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Lernen an Stationen

Ein Konzept für aktives Lernen

Übersicht
1.0 Das Problemfeld
2.0 Beschreibung des didaktischen Konzepts
3.0 Didaktische Merkmale
4.0 Herkunft und Entwicklung
5.0 Zweckbestimmung
6.0 Eignung von Themen
7.0 Arbeitsaufwand und Zeitbedarf
8.0 Unterrichtserfahrungen
9.0 Reaktionen von Schüler und Lernergebnisse
10.0 Grenzen
11.0 Literaturgrundlage

1.0 Das Problemfeld

Schulischer Unterricht in der uns geläufigen Form ist durch zahlreiche Zielkonflikte und Dilemmata geprägt, die Lehrer, Schüler und - nicht zuletzt - Eltern in gleichem Grade belasten. Sie seien durch einige pointierte Zitate schlaglichtartig vergegenwärtigt.

Nicht der Stoff als solcher ist interessant,
sondern die tätige Auseinandersetzung mit ihm.
(Hans Aebli)

Die Empfehlung, Unterricht interessant zu gestalten, 
versteht Lernen als Zweck, Interesse als Mittel. 
Das Gegenteil ist richtig: 
Lernen soll dazu dienen, dass Interesse aus ihm entstehe.
(Johann Friedrich Herbart)

Nichts ist motivierender als guter Unterricht.
(David P. Ausubel)

Das menschliche Gehirn ist ein Organ zur Abwehr von Information.
(Fazit der Gehirn- und Gedächtnisforschung)

Pädagogik ist die Kunst, jemandem etwas beizubringen, 
das der gar nicht wissen will.
(Wilmersdorfer Schulrat, 1963)

Die Menschen möchten sich selbst als Urheber ihrer Handlungen erleben können.
(Friedemann Schulz von Thun)

Auch erzieherische und didaktische Tätigkeit unterliegt
dem Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen.
(Eduard Spranger)

Man soll nicht über die Dunkelheit klagen, 
sondern lieber ein kleines Licht anzünden.
(Chinesisches Sprichwort)

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
(Erich Kästner)

Das alles ist nicht neu und mag hier genügen. In tradiertem Aufgabenverständnis und achtbarem Verantwortungsbewusstsein, oft auch unter Pensendruck und Zeitnot gestalten viele Lehrer den Unterricht überwiegend als direkte Instruktion - sie wollen den Schülern „etwas beibringen", doch erleben sie dabei vielfältige Widerstände und Misserfolge.

Dennoch besteht kein Anlass zu Resignation, denn die Zitate illustrieren nicht nur Schwierigkeiten, sondern machen auch auf Chancen und Möglichkeiten aufmerksam.

Unterricht kann auch derart gestaltet werden, dass die Schüler in die Situation versetzt werden, sich mit einem Lerngegenstand aktiv auseinanderzusetzen und ihn sich dadurch anzueignen. Der Lehrer ist dann Arrangeur, Regisseur und Begleiter des Lernens.

Eine Möglichkeit solches Lernens ist das Konzept „Lernen an Stationen" (auch „Stationslernen", „Lernstation" oder „Lernzirkel"). Während sonst das Privileg des Handelns auf der Seite des Lehrers liegt und der Schüler die Rolle des Reagierenden übernehmen muss, kann „Lernen an Stationen" dieses Verhältnis umkehren oder zumindest stark verändern.

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2.0 Beschreibung des didaktischen Konzepts

Eine komplexe Thematik wird nach didaktischen Gesichtspunkten in Einzelaspekte aufgeteilt. Den Einzelthemen ordnet der Lehrer Arbeitsmaterial zu und entwickelt dazu eine Aufgabenstellung (Stationen). Es besteht die Möglichkeit, Arbeitsmaterial und Aufgabenstellung nach ihrem Schwierigkeitsgrad zu differenzieren.

Je nach sachlogischer Notwendigkeit oder pädagogischer Absicht gibt der Lehrer an, ob die Stationen in einer bestimmten Reihenfolge durchzuarbeiten sind oder ob die Schüler Wahlfreiheit haben. Die Schüler sollen möglichst zu zweit oder dritt arbeiten, damit sie über das Thema reden können. Einzelarbeiter werden toleriert.

Nach der Erarbeitung leitet der Lehrer die Auswertung und sorgt für Ergebnissicherung.

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3.0 Didaktische Merkmale

Die Schüler betreffend:

  • aktive Auseinandersetzung aller Schüler mit dem Lernstoff
  • Zusammenarbeit als Verständnishilfe
  • informelle sachbezogene Kommunikation
  • eigene Entscheidung hinsichtlich des Lernweges
  • Wahl des persönlichen Arbeitstempos
  • Binnendifferenzierung gemäß der Selbsteinschätzung der Schüler
  • Lernchancen für Hochbegabte und Leistungsschwache im gleichen Unterricht
  • Fragen stellen
  • den Lehrer als Berater nutzen
  • Eigenverantwortlichkeit der Lernenden
  • bewusste Strukturierung des eigenen Lernprozesses

Den Lehrer betreffend:

  • Prüfung der didaktischen Eignung des Themas für das Stationslernen
  • thematische Eingrenzung der Lernstationen
  • Verdeutlichung der didaktischen Struktur der Stationen in Form eines Diagramms
    (z.B. linear oder vernetzt; zentral oder peripher)
  • Entwicklung von Arbeitsmaterial und Aufgabenstellung für die Stationen
  • Berücksichtigung unterschiedlicher Sinne/Medien bei der Gestaltung der Stationen
  • organisatorische Vorbereitung (z.B. Verteilung der Stationen im Raum
    oder Aufgabentheke)
  • einführende Erläuterung des Unterrichtsverfahrens zu Beginn des Unterrichts
  • Beobachtung der Schülertätigkeit, Kenntnisnahme einzelner Ergebnisse
  • Schülerfragen beantworten
  • Ergebnissicherung organisieren
  • Auswertung der Ergebnisse moderieren
  • Vernetzung der Sachverhalte verdeutlichen

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4.0 Herkunft und Entwicklung

Das „Lernen an Stationen" wurde in der Grundschule entwickelt, um unterschiedlich begabte Kinder durch individualisiertes Lernen zu fördern. Roland Bauer hat diese Methode für die Sekundarstufe I weiterentwickelt.

Bisher wurde das „Lernen an Stationen" zu Übungszwecken angewendet, doch eignet sich die Methode auch zur Erarbeitung neuer Themen in allen Fächern der Mittelstufe und der gymnasialen Oberstufe, wie Erfahrungen zeigen, die im 1. Schulpraktischen Seminar Steglitz (S) gemacht worden sind.

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5.0 Zweckbestimmung

Das „Lernen an Stationen" nimmt eine Mittelstellung zwischen der Gruppenarbeit einerseits und der Projektarbeit andererseits ein und kann als ein flexibles methodisches Instrument zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt werden.

Beispiele sind

  • Übung
  • Routinebildung
  • Erwerb von Kompetenz
  • Lernen mit dem Kopf und mit den Sinnen
  • Binnendifferenzierung
  • Perspektivenwechsel
  • Darstellung von Komplexität in Form von Vernetzung
  • vom Phänomen zum Problem
  • Problem und Lösungswege

Das „Lernen an Stationen" eignet sich als großräumige Unterrichtsform speziell für die Zusammenführung unterschiedlicher Sachansätze oder didaktischer Perspektiven, z.B. für

  • Einführung eines literarischen Epochenbegriffs
  • fächerübergreifender Unterricht zum Thema „Zeit"
  • Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Gewalt" im Rahmen eines Studientages für Schüler einer Jahrgangsstufe

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6.0 Eignung von Themen

Wie die vorstehende Aufstellung zeigt, eignen sich gerade komplexe Themen gut für das Lernen an Stationen. Aus einem Thema können unterschiedliche Aspekte ausgegliedert und an jeweils einer Station bearbeitet werden. Die Interdependenz einzelner Aspekte, vor allem die Kennzeichnung sachlogischer Voraussetzung oder der Hinweis auf Haupt- und Nebenaspekte sollten als Grafik dargestellt und den Schülern erläutert werden.

7.0 Arbeitsaufwand und Zeitbedarf

Die Vorbereitung der Lernstationen nimmt viel Zeit in Anspruch, die Unterrichtsdurchführung belastet den Lehrer hingegen wenig. Es wäre sinnvoll, wenn Lehrer das Stationslernen im Team vorbereiteten.

Die Methode „Lernen an Stationen" ist zeitaufwendig. Man braucht eine oder mehrere Blockstunden. Ob man auch mit Einzelstunden zurecht kommt, muss erprobt werden. Vor dem Zeitbedarf sollte man nicht zurückschrecken. Lernen dauert immer länger als Lehren. Das lassen wir im herkömmlichen Unterricht häufig außer Acht.

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8.0 Unterrichtserfahrungen

Unterrichtserfahrungen mit dem „Lernen an Stationen" haben gezeigt, dass die angestrebte intensive Auseinandersetzung der Schüler mit dem Lernstoff tatsächlich erreicht wird. Nach der Arbeit an den Stationen muss der Lehrer dafür sorgen, dass genügend Zeit für die Auswertung der individuellen Arbeitsergebnisse vorhanden ist. Zu knappe Auswertung wurde von Schülern bemängelt.

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9.0 Reaktionen von Schüler und Lernergebnisse

Bei unterschiedlichen Befragungen äußerten sich Schüler positiv über die neue Unterrichtsform. Sie akzeptierten vor allem die „Lockerheit" der Unterrichtsform im Unterschied zu den festen Ritualen konventionellen Unterrichts. Auch dass individuelles, selbstbestimmtes Lernen stattfindet, bei dem man miteinander reden kann, ohne dass der Lehrer regelnd eingreift, wird sehr geschätzt.

Das „Lernen an Stationen" erweist sich als wirksames didaktisches Konzept. Die Lernergebnisse, die die Schüler erzielen, sind qualitativ gut. Sie beruhen auf der Grundlage intensiver individueller Arbeit und klärender informeller Gespräche. Häufiger als im konventionellen Unterricht wird das nicht Verstandene zum Anlass für Auseinandersetzung und Nachfrage. Der Lehrer sieht genau, was seine Schüler können, und er hat wenig Chancen, sich darüber hinwegzutäuschen, was sie nicht können.

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10.0 Grenzen

Das „Lernen an Stationen" wird dann unmöglich, wenn

  • wegen der curricularen Zwänge keine Zeit vorhanden ist,
  • der Klassenraum so eng ist, dass man sich in ihm nicht bewegen kann,
  • bei hoher Klassenfrequenz Schüler mit mangelnder Sozialfähigkeit die Arbeit der anderen verhindern.

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11.0 Literaturgrundlage

  • Klaus Wessels
    Lernen an Stationen
    Ein Konzept für die gymnasiale Oberstufe
    Unveröffentlichtes Seminarpapier
    Berlin-Steglitz 1998
  • Roland Bauer
    Schülergerechtes Arbeiten in der Sekundarstufe I:
    Lernen an Stationen
    Berlin 1997


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Nach dem Konzept Klaus Wessels' ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -       letzte Änderung am: 04.04.18
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