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Schlüsselqualifikationen

III. Anforderungen der Arbeitswelt an die Schule

Übersicht
1.0 Das Aufgabenfeld
2.0 Grundlagen
3.0 Die zentralen Bildungsaufgaben
4.0 Schlüsselqualifikationen
5.0 Aufgaben, Ziele und Begrifflichkeit modernen Lernens
6.0 Idealbild des gut ausgebildeten Absolventen

1.0 Das Aufgabenfeld

Winfried SCHLAFFKE, stellvertretender Direktor und Leiter der Hauptabteilung Bildung und Gesellschaftswissenschaften des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, hat in der Deutschen Lehrerzeitung, Nr. 9/10 vom 6. März 1997, Überlegungen zur der Frage vorgetragen, welche Arbeitsbedingungen Schüler als die Arbeitnehmer von morgen in der Arbeitswelt vorfinden werden.
     Da Schule auch die Aufgabe hat, junge Menschen zu tätiger Bewährung in Gesellschaft und Arbeitswelt zu befähigen, scheint es sinnvoll, die Kerngedanken des Aufsatzes hier vorzustellen. In jedem Fall sollten wir Lehrer die Erwartungen und Anforderungen kennen, denen unsere sich Schüler später gegenübersehen.
     Der Autor weist vor allem darauf hin, dass der Charakter von Arbeit sich wandeln werde, und regt zu Überlegungen an, wie die Schule darauf reagieren könne und solle. Er plädiert aus Sicht der Wirtschaft für ein Bildungsverbundsystem, bestehend aus

  • Fachwissen,

  • kognitiven Schlüsselqualifikationen wie Problemlösungs- und Transferfähigkeit,
    Methodensicherheit sowie Urteils- und Kritikfähigkeit,

  • sozialer und personaler Kompetenz.

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2.0 Grundlagen

Eigenverantwortlichkeit und Handlungsbereitschaft auf der Basis soliden Wissens und Könnens sind Fundamente der Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Daraus folgen

Aufgabe und Konzeption zeitgemäßer Schule

Solide Bildungsfundamente, Persönlichkeit und Gestaltungskraft sind heute stärker gefragt als frühes Spezialwissen und -können.
     Eine zeitgerechte Konzeption von Schule wird durch folgende Elemente bestimmt:

  • breit angelegtes, fundiertes und vernetztes Allgemeinwissen,

  • Wert- und Handlungsorientierung,

  • Entfaltung aller im Menschen angelegten Kräfte und Begabungen beiträgt.

Dazu dienen differenzierte Profile, die den unterschiedlichen Begabungen und Neigungen junger Menschen entgegenkommen, So können mehr Erfolgs- als Misserfolgserlebnisse und Selbstbewusstsein gewinnen. Nur wer Selbstvertrauen und Selbstachtung hat, wer sich selbst zu helfen willens und fähig ist, der kann anderen helfen.

Persönlichkeitsentfaltung

Die Spannungsfelder, in denen sich Menschen bewegen müssen, die sie herausfordern und zugleich begrenzen., sind

  • Freiheit und Bindung,

  • Individualität und Kollektivität,

  • Eigennutz und Gemeinwohl.

Schule und Unterricht müssen die Anpassungsfähigkeit, aber auch die Innovationskraft anbahnen, die den sich entwickelnden Mensch dazu ermutigen und befähigen, sich diesen Aufgaben zu stellen.

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3.0 Die zentralen Bildungsaufgaben

Auf dieser Grundlage lassen sich die folgenden zentralen Bildungsaufgaben nennen:

  • Sicherung des Qualifikationsbedarfs

  • Entwicklung von Kreativität und Innovationskraft

  • Förderung der selbstbewussten Persönlichkeit

  • Bildung ist sowohl dem Einzelnen wie auch der Gesellschaft verpflichtet.
         Sie muss zur Selbstfindung, Selbsterfüllung und Standortfindung beitragen. Sie soll helfen, die Wissens- und Informationsflut zu bewältigen und bei der Fülle widerstreitender Meinungen vom bloßen Vorurteil zu begründetem Urteil zu gelangen.
         Bildung soll den Einzelnen befähigen, seinen Standort in der Gesellschaft zu finden, seine Persönlichkeit zu behaupten, aber auch der Gesellschaft zu dienen.

  • Die Vielfalt des Lebens mit Fort- und Rückschritten entsteht, weil der Mensch kein gleichschaltbares Neutrum ist, sondern ein Wesen voller ungleicher Anlagen, Wünsche, Emotionen, Rationalitäten und Irrationalitäten.
         Das Bildungssystem ist nicht dazu da, für Gleichheit zu sorgen, sondern die Begabungen des einzelnen zu pflegen und bestmöglich zu entfalten. Die so entstehenden Ungleichheiten sorgen für Vielfalt und Fülle, aber auch für Kreativität und Wettbewerbsfähigkeit.

Diese Überlegungen führen zu den folgenden Schlüsselqualifikationen.

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4.0 Schlüsselqualifikationen

Soziales Zusammenleben, aber vor allem auch erfolgreiches leistungsorientiertes Arbeiten sind ohne Werthaltungen nicht denkbar. Ein Verbundsystem aus Wissen und Können, Fertigkeiten und Fähigkeiten, sozialen Kompetenzen und Handlungsorientierungen pflegen wir heute Schlüsselqualifikationen zu nennen. Sie sind besonders wichtig, weil sie als übergreifende überfachliche Qualifikationen nicht schnell veralten. Weil sie so wichtig sind, dürfen niemals rosten die Fähigkeiten

  • zu logischem Denken,

  • zu kooperativem Verhalten,

  • zu Verstehen und Verarbeiten von Informationen,

  • zu Kreativität und Gestaltung.

Kulturtechniken

  • Beherrschung der Rechtschreibung befähigt zu Sprachsicherheit, Sprachverständnis und Kommunikationsfähigkeit

  • Beherrschung der Grund- und gehobenen Rechenarten - von Addition über Bruch-, Prozent- und Exponentialaufgaben zu Algebra und Geometrie - kommt man zum rechnerisch-logischen Denken, zu Planungs- und Organisationsvermögen.

  • Solide Grundlagen in den Fächern können die wichtigen überfachlichen Schlüsselqualifikationen entwickeln und fördern.

Dazu sind erforderlich

  • Wissen durch Lernen und Verstehen,
  • Können durch praktisches Üben,
  • verantwortungsvolles Handeln (wollen) durch Zielbewusstsein und nach Wertmaßstäben.

Personale Kompetenz

  • Belastbarkeit und Durchhaltevermögen,
  • Zuverlässigkeit und Selbstdisziplin,
  • Leistungsbereitschaft und Initiative,
  • Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein.

Soziale Kompetenzen

  • Fleiß, Lern- und Leistungsbereitschaft,
  • Urteils-, Kritik- und Selbstkritikfähigkeit,
  • Selbständigkeit und Verantwortungsbewusstsein,
  • Initiative und Engagement,
  • Flexibilität des Denkens, Problemlösungs-,
    Kommunikations- und Teamfähigkeit;
  • Ehrlichkeit, Ordnung, Zuverlässigkeit,
  • Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Selbstdisziplin;
  • Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit und Höflichkeit.

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5.0 Aufgaben, Ziele und Begrifflichkeit modernen Lernens

Danach lassen sich zusammenfassend folgende Felder modernen Lernen beschreiben

  • Inhaltlich-fachliches Lernen:
    Wissen, Verstehen, Erkennen, Urteilen,
  • methodisch-strategisches Lernen:
    Exzerpieren, Nachschlagen, Strukturieren, Organisieren ... ,
  • sozial-kommunikatives Lernen:
    Zuhören, Kooperieren, Integrieren, Argumentieren,
  • effektives Lernen:
    Selbstvertrauen entwickeln, Spaß an einer Methode oder an einem Thema haben, Identifikation, Engagement entwickeln, Werthaltungen aufbauen,

Sie sollen zu einem motivierenden Gesamtkonzept vereint werden. Möglichkeiten und Methoden dazu sind:

  • offener Unterricht,
  • Projekt-, Wochenplan-, Gruppenarbeit, Planspiele
  • sowie weitere Formen eigenverantwortlichen Lernens.

Schule muss durch geeignete Motivationsanreize vermitteln:

  • Erfolgserlebnisse,
  • Selbstvertrauen,
  • Eigen- und Nächstenliebe.

6.0 Idealbild des gut ausgebildeten Absolventen

Die vorstehenden Überlegungen lassen sich in einem Leistungsprofil aus sieben Punkten zusammenfassen: Das Bild des Schul- und Hochschulabsolventen, der die genannten Fähigkeiten beherrscht, hat Winfried SCHLAFFKE skizziert (Die höhere Schule 2/1993, S. 39),

Der gut ausgebildete Absolvent

  • kann lesen
    Er kann den Sinn von Texten erfassen und ihn korrekt wiedergeben. Er kann Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden. Er kann Informationen in größere Zusammenhänge einordnen, kann sie gewichten und bewerten.
  • kann schreiben
    Er beherrscht seine Muttersprache mündlich und schriftlich und kann sich klar und folgerichtig ausdrücken. Er verwendet vollständige Sätze, die grammatikalisch und orthographisch korrekt niedergeschrieben werden. Er ist in der Lage, auch ein komplexes Thema abzuhandeln, von verschiedenen Seiten zu beleuchten und eigene Urteile zu fällen, die gut begründet sind.
  • kann rechnen
    Er hat ein Verständnis für Zahlen und Größenordnungen, beherrscht - trotz Taschenrechner - Grundrechenarten, Bruchrechnen, Prozentrechnen und Dreisatz. Er kann logische Ordnungen und Beweise nachvollziehen, hat (z. B. bei Textaufgaben) Problemlösungskompetenz und kann sie auch auf verwandte Aufgaben übertragen. Er hat Transferfähigkeit.
  • ist fit in einer Fremdsprache
    Er ist in Wort und Schrift - flüssig und solide - in einer lebenden Fremdsprache zu Hause. Er hat das Wesen der Kultur und der Mentalitäten des anderen Sprachraums erfaßt und kennt geschichtliche und gesellschaftliche Entwicklungen, wirtschaftliche und rechtliche Tatbestände. Natürlich hat er sich auch gute Grundkenntnisse in weiteren klassischen und modernen Sprachen erworben, denn ohne sie könnte er abendländische Kultur nicht verstehen und europäische Identifikation nicht gelingen.
  • kann arbeiten
    Er weiß, was er will, ist selbständig, ziel- und leistungsbewußt. Er schreibt Erfolge und Mißerfolge sich selbst - nicht etwa den anderen - zu.
  • besitzt Sozialkompetenz
    Er ist hilfsbereit, verläßlich und höflich. Er besitzt Urteilsvermögen und Kritikfähigkeit sich selbst und anderen gegenüber. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Selbstdisziplin sind für ihn keine Fossilien aus verstaubten Tugendkatalogen, sondern gelebte Wirklichkeit, denn er hat erkannt, daß Kommunikation und Teamarbeit, kurz: soziales Zusammenleben, nicht ohne verläßliche Ordnungsprinzipien möglich sind. Er besitzt Sozialkompetenz und Schlüsselqualifikationen. Er hat auch die Fähigkeit, mit Menschen anderer Alters-, Bildungsstufen und Weltanschauungen umgehen zu können. Er ist tolerant, offen und ausländerfreundlich, ohne ein »multikulturelles Monster« zu werden.
  • denkt an sich und andere
    Er ist bestrebt, sein Leistungspotential und seine Persönlichkeit zu entfalten und seine Fähigkeiten nach Kräften in Beruf und Gesellschaft einzubringen. Er erwartet dafür Anerkennung, angemessenen Lohn und angemessene Stellung.
         Ihn stört die undifferenziert und undefiniert eingesetzte Formel von der »sozialen Gerechtigkeit«, wenn mit ihr die Honorierung deutlicher Mehrleistungen verhindert werden soll. Ihn stört es auch, wenn erzielte Erfolge nicht seinem Leistungseinsatz und seiner Ideenvielfalt, sondern nur seinen Ellenbogen zugeschrieben werden.
         Er weiß dennoch sehr wohl, seine Kräfte auch in den Dienst der Gesellschaft zu stellen, in der er lebt und die er braucht. Sein Emanzipationsstreben und das Ausleben seiner Persönlichkeit wird niemals a-sozial. Eigennutz und Gemeinwohl sind für ihn keine Gegensätze, sondern selbstverständliche Synthese.

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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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