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Tugenderziehung
- Eine Mahnung -
1.0 Einführung
Der Erziehungswissenschaftler Friedrich
KOCH legte 1995 eine Untersuchung vor, die einen plakativen Titel trägt:
Der Kaspar-Hauser-Effekt
Über den Umgang mit Kindern
Das Buch wurde von Kurt BACH
in der Deutschen Lehrerzeitung (16/1995) rezensiert. Die wesentlichen Gedanken dieser
Besprechung werden hier referiert, weil sie im Zusammenhang mit Werte-Erziehung und
Wertevermittlung Beachtung verdienen.
2.0 Probleme der Tugenderziehung
KOCH untersucht die Tugenderziehung der
bürgerlichen Gesellschaft. Am Modell" Kaspar Hausers stellt er sie
systematisch dar und erörtert ihre Bedeutung für die Gegenwart.
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Zunächst beschreibt er
das Fernziel der Pädagogik der Aufklärung. Sie habe die Selbstvollendung des Menschen
durch die Vernunft angestrebt und die Erziehung zur Tugendhaftigkeit, hauptsächlich durch
die Eltern, als den allen Kindern zugänglichen Hauptweg angesehen.
- Als Kardinaltugenden
seien Ordnung, Sauberkeit, Gehorsam, Dankbarkeit, Disziplin, Fleiß, Vertrauen,
Ehrlichkeit, Treue, Bescheidenheit, Keuschheit, sexuelles Wohlverhalten sowie ein
ausgeglichenes heiteres Gemüt in den Moralkodex aufgenommen worden.
Dazu stellt KOCH eine Thesen auf, die er
nicht nur auf eine vergangene historische Epoche bezieht, sondern sie bis heute für
gültig hält. Sie lautet:
Die Verengung der
Erziehungsziele auf den klassischen Moralkodex
und der Versuch, diesen radikal durchzusetzen,
stellt eine Gefährdung
der menschlichen Entwicklung dar."
KOCH sieht negativ
verlaufende Erziehungsprozesse, die auf überholten, dogmatischen Vorstellungen vom Wesen
des Kindes und seiner Rolle in der Gesellschaft beruhten. Deren Folge sei die erzieherisch
bedingte Vereinsamung des Kindes inmitten der Gesellschaft". Er bezeichnet das
als Kaspar Hauser-Effekt" und belegt es an zahlreichen Beispielen. Diese
gewinnt er, indem er exemplarisch die Grundtendenz einiger der zahlreichen Elternratgeber
analysiert.
Die wissenschaftliche Diskussion um die antiautoritäre Erziehung
und die sich als radikal sozialistisch gebende Variante habe zu einer radikalen
Erschütterung der traditionellen Erziehung geführt, die in der Geschichte der
Pädagogik ohne Beispiel ist". Die emanzipatorische Pädagogik habe an die Stelle der
o.g. bürgerlichen Tugenden Empathie, Solidarität, Umweltbewusstsein, kritisches Denken,
Entscheidungstraining, Chancengleichheit, Integrität, Konfliktlösungsfähigkeit,
Befähigung zur Partnerschaft und andere Beziehungsaspekte gesetzt.
In der Erziehungspraxis der Familien und Schulen beherrschen
jedoch nach KOCHs Ansicht die Zielvorstellungen der bürgerlichen Tugenden beherrschen
nach wie vor das Feld,, zumeist allerdings bereits gekoppelt an emanzipatorische
Zielvorgaben, eingebettet in neue Zusammenhänge, dialektisch verstanden als Negation der
Negation.
3.0 KOCHs Mahnung
KOCH formuliert als pädagogisches Fazit,
die Triebe der Kinder zu akzeptieren und nicht zu unterdrücken. Für die Erziehung zu
Tugenden heiße das:
- Niemand erzieht zu Ordnung und
Sauberkeit, der die Kinder in ein eng vorgegebenes System zu pressen versucht;
- niemand erzieht zur Dankbarkeit, der die
spontanen Impulse und Bedürfnisse der Kinder ignoriert;
- niemand erzieht zur Ehrlichkeit, der sie
mit Strafen oder logischen Folgen zu erreichen versucht;
- niemand erzieht zu Gehorsam durch die
Überbetonung der personalen Autorität oder durch scheinbare Sachzwänge;
- niemand erzieht zu Fleiß durch offene
Drangsaliererei oder durch überspannte Erwartungen;
- niemand erzieht zur Bescheidenheit, der
von vornherein die Rechte des Kindes einschränkt;
- niemand erzieht zu sexueller
Verantwortung, der die kognitiven, affektiven und genitalen Interessen der Kinder und
Jugendlichen unterdrückt."
KOCH unterstreicht seine
Auffassungen mit einem Ausspruch des Schweizer Volksschullehrers und Psychoanalytikers Hans
ZULLIGER:
Ohne Liebe
... kann ein Kind kein richtiges Gewissen entwickeln."
Die
zusammenfassende Literaturgrundlage
für das Thema Werte-Erziehung finden sie hier: Literaturgrundlage
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Ausgearbeitet von: Dr. Manfred Rosenbach -
letzte Änderung am: 20.10.08
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