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Bildung

Formen der Thematisierung und Bedeutung

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Differenzen des Bildungsbegriffs
      2.1 Ausgangslage
      2.2 Zwischenergebnis

      2.3 Vier Verwendungsweisen des Bildungsbegriffes
      2.4 Was man von Bildung wissen kann
3.0 Literaturnachweis

1.0 Das Problemfeld

Heinz-Elmar TENORTH konstatiert in einem Vortrag, den er im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung gehalten hatte (als Aufsatz 1997 gedruckt), der Bildungsbegriff habe sich in erstaunlicher Weise stabilisiert. Er sei darüber diffus geworden, versammle Unvereinbares und sei manchmal nur dunkles Geraune" oder lediglich politisch ambitioniertes kritisches Räsonnement".
     Im Gegensatz dazu gebe es Denkschulen, die sich selbstgewiss und selbstgenügsam gegeneinander abschotteten. Der unbefangene Beobachter müsse wegen des geradezu "inflationären" Gebrauchs des Begriffes den Eindruck gewinnen, Bildung" sei nur noch eine leere, allein provinziell tradierte Worthülse".
     Wegen der zentralen Bedeutung von Bildung hält es TENORTH für geboten, die Verwendungs- und Thematisierungsweisen des Bildungsbegriffes näher zu untersuchen. Seine Ergebnisse werden hier zusammengefasst und vorgestellt.

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2.0 Differenzen des Bildungsbegriffs

TENORTH trägt die folgenden Überlegungen vor. Das Referat verwendet zur Vereinfachung des Satzbaus die direkte Rede.

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2.1 Ausgangslage

Der Bildungsbegriff wird nicht nur in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht, sondern auch mit unterschiedlichem Geltungsanspruch der Sichtweisen. Er ist also nicht nur heterogen, sondern sogar heteronom. Das macht den Diskurs über Bildung schwierig und konflikthaft. Insbesondere ist es ein Unterschied, ob der Begriff als Grundlagenkategorie der Forschung verwendet oder ob kritisch und philosophisch von Bildung gesprochen wird.
     Der Bildungsbegriff wird überwiegend alltagssprachlich und untheoretisch verwendet vor allem bei Diskussionen um öffentlichen und politischen Raum. Er wird dabei nicht selten zum Widerspruch ausschließenden Argument an sich, doch bleibt meist unausgesprochen, was tatsächlich gemeint ist. Deswegen ist es erforderlich, ihn zu präzisieren und zu operationalisieren.
     Die Begriffs- wie die Sozialgeschichte des Bildungsbegriffs ist gut erforscht (Literaturangaben a.O. S. 973 f.).
Bildung" kann als ein spezifisch deutsches Deutungsmuster" gesehen werden, das geradezu ein semantisches Gefängnis" darstelle. Nicht nur die Selbststilisierungen des Bürgertums, sondern auch pädagogische Geschichtslegenden - seien sie kritisch, seien sie affirmativ - sind zuverlässig problematisiert worden. Die Sozialgeschichte der Bildung zeigt die Moderne in der raffiniertesten Ambivalenz, jenseits von Verfallsprognosen und Fortschrittsjubel (a.O. S. 974)."

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2.2 Zwischenergebnis

Bildung" ist weder ein rein erziehungswissenschaftlicher noch ein pädagogischer Begriff, sondern wird in zahllosen Disziplinen benutzt. Erst dadurch hat er seine Klärungen gefunden.
    
Bildung" ist eine interdisziplinäre Grundlagenkategorie, die zu Forschungen herausfordert. In ihnen findet sich der ganze Kosmos der Wissenschaften und ihrer Arbeitsweisen wieder. Dabei fungiert der Bildungsbegriff immer als Problemkategorie. Alle Anstrengungen werden in dieser Frage gebündelt: Wie ist Bildung möglich?"
     Der Bildungsbegriff dient demnach weniger der Klassifikation und begrifflich-normativen Konstruktion, sondern fordert vielmehr Analyse.
     Das Thema von
Bildung" ist seit Wilhelm von HUMBOLDT und bleibt bis heute die Beziehung zwischen Mensch und Welt. Die Form der Thematisierung nimmt die Gesamtheit der damit gegebenen Forschungsmöglichkeiten auf - nicht nur historisch und empirisch, sondern auch philosophisch, begriffskritisch und geltungstheoretisch.

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2.3 Vier Verwendungsweisen des Bildungsbegriffes

Problematisch und kontrovers wird der Bildungsbegriff erst dann, wenn er mit dem Anspruch auf Geltung verwendet wird. Vier Verwendungsweisen lassen sich unterscheiden.

  • Klassikerpflege und -auslegung:

  • Bei der Suche nach dem wahren Begriff von Bildung beruft man sich immer wieder auf Klassiker wie Wilhelm von HUMBOLDT, Georg Wilhelm Friedrich HEGEL oder Karl MARX. Schon das Verständnis ihrer Texte ist schwierig, erst recht ihre Auslegung. So bleibt es beim internen Streit der jeweils Eingeweihten. Das Bemühen um gültige Auslegung und damit die Suche nach dem wahren Begriff der Bildung bleiben vergeblich. Verständigung der verschiedenen Denkschulen scheint ausgeschlossen.

  • Bildung als Begriff geschichtsphilosophischer, weltanschaulicher und utopischer Ansätze oder die Flucht in privilegiertes Wissen:

  • Zahlreiche bildungstheoretische Texte erheben einen Anspruch, der argumentativ nicht gesichert werden kann, sondern aus - oft ideologischen - Überzeugungen folgt. Das führt zur Bildung verfeindeter Lager und fordert im Übrigen alle Einwände heraus, die gegen Geschichtsphilosophie, Weltanschauung und Utopie vorgetragen werden.

  • Bildungsbegriff als Platzhalter für das Unsagbare oder der argumentative Widerspruch in der Rede von Bildung:

  • Hier wird der Bildungsbegriff zum Inbegriff für "das Ganze der Pädagogik" und erhebt geradezu einen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Dieser Einwand gilt nicht nur für geisteswissenschaftlich orientierte, sondern besonders auch für "kritische" Theorieansätze. Hier wird über Bildung gesprochen, als artikuliere sich die Vernunft selbst. Damit wird die Grenze dessen überschritten, was die Argumentationsformen strikter Theoriebildung leisten können.

  • Bildung als Grundbegriff der Erziehungswissenschaft:

  • Ohne den oben kritisierten umfassenden Anspruch werden von Dietrich BENNER in seiner Allgemeinen Pädagogik" eine Theorie der Bildung, eine Theorie der Erziehung und eine Theorie der Institutionen miteinander verknüpft. Ähnliche Ansätze finden sich auch bei anderen Autoren, wenn Bildung als Leitkategorie" (a.O. S. 979, Anm. 7) bezeichnet wird.

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2.4 Was man von Bildung wissen kann

Die Erziehungswissenschaft kann einen durch Forschung präzisierten und geklärten Begriff von Bildung als Grundlagenbegriff ihrer eigenen Arbeit ausweisen und so systematisch den Zusammenhang zwischen Bildungsforschung und Bildungstheorie herstellen. Probleme gibt es mit dem Bildungsbegriff erst dann, wenn Bildungstheoretiker mehr als dies wollen:

  • nicht Wissen strukturieren, sondern Welt auslegen,

  • nicht Fragestellungen klären, 

  • sondern Normen setzen und autonome Kritik begründen.

Also gibt es eine Differenz der Sprechweise über Bildung, die auf nicht zu beseitigenden Unterschieden beruht.
     Gerade deswegen sollten sich die Bildungsforscher und die Bildungstheoretiker der Grenzen ihrer jeweiligen Sichtweisen bewusst sein und sie zu überwinden suchen. Wünschenswert sind vor allem Arbeiten, die sich empirisch mit einer zentral bedeutsamen paradoxen Struktur befassen:

wie eine Symbiose
von funktionalen Erfordernissen und individuellen Lebensentwürfen
geleistet werden kann.

3.0 Literaturnachweis

  • Heinz-Elmar TENORTH
    Bildung" - Thematisierungsformen und Bedeutung in der Erziehungswissenschaft
    Zeitschrift für Pädagogik 43 (1997) H. 6, S. 969 - 984

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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