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Ursacheninterpretation von Zensuren

Übersicht
1.0 Leistungen haben Ursachen
2.0 Interpretationsmuster für schulische Leistungen
      2.1 Interpretationsmuster und Bezugssystem der Leistungsbeurteilung
3.0 Folgerungen

1.0 Leistungen haben Ursachen

Leistungen entstehen nicht von selbst, sondern haben Ursachen. Das den Menschen eigene Sinnbedürfnis lässt sie Ereignisse als das Ergebnis bestimmter Ursachen empfinden. Dabei wird die Art der jeweils angenommenen Ursachen oft nicht aus der Realität abgeleitet, sondern folgt meist aus subjektiven Annahmen. In der neueren Fachliteratur wird für diesen Zusammenhang der Ausdruck Kausalattribuierung verwendet.

Dieses Interpretationsmuster gilt auch für schulische Leistungen, insbesondere in Form ihrer Bewertung durch Zensuren, und zwar in gleicher Weise für die Interpretation eigener und fremder Leistungen. Die jeweils angenommenen Ursachen variieren von Person zu Person und sind situationsabhängig.

So müssen einerseits zwei verschiedene fachspezifische Leistungen ein und desselben Schülers keineswegs mit derselben Ursache erklärt werden; andererseits können gleiche Leistungen verschiedener Schüler sowohl auf die gleiche als auch auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden.

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2.0 Interpretationsmuster für schulische Leistungen

Für die Interpretation schulischer Leistungen werden sowohl vom urteilenden Lehrer als auch vom Schüler, der seine Leistung als Erfolg oder Misserfolg erlebt, zwei Ursachengruppen angenommen, und zwar

  • in der Person liegende Ursachen:
    Fähigkeit oder Begabung, Anstrengung;
  • in dem Umständen liegende Ursachen:
    Zufall oder Glück, Schwierigkeit der Aufgabe.

Generell neigen Schüler dazu, Erfolge auf die eigene Befähigung und/oder Anstrengung zurückzuführen, Misserfolge jedoch auf äußere Ursachen wie Zufall oder Schwierigkeit der Aufgabe. Im Einzelnen ergibt sich jedoch ein wichtiger Unterschied. Die folgenden Erklärungen sind vereinfachende Idealtypen und sollen lediglich die Strukturen herausarbeiten.

  • Erfolgsorientierte und eher leistungsstarke Schüler
    erklären Erfolge vorwiegend aus ihrer Befähigung und angemessenen Anstrengung, Misserfolge aus unzureichender Anstrengung und/oder unglücklichem Zufall.
  • Misserfolgsängstliche und eher schwache Schüler
    sehen die Ursachen von Misserfolgen auch bei hoher Anstrengung eher in mangelnder Befähigung und in der Schwierigkeit der Aufgabe, die Ursachen von Erfolgen im Zufall.

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2.1 Interpretationsmuster und Bezugssystem der Leistungsbeurteilung

Wie auf der Webseite „Die Bezugsnormen der Leistungsbeurteilung" im Einzelnen dargestellt, gilt Folgendes:

Schülerorientierten erfolgreichen Unterricht vorausgesetzt, ist bei Anwendung der Sachnorm die Zahl guter und sehr guter Leistungen höher ist als bei Anwendung der Sozialnorm.

Dieser Zusammenhang ist deswegen besonders bedeutsam, weil er für das Selbstbild und die Leistungsmotivation der Schüler wichtige Wirkungen hat. Dabei treten bei leistungsschwachen andere Effekte auf als bei leistungsstarken.

  • Leistungsstarke Schüler

Leistungsstarke Schüler haben meist in mehreren Fächern über dem Durchschnitt liegende Leistungen. Auch bei schwächeren Einzelleistungen geraten sie kaum unter den Durchschnitt. Werden ihre Leistungen nach der Sozialnorm beurteilt, so erleben sie ihre guten Zensuren als das Ergebnis ihrer Befähigung und Anstrengung, schwächere Leistungen als das Ergebnis zu geringer Anstrengung.

  • Leistungsschwache Schüler

Ganz anders stellt sich bei Anwendung der Sozialnorm die Lage leistungsschwacher Schüler dar. Da ihre Leistungen meist in mehreren Fächern unter dem Durchschnitt liegen, erleben sie sich im Vergleich mit ihren Mitschülern nur selten als erfolgreich.

Das ist dann besonders verhängnisvoll, wenn sie durch intensive Mitarbeit ihr individuelles Lernergebnis verbessern konnten. Da die übrigen Schüler durch wirksamen Unterricht gleichfalls bessere Leistungen erzielt haben, bleibt der Durchschnitt gleich; somit müssen die schwachen Schüler trotz ihres Lernfortschrittes die gleichen ungünstigen Zensuren erhalten wie zuvor. Nur ein überdurchschnittliches Lernergebnis kann sich bei dieser Sachlage in einer besseren Note sichtbar niederschlagen.

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3.0 Folgerungen

Aus diesen Zusammenhängen wird - vereinfacht formuliert - deutlich: Bei Beurteilung nach der Sozialnorm werden gute Schüler in ihrem Selbstbewusstsein bekräftigt, schwache, ohnehin mehr auf Ermutigung angewiesen, erleben sich trotz subjektiver Anstrengungen und in Wirklichkeit geleisteter Lernfortschritte als unfähige Versager. Nur eine am Lernziel orientierte Leistungsbeurteilung kann sie also Vertrauen in ihre Befähigung gewinnen und sie Anstrengungen als lohnend, weil erfolgreich, erleben lassen.

Fördern durch Fordern

Diese Formel spielt in der bildungspolitischen Diskussion eine große Rolle. Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, dass es sehr auf die Bezugsnorm der Leistungsbewertung ankommt, ob Schüler durch Leistungsforderungen wirklich gefördert werden.

Ausgearbeitet nach Peter GAUDE (1989), S. 147 ff.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 10.07.09
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