Wer bekommt
das Opossum?" Diese Webseite ist aus inhaltlichen Gründen sehr lang. Die folgende Übersicht soll Ihnen die Navigation erleichtern. Bei Interesse an Einzelheiten empfiehlt es sich, die Webseite auszudrucken. 1.0 Aufgabenstellung 1.0 Aufgabenstellung Bei der Planung von Unterricht ergeben sich i.d.R. zwei Grundsituationen:
2.0 Das Beispiel Hier wird ein konkretes Planungsbeispiels und dessen Revision vorgestellt. Der Verfasser hofft im Anschluss an die Webseite Didaktische Transformation: Sachanalyse, didaktische Analyse, didaktische Reduktion" zeigen zu können, dass Sach- und didaktische Analyse ein leistungsfähiges Instrumentarium sind und sich die systematische Untersuchung des Unterrichtsgegenstandes lohnt. 2.1 Die Planungssituation Ein Lehramtsanwärter hatte sich die Aufgabe gestellt, im Deutschunterricht einer 7. Klasse anhand eines interessanten, übersichtlichen und nicht langen Textes die Nacherzählung zu üben. Er hatte dazu einem eingeführten Lesebuch (THIEL, Kurze Geschichten zum Nacherzählen. Diesterweg 1980) folgende kurze Geschichte des Autors Frederik HEITMANN entnommen. Wer bekommt das Opossum ?
2.2 Die Begründung der didaktischen Entscheidungen In seinem Stundenentwurf trug der Lehramtanwärter Folgendes vor: Sachanalyse Die kleine Geschichte mit anekdotischem Charakter bietet in der Überschrift dem Leser eine Frage, mit der sogleich, in der Erwartung einer Beantwortung, ein Spannungsbogen zum Ende der Anekdote geschlagen wird. [. . .] [. . .] Die Auslassungen sind eine Inhaltsangabe. Nachdem drei der Männer ihre angeblichen Träume erzählt haben, geschieht das Unerwartete. Bob, der Vierte, bekennt, dass er während des Schlafens seiner Gefährten die Beute verzehrt hat. Unter Gaunern ist er der Obergauner. Die Begründung, die er für sein Handeln angibt, ist die Pointe der Geschichte: Nicht die Träumer, sondern wer handelt, bekommt die Beute. Didaktische Analyse Die Übersichtlichkeit von Handlung und
Bau der Geschichte machen sie, ebenso wie ihr Witz und ihre Anschaulichkeit, zu einem
geeigneten Vorwurf für eine Nacherzählung, die nach zweimaligem Hören geleistet werden
soll. Didaktische Reduktion Es besteht nicht die Absicht, in dieser
Stunden auf den Typus der Anekdote einzugehen. Die Anekdote dient aus den o.a. Gründen
nur als Arbeitsvorlage für die Nacherzählung. 2.3 Der Stundenverlauf Hier sollten Sie einhalten und überlegen, wie die Stunde verlaufen sein könnte. Sie haben richtig vermutet - es kam alles ganz anders als geplant. Keine Rede vom Üben der Nacherzählung - statt dessen eine leidenschaftliche und intensive Aussprache über ethisch-moralische Grundfragen, deren klare Urteile manch einen Erwachsenen beschämt hätten. 3.0 Revision und exemplarische Bearbeitung Die Diskrepanz zwischen Planung und
Verlauf ist im Wesentlichen dadurch begründet, dass der Planende ein Opfer seines
erkenntnisleitenden Interesses geworden ist. Das hat ihn dazu verleitet, die Vielschichtigkeit
des Textes nicht zu ermitteln und deren didaktische Brisanz zu
übersehen. 3.1 Sach(struktur)analyse Hier sind die Strukturmerkmale des Unterrichtsgegenstandes (UG) zu untersuchen. Dabei zeigt sich, dass nicht alle dort aufgeführten Leitfragen bei diesem UG zu plausiblen Antworten führen und/oder bearbeitet werden müssen; zwei der Leitfragen erweisen sich als ergiebig: Die wesentlichen Strukturmerkmale des UG Der UG ist eine Kurzgeschichte von
geradezu anekdotenhafter Knappheit und straffem, in eine Pointe mündendem Aufbau. Sie
trägt Züge einer Parabel, wird anschaulich erzählt und dürfte Schüler mit hoher
Wahrscheinlichkeit ansprechen.
Die Schichten des UG Eine nähere Untersuchung des UG zeigt, dass er mehrere Sinn- und Bedeutungsschichten enthält:
Diese Oberfläche bedarf hier weiter keiner Untersuchung.
Die Erzählung ist nicht frei von
Verstößen gegen die Logik und gedanklichen Brüchen, mindestens jedoch ist sie
nachlässig geschrieben. Im zweiten Absatz heißt es nämlich, "und alle vier ...
schliefen ein. Als sie aufwachten ..." Im letzten Absatz heißt es im Gegensatz dazu,
" ...ich habe ... nicht geschlafen, ich bin wach geblieben."
Damit wird eine weitere untersuchungsbedürftige Schicht sichtbar, und zwar
Aufforderungscharakter und Suggestion der
Aussage sind offenkundig, doch bleibt es in der Schwebe, ob die Nutzanwendung direkt
gemeint ist oder ironisch. So wird die eigentliche pädagogische Dimension erst in einer
Auseinandersetzung mit der Frage erreicht, was die Schüler bei der Behandlung dieser
Geschichte lernen können, lernen sollten und tatsächlich lernen. Im Kern geht es um das
Verhältnis von Gutgläubigkeit und Gerissenheit sowie um die Bewertung dieser beiden
Haltungen. Mit dieser Feststellung geht die Untersuchung der Strukturmerkmale über in die 3.2 Didaktische Analyse Für den Fragenkatalog der didaktischen Analyse gilt gleichfalls, dass keineswegs sämtliche Fragen zu einer Antwort führen müssen. Dennoch sollte ein zur Behandlung vorgesehener UG sich möglichst auf mehreren Frageebenen als sinnvoll erweisen. Hier sind zu untersuchen:
Für eine exemplarische Behandlung
literarischer Aspekte lassen sich sicher Beispiele mit höherem literarischem Rang finden,
als dieser Text besitzt. Außerdem dürfte der Aufforderungscharakter der Aussage eine
formale Betrachtung sehr bald überlagern.
Der UG hat Gegenwartsbedeutung, weil die Schüler entsprechende Konflikte selbst erleben.
Der UG hat Zukunftsbedeutung, weil die
Schüler fähig werden müssen, Interessenkonflikte, zumal solche mit existentieller
Bedeutung, selbständig zu lösen, vor allem jedoch die jeweilige Lösung auch zu
verantworten. Mithin geht es um die Bereitstellung ethisch tragfähiger Modelle und
Lösungsmuster.
Ein denkbarer Gewinn ist hier sicherlich nachrangig, vgl. oben unter "Exemplarische Bedeutung", erster Absatz.
Diese Frage ergänzt die Frage nach der mehr subjektiven Bedeutung des UG für die Schüler durch die mehr objektive Notwendigkeit, den Schülern über die Vermittlung von verantwortlicher Verhaltenssicherheit hinaus (s. o) den Zugang zu Bedeutung und Funktion ethischer Normen zu eröffnen.
Diese Frage ist hier wesentlich leichter zu beantworten als bei stärker wissenschaftlichen Unterrichtsgegenständen. Das natürliche Gerechtigkeitsbedürfnis der Schüler wird sie wahrscheinlich zu der Frage veranlassen, ob sich Bob richtig verhalten hat.
Beim Erfassen des Sachverhaltes könnten
logische Inkonsequenzen der Handlung zu Verständnisschwierigkeiten führen. 3.3 Didaktische Reduktion Die Vielzahl der möglichen Gesichtspunkte macht eine Auswahl erforderlich. Im Mittelpunkt der Stunde muss der im Vorstehenden erörterte Gehalt des UG stehen; er ist herauszuarbeiten. Zu vereinfachende Schwierigkeiten oder einzuschränkende Detailfülle liegen nicht vor. 3.4 Abschließende Bewertung Die unter Nr. 3.1 und Nr. 3.2 vorgetragenen Analysen machen deutlich, dass die Behandlung der Geschichte einerseits reizvoll ist und lohnend sein kann, andererseits eindringende Analyse, genaue Zielvorstellungen, sensibles Einfühlungsvermögen und reaktionssicheres Verhalten im Unterricht voraussetzt. 4.0 Schlussbemerkun Die vorstehenden Ausführungen sind offenkundig dem bildungstheoretischen Wolfgang KLAFKIs verpflichtet. Die Untersuchung des bildenden Wertes, den ein Unterrichtsgegenstand für die Lernenden haben kann, ist keine Frage einer wissenschaftlichen Mode, sondern eine Grundaufgabe jedes didaktischen Urteilens und Entscheidens. Deshalb ist es gleichgültig, welcher didaktischen Denkrichtung ein Unterrichtender zuneigt. Detaillierte Informationen zum Begriff der Bildung und seiner weiteren Entfaltung finden Sie auf der Webseite "Bildung". [
Zurück zur Übersicht ] Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 15.01.08 |