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Die Auswertung von Unterricht

- Eine Aufgabe der Ausbildung -

Definitionen

  • Auswertung  
    ist die rückblickende Untersuchung von erteiltem Unterricht -

    Rückbesinnung, Reflexion.

  • Analyse 
    ist das systematisch zu gewinnende Verständnis von Unterricht
    und seinen Strukturen.

Das sind verschiedene Funktionen. Sie sollten darum durch jeweils eigene Begriffe ausdrücklich unterschieden werden. Interessiert Sie der Begründungszusammenhang für diese Setzungen? Dann klicken Sie hier.

Auswertung und Analyse sind dialektisch miteinander verwoben. Die Funktionen beider Begriffe sind Gegenstand der schulpraktischen Ausbildung. Dieser und die folgenden Bausteine dieses thematischen Bereiches behandeln die

rückblickende Untersuchung von erteiltem Unterricht.

Eine Kurzfassung dieses Bausteines, der sich als Leitfaden für die tägliche Arbeit eignet, finden Sie im folgenden Baustein.

Aufgaben der Auswertung

Die Auswertung von Unterricht hat zwei Funktionen, die voneinander unterschieden werden müssen:

1. Diagnose

  • Die tatsächlichen Ergebnisse von Unterricht müssen festgestellt und benannt werden.

  • Die tatsächlichen Ergebnisse von Unterricht müssen mit den beabsichtigten Ergebnissen von Unterricht verglichen werden.

  • Aus den Feststellungen sowie dem Vergleich der tatsächlichen und der beabsichtigten Ergebnisse müssen Folgerungen für die Fortsetzung des Unterrichts gezogen werden.

2. Einsicht

  • Der Unterrichtende muss Einblick in die Zusammenhänge und Wechselwirkungen der den Unterricht bestimmenden Faktoren gewinnen.

  • Der Unterrichtende muss aus dem Einblick in dieses Wirkungsgefüge Folgerungen für sein weiteres Handeln ableiten.

  • Diese Folgerungen tragen dazu bei, geeignete Handlungsformen zu bekräftigen und zu sichern, nicht oder weniger geeignete Handlungsformen zu verändern.

Auswertung als Teil der Ausbildung

Die Fähigkeit zur Auswertung von Unterricht zu entwickeln und zu schulen ist eine zentrale Aufgabe der Ausbildung. Obwohl Anleitung und Anbahnung von didaktischem Wahrnehmungsvermögen zunächst im Vordergrund stehen werden, ist die an didaktischen Kategorien orientierte Auswertung von Unterricht Ziel der Ausbildung.

Auswertung von Unterricht als Aufgabe der Ausbilder umfasst zwei Funktionen:

  • Beratung
    Beratung i. S. der vorstehenden Ausführungen ist die genuine Aufgabe der Ausbilder.
    Sie steht während der gesamten Ausbildungszeit im Vordergrund.

  • Beurteilung
    Aus übergeordneten Rechtspositionen (Bundesrechtsrahmengesetz und Laufbahngesetz) folgt die Notwendigkeit, das Ausbildungsergebnis mit einer Note gemäß 2. LehrerPO zu bewerten. Deshalb müssen die Maßstäbe und Kriterien einer abschließenden Leistungsbeurteilung während des Ausbildung berücksichtigt und schrittweise vermittelt werden. Das geschieht durch klare Benennung der erreichten und ggf. der noch zu erbringenden Leistungen.
         Die Ausbildungsordnung sieht jedoch weder förmliche Lehrproben noch die Benotung der von Ausbildern im Rahmen ihrer Tätigkeit besuchten Unterrichtsstunden vor.

  • Weiterführender Hinweis
    Diese knappen Anmerkungen lösen womöglich mehr Fragen aus, als sie beantworten.
    Deshalb folgender Hinweis.
    Der Leiter des Pädagogischen Seminars 5 im  Studienseminar Lüneburg, Bernd   HAVEMANN, hat sich mit der Problematik von Beratung und Beurteilung im Rahmen der Unterrichtsbesuche systematisch und ausführlich, dabei problembewusst und einfühlsam auseinandergesetzt. Sie finden den Text unter folgender Adresse:
     http://home.t-online.de/home/havemann.bb/ausbi/bergespr.html

Kriterien für die Auswertung von Unterricht

Unterricht hat die Aufgabe, den Lernenden einen angemessenen Lernfortschritt zu gewährleisten; Planung und Durchführung sowie deren Auswertung leisten dazu jeweils ihren Beitrag.

Unterricht vollzieht sich zwischen zwei Polen: Er setzt bei einer Ausgangslage an und ist bestrebt, bestimmte Ergebnisse zu erreichen.

Für Planung, Durchführung und Auswertung ergeben sich daraus folgende Funktionen:

  • Planung ermittelt die durch die Lernenden einerseits und den Unterrichtsgegenstand andererseits gegebene Ausgangslage. Sie formuliert die beabsichtigten Ergebnisse und entwirft die Verfahren, die zur Erreichung der beabsichtigten Ergebnisse geeignet erscheinen.
         o Planung ist somit die gedankliche Vorwegnahme von unterrichtlichem Handeln. 
            Sie dient dazu, die zielbezogene Handlungsfähigkeit des Unterrichtenden 
            zu entwickeln und ihm die Bewältigung von Entscheidungsschwierigkeiten zu erleichtern.
         o Planung ist ein Handlungsentwurf, keine Erfüllungsnorm.

  • Durchführung orientiert sich nicht nur an der Planung, sondern auch an der jeweils gegebenen Unterrichtssituation.

  • Auswertung untersucht Bedingungen und Zusammenhänge für Einsichten, Eindrücke, Erlebnisse und Verhaltensweisen von Lernenden und Lehrendem.

Für die Auswertung und ggf. Beurteilung von Unterricht werden folgende Kategorien empfohlen:

1.   Planung
1. Aussagen zur Ausgangslage Bedeutsamkeit
2. Untersuchung des Unterrichtsgegenstandes
im Hinblick auf
- Sachstruktur
- Sinnhaltigkeit
- Darstellbarkeit
Sachgerechtigkeit
Schlüssigkeit
Eignung
3. Lernziele Begründung
Stufung
Genauigkeit
4. Begründung der Stundenstruktur,
insbesondere im Hinblick auf
- Phasen (Funktionen und Ziele)
- Schwerpunktbildung
- Zeitplanung
- Arbeits- und Gruppierungsformen
- Vorwegnahme von möglichen Schwierigkeiten
Funktionalität
5. Operationsobjekte Eignung
Repräsentativität
2.  Durchführung
1. Initiationen, Impulse Deutlichkeit
Gerichtetheit
2. Instruktionen (Informationen, Anleitungen) Folgerichtigkeit
Verständlichkeit
3. Anregungscharakter Angemessenheit
4. Aktivitäten der Lernenden Ausgewogenheit
5. Lernhilfen Wirksamkeit
6. Hausaufgaben Funktion
Angemessenheit
3.  Auswertung   (sog.  "Analyse")
1. Aussagen zu den erreichten Ergebnissen Genauigkeit
2. Aussagen zum Verlauf Treffsicherheit
Strukturiertheit
3. Aussagen zur Fortsetzung des Unterrichts Orientiertheit

Erläuterungen und Ergänzungen zu diesen Kategorien

1. Planung

  • Aussagen zur Ausgangslage sind bedeutsam, wenn ihre Berücksichtigung nötig ist, um die beabsichtigten Ergebnisse mit dem vorgesehenen Unterrichtsverlauf zu verwirklichen. Zu berücksichtigen sind nicht nur die fixierten, sondern auch fehlende Angaben. Die Aussagen sind genau, wenn sie differenziert und treffsicher sind.
  • Die Strukturmerkmale des Unterrichtsgegenstandes müssen sachgerecht herausgearbeitet werden, so dass sich der beabsichtigte Lernzuwachs benennen lässt.

Die Begründungen, mit denen den Schülern die Beschäftigung mit dem Unterrichtsgegenstand als sinnvoll erschlossen wird, müssen schlüssig sein.

Operationsobjekte, die der Darbietung des Unterrichtsgegenstandes dienen, müssen repräsentativ und geeignet sein.

  • Lernziele können aus drei Bereichen begründet sein, und zwar durch

o Aufträge (Rahmenpläne, Konferenzbeschlüsse),
o die Sachstruktur des Unterrichtsgegenstandes,
o situative Gegebenheiten.

Sie sollten gestuft sein und die Erwartungen eindeutig und genau beschreiben.

  • Die für den Aufbau und Verlauf der Stunde vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Erreichung des Stundenziels geeignet, also funktional sein.

Durchführung

  • Initiationen und Impulse zeigen die Fähigkeit, Lernvorgänge einzuleiten, zu lenken und zu korrigieren. Gerichtetheit meint den Grad der Zielorientierung und -strebigkeit. In der Deutlichkeit erweist sich ihre Verständlichkeit, Verbindlichkeit und Eindeutigkeit.
  • Instruktionen sind der Sache verpflichtet und müssen daher folgerichtig sein. Zugleich sind sie den Lernenden verpflichtet und müssen daher verständlich sein.
  • Anregungscharakter berücksichtigt den situativen Zusammenhang und ergänzt die kognitiven Gesichtspunkte der Instruktion durch personenbezogene, in denen affektive und emotionale Elemente zur Geltung kommen. Der Anregungscharakter muss einerseits der Situation, andererseits der Empfänglichkeit der Schüler entsprechen, mithin angemessen sein.
  • Die Aktivitäten der Lernenden müssen in Umfang, Niveau und Art der Arbeitsform den beabsichtigten Ergebnissen entsprechen und durch Wechsel die Lernbereitschaft aufrechterhalten werden. Deshalb kommt es auf ihre Ausgewogenheit an.
  • Lernhilfen sind verbale, gestisch-mimische und mittelbare (durch Operationsobjekte vermittelte) Einwirkungen des Lehrers; zu den Lernhilfen gehören auch Schüler-Schüler-Interaktionen, die der Lehrer zulässt oder selbst anbahnt. Ihre Qualität erweist sich in ihrer Wirksamkeit.
  • Hausaufgaben müssen in einer sinnvollen Beziehung zum Unterricht stehen. also funktional ein. Nach Schwierigkeit und Umfang müssen sie der Leistungsfähigkeit der Schüler entsprechen, also angemessen sein.

Auswertung

  • Aussagen zu den erreichten Ergebnissen erweisen die Fähigkeit des Unterrichtenden, tatsächliche Ergebnisse von Unterricht wahrzunehmen und genau zu bewerten.
  • Aussagen zum Verlauf erweisen insbesondere die Fähigkeit des Unterrichtenden, wesentliche Zusammenhänge und Wechselwirkungen, Ursachen und Folgen von Verhaltensweisen der Lehrer und Schüler treffsicher zu erfassen und strukturiert zu bewerten. Einerseits sind Entscheidungen und Verhaltensweisen zu benennen, die noch der verändernden Bearbeitung bedürfen, andererseits müssen Maßnahmen, die sich bewährt haben, erfasst und gesichert werden.
  • Da sich die Qualität von Unterricht nicht so sehr in gelungenen Einzelstunden, sondern vor allem in folgerichtigen Sequenzen erweist, sind die erreichten Ergebnisse einer Stunde auch als Ausgangslage für weiteren Unterricht zu betrachten. Mithin erweist sich die Qualität entsprechender Aussagen in ihrer Orientiertheit am weiterführenden Unterricht.

Nachtrag - die Begriffe

Der Begriff Analyse ist von Paul HEIMANN geprägt und in die Allgemeine Didaktik eingeführt worden (Unterricht - Analyse und Planung, 1965). Unter Analyse versteht er das Verständnis der Strukturen von Unterricht. Er hat dazu ein System von differenzierten Begriffen entwickelt.
     Dieses Begriffssystem dient in der Tradition des sog. „Berliner Modells" auch der Planung von Unterricht, weil vernünftiges Planen ein analytisch gewonnenes Verständnis von Unterricht voraussetzt. Natürlich eignet es sich auch zur Reflexion.
     In der Tagesarbeit der schulpraktischen Ausbildung wie auch in der Verordnung über die Zweite Staatsprüfung (2.LehrerPO) wird daher der Begriff Analyse allgemein für die rückblickende Untersuchung von erteiltem Unterricht gebraucht. In der reformpädagogisch orientierten Didaktik nannte man diesen Arbeitsgang Rückbesinnung, Reflexion.
     Der Begriff Auswertung bezeichnet schlicht und sachbezogen die didaktische Aufgabe, den Unterricht zu untersuchen und daraus Schlüsse für die weitere Arbeit abzuleiten. Darum wird er hier - abweichend vom gängigen Sprachgebrauch - verwendet.


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Nach Grundgedanken  Dr. Teja Mackuths ausgearbeitet von  Dr. Manfred Rosenbach -         letzte Änderung am: 15.01.08
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