen Diskussion grundsätzliche Kritik am gegliederten Schulwesen ausgelöst und den Standpunkt angeregt, der Heterogenität der Schülerschaft den Vorzug zu geben und das Schulwesen entsprechend zu organisieren. 1.5 Die Situation des Gymnasiums Ob im Gymnasium früher die Homogenität
der Lernvoraussetzungen geherrscht hat, wie in
2.0 Faktoren und Begründungen von Binnendifferenzierung 2.1 Zwei Grundirrtümer - eine realistische Position Nicht nur die Behauptung, es ließen sich, wenn man nur wolle, homogene Lerngruppen bilden, ist ein Grundirrtum, sondern auch die Vorstellung, im Rahmen der öffentlichen Schule könne der Unterricht gleichsam als Privatunterricht für Einzelkinder gestaltet werden. Das ist weder möglich noch erforderlich; darum ist eine solche Vorstellung eine unrealistische Orientierung für didaktisches und erzieherisches Handeln. 2.2 Faktoren, die für Binnendifferenzierung sprechen Zunächst eine Übersicht der Bereiche, die Binnendifferenzierung erforderlich machen oder aber auf deren Verwirklichung Einfluss haben:
An erster Stelle sind die Lernvoraussetzungen der Schüler zu nennen. Hier gibt es zahlreiche Unterschiede; sie lassen sich im Anschluss an Wolfgang W. TESCHNER (1971, 25) i.W. wie folgt typisieren: Dimension der Eignung
Dimension der Leistung
Dimension der Einstellung
Die schultypenspezifische Aufgabe des Gymnasiums ist die Studierfähigkeit. Dennoch - oder besser gesagt, gerade deswegen - orientieren sich auch hier Unterricht und Erziehung an Zielen, die über den Erwerb lediglich kognitiver Fähigkeiten hinausgehen. Zielsetzung ist also (im Anschluss an Wolfgang KLAFKI, 1976, S. 503) nicht allein
sondern darüber hinaus
2.3 Gleichbehandlungsgebot und Binnendifferenzierung Vor allem im Gymnasium gibt es jedoch für binnendifferenzierende Maßnahmen eine Grenze:
Mithin scheint grundlegendes Verfassungsrecht der Differenzierung und Individualisierung im Unterricht entgegenzustehen. Dieses Dilemma lässt sich jedoch auflösen. Dazu muss unterschieden werden zwischen
Je besser jedem einzelnen Schüler Lernen und Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglicht wird, desto legitimer ist es, von allen Schülern in gleicher Weise zu verlangen, dass sie die für einen Lernabschnitt bzw. für einen Schulabschluss erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten nachweisen. Binnendifferenzierung in Unterricht und Erziehung entschärft also die dem Gleichbehandlungsgebot innewohnende Gefahr schematischen Vorgehens, indem sie die Lernchancen des einzelnen Schülers verbessert. Den Erfolg freilich kann sie nicht garantieren. 2.4 Zusammenfassung Im Gymnasium ist es ebenso wie in anderen
Schularten notwendig, im Unterricht Verfahren der Binnendifferenzierung einzusetzen. [ Zurück zur
Übersicht ] Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08 |