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Wilhelm von Humboldt

Die maßgebliche Definition des Begriffes »Bildung«

Bildung
bedeutet die Anregung aller Kräfte eines Menschen,
damit diese sich über die Aneignung der Welt
in wechselseitiger Ver- und Beschränkung harmonisch-proportionierlich entfalten
und zu einer sich selbst bestimmenden Individualität oder Persönlichkeit führen,
die in ihrer Idealität und Einzigartigkeit die Menschheit bereichert.“

Mit dieser „Zentralformel“ für den Begriff der Bildung fasst die Brockhaus Enzyklopädie Wilhelm von Humboldts Verständnis von Bildung zusammen (Band 2, 20. Auflage 1997, s.v. »Bildung«). Sie wird seitdem vielfach (nicht selten verkürzt oder abgewandelt) zitiert.

Für den Schulunterricht konkretisiert er diesen Gedanken 1809 in seinem »Bericht der Sektion des Kultus und Unterrichts an den König« wie folgt (Werke Band 4, S. 218):

„Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen,
und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters,
die keinem fehlen darf.

Jeder ist offenbar nur dann guter Handwerker, Kaufmann, Soldat und Geschäftsmann,
wenn er an sich und ohne Hinsicht auf seinen besonderen Beruf
ein guter, anständiger, seinem Stande nach aufgeklärter Mensch und Bürger ist.

Gibt ihm der Schulunterricht, was hierfür erforderlich ist,
so erwirbt er die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher sehr leicht
und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht,
von einem zum anderen überzugehen.“

Diese Zitate sind zwar zeitgebunden, weil Humboldt eine in seinen Augen zentrale Aufgabe der preußischen Staatsreform im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts formuliert. Dennoch können ihre Grundgedanken bis auf den heutigen Tag als zeitlos gültig gelten und sind geradezu maßgeblicher Bezugspunkt sämtlicher Bemühungen, Bildung begrifflich zu erfassen.

Wilhelm von Humboldt hat – anders, als es die Zitate nahe legen – keine systematisch angelegte Bildungstheorie entworfen, sich jedoch Zeit seines Lebens darum bemüht, deren Wesen begrifflich zu erfassen. Zeugnisse seiner Einsichten finden sich in zahlreichen Texten seiner vielschichtigen wissenschaftlichen Arbeit. Sie ausführlich zu dokumentieren, ist im Rahmen dieses Bausteins unmöglich. Hier muss es genügen, zwei zentrale Zitate vorzustellen.

„Der wahre Zweck des Menschen – nicht der, welchen die wechselnde Neigung, sondern welchen die ewig unveränderliche Vernunft ihm vorschreibt – ist die höchste und proportionierlichste Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die erste, und unerlässliche Bedingung.“  
Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen (1792), Werke Band 1, S. 64.

„Im Mittelpunkt aller besonderen Arten der Tätigkeit nämlich steht der Mensch, der ohne alle, auf irgend etwas Einzelnes gerichtete Absicht, nur die Kräfte seiner Natur stärken und erhöhen, seinem Wesen Wert und Dauer verschaffen will. Da jedoch die bloße Kraft einen Gegenstand braucht, an dem sie sich üben, und die bloße Form, der reine Gedanke, einen Stoff, in dem sie, sich darin ausprägend, fortdauern könne, so bedarf der Mensch einer Welt außer sich. (...)

Was also der Mensch notwendig braucht, ist bloß ein Gegenstand, der die Wechselwirkung seiner Empfänglichkeit mit seiner Selbsttätigkeit möglich mache. Allein wenn dieser Gegenstand genügen soll, sein ganzes Wesen in seiner vollen Stärke und seiner Einheit zu beschäftigen, so muss er der Gegenstand schlechthin, die Welt sein, oder doch (denn dies ist allein richtig) als solcher betrachtet werden.“
Theorie der Bildung des Menschen, Werke Band 1, S. 235, 237 f.

Wenn Sie sich eindringend und systematisch mit HUMBOLDTs Überlegungen zur Bildung befassen wollen, greifen Sie zu der Darstellung von 

  • Clemens MENZE

  •  Dietrich BENNER hat die Bedeutung, die HUMBOLDT für die gegenwärtigen Erörterungen zur Bildung haben kann, tiefschürfend untersucht.

  •  Bei Peter BERGLAR finden Sie eine informative Übersicht zu HUMBOLDTs Leben.

Literaturnachweis

  • Wilhelm von Humboldt
    Werke in fünf Bänden
    Hrsg. von Andreas Flitner und Klaus Giel
    Darmstadt/Stuttgart
          1. Schriften zur Anthropologie und Geschichte, 3. Auflage 1980
         2. Schriften zur Altertumskunde und Ästhetik, 4. Auflage 1986
         3. Schriften zur Sprachphilosophie, 8. Auflage 1996
         4. Schriften zur Politik und zum Bildungswesen, 4. Auflage 1993

  • Dietrich Benner
    Wilhelm von Humboldts Bildungstheorie
    Eine problemgeschichtliche Studie
    zum Begründungszusammenhang neuzeitlicher Bildungsreform
    Weinheim und München 1995, 2., korrigierte Auflage

  • Peter BERGLAR
    Wilhelm von Humboldt
    Reinbek 1970

  • Clemens Menze
    Wilhelm von Humboldts Lehre und Bild vom Menschen
    Ratingen 1965

  • ders.
    Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts
    Braunschweig 1975


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 22.05.15
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