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 Entdecken-lassendes Lehren

1.0 Zwei Grundansätze des Lernens

'Lernen' ist ein komplexer Vorgang, der vielfältig und unterschiedlich gedeutet wird. Unabhängig davon lassen sich zwei bedeutende Grundansätze schulischen Lernens benennen:

  • bedeutungsvolles rezeptives Lernen,
    das durch verbale Vermittlung angebahnt wird;

  • entdeckendes Lernen,
    das durch aktive Auseinandersetzung mit Problemen angebahnt wird.

Dem entsprechen zwei Lehrverfahren, die im wesentlichen von David P. AUSUBEL und Jerome S. BRUNER entworfen worden sind:

  • darstellendes Lehren,

  • entdecken-lassendes Lehren.

In diesem Baustein wird das entdecken-lassende Lehren vorgestellt. Das darstellende Lehren finden Sie auf der voraufgehenden Webseite.

2.0 Entdecken-lassendes Lehren

2.1 Grundannahmen

Ebenso wie AUSUBEL geht es BRUNER um den Aufbau einer kognitiven Struktur. Sie ist im wesentlichen durch drei Dimensionen gekennzeichnet, und zwar durch

  • Kenntnisse und Einsichten, die wesentlich in eigenen Entdeckungsprozessen gewonnen und erarbeitet worden sind,

  • Fähigkeiten und Techniken, zu entdecken und Probleme zu lösen,

  • eine positive Grundeinstellung zum Lernen durch Entdecken und Problemlösen.

Danach versteht BRUNER Lernen als einen Prozess, nicht als ein Ergebnis. Er sieht folgende Vorteile eines entsprechend angelegten Unterrichts:

  • beim entdeckenden Lernen eignet sich der Lernende Verfahren selbständiger Arbeit und Methodenbewusstsein an,

  • durch entdeckendes Lernen gewonnenes Wissen ist sicherer und schneller verfügbar,

  • Wissen, das in eigenen Problemlösungsprozessen erworben worden ist, lässt sich besser auf neue Problemlösungssituationen übertragen,

  • durch entdeckendes Lernen entwickelt der Lernende Interesse für weitere Lern- und Problemlösungsprozesse; die erfolgreichen Ergebnisse eigener Arbeit motivieren stärker als der verstehende Nachvollzug dargebotenen Wissens,

  • der Lernende wird vom Lehrer in dem Grade zunehmend unabhängig, wie er den Prozess des Entdeckens mehr und mehr selbst steuern und sein Vorgehen am Ergebnis überprüfen kann.

2.2 Grundsätzliche Folgerungen

  • Da es auch beim entdecken-lassenden Lehren darum geht, eine kognitive Struktur aufzubauen, kann es sich nicht darum handeln, die Lernenden sich selbst zu überlassen oder ihnen auch nur durchgängig das Prinzip von Versuch und Irrtum aufzuerlegen. Vielmehr gilt folgendes:

  • Die Problemauswahl muss sich an sachlogischen und didaktischen Kriterien orientieren, das Problem muss mithin einen Bezug zur Sachstruktur des Unterrichtsgegenstandes haben,

  • unterstützende Maßnahmen des Lehrenden müssen dazu beitragen, dass der Problemlösungsprozess bei allen Lernenden erfolgreich verlaufen kann, das Ergebnis mit bisher Gelerntem sinnvoll verknüpft wird und weiteres Lernen erleichtert,

  • der Lernende muss im Problemlösungsprozess zu planvollem Entdecken angeleitet werden,

  • Misserfolgserlebnisse sind soweit auszuschließen, dass keine negative Haltung zum Lernen entstehen kann.

2.3 Bedingungen entdeckenden Lernens

Interne Bedingungen

Wesentlich ist der Grad, in dem die kognitive Struktur des Lernenden ausgebildet ist.

  • Eingangswissen
    Ob eine Problemstellung didaktisch wirksam ist, hängt davon ab, ob sie für den Lernenden zu leicht, also kein Problem ist, oder zu schwer, also nicht lösbar ist. Insgesamt kommt es auf die intellektuelle Entwicklung an.

  • Fähigkeit zu planvollem Handeln
    Die Fähigkeit zu systematischem Vorgehen muss wenigstens im Ansatz vorhanden sein, also Problemstellungen zu analysieren, Hypothesen zu formulieren und überprüfen, weiterführende Möglichkeiten aufzuspüren.

  • Einstellung
    Der Lernende muss von sich aus dazu bereit sein, Sachverhalte zu durchdringen und Probleme zu lösen, muss neugierig und risikobereit sein.

Externe Bedingungen

Wieweit externe Bedingungen gegeben sein müssen, hängt wesentlich davon ab, in welchem Grade die notwendigen internen Bedingungen bereits bestehen oder noch entfaltet werden müssen.

Stets jedoch muss entdecken-lassendes Lehren folgende Prinzipien beachten und darf es nicht auf die Bereitstellung von Lernhilfen verzichten.

Prinzipien

  • Wissenschaftsorientierung
    Fundamentales Verständnis sowie Struktur des Faches müssen beachtet werden.

  • Entwicklunsgemäßheit
    Problem und damit zu erwerbendes Wissen müssen dem Entwicklungsstand des Lernenden entsprechen.

  • Spiralcurriculum
    Der Vermittlungsprozess muss in mehreren Durchgängen die verschiedenen
    Darstellungsebenen des Wissens durchlaufen, 
    und zwar 
    o die handelnde,
    o die bildliche und 
    o die begrifflich-formale Ebene.

Lernhilfen für den Entdeckungsakt

  • prozessorientierte Lernhilfen

dienen dazu, folgen Operationen zu unterstützen:
o Problemerfassung und -analyse,
o Isolieren bedeutsamer Faktoren,
o Beschaffung notwendiger Informationen,
o Hypothesenfindung und -entwicklung,
o Erkunden weiterführender Möglichkeiten,
o Überprüfung von Hypothesen und Bewertung von Lösungen.

  • ergebnisorientierte Lernhilfen

o lenken die Aufmerksamkeit auf die für die Lösung bedeutsamen Informationen,
o erinnern an für die Lösung wichtige Vorkenntnisse,
o geben Hinweise auf bestimmte Zusammenhänge,
o geben Teillösungen vor.

  • Rückmeldung

ist erforderlich,

o wenn der Lernende die Richtigkeit eines Lernschrittes aus dem vorliegenden Material
   nicht entnehmen kann,
o um den Lernenden schrittweise dazu zu befähigen, die unverzichtbare Bewertung
   seiner Handlungsergebnisse selbst vorzunehmen.


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Ausgearbeitet von:     Dr. Manfred Rosenbach -        letzte Änderung am: 15.01.08
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